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"Hauptsache Arbeit"

Die Arbeit selbst und der Arbeitsbegriff wandeln sich – wie sehr, zeigt die Ausstellung "Hauptsache Arbeit" im Bonner Haus der Geschichte. So ist es zum Beispiel der Stolz auf die eigene Arbeit, der kontinuierlich abnimmt.

Von Kersten Knipp |
    Einen wie Posthauptschaffner Ewald Freudenhammer kann man als exemplarischen Menschen bezeichnen. Tagein, tagaus hatte er seinen Dienst versehen, ernsthaft und zuverlässig und regelmäßig. Nichts hatte ihn ablenken oder gar von seiner Arbeit abhalten können, und dann, 1982, war es soweit: In den Händen hält er eine Auszeichnung. Eine Urkunde. "Dank und Anerkennung für die dem deutschen Volk geleisteten treuen Dienste", steht darauf, ausgestellt im Namen des – damals noch amtierenden – Ministers für das Post- und Fernmeldewesen, vertreten durch den Präsidenten der Oberpostdirektion.

    Sie wirkt wie aus einer anderen Zeit, diese Urkunde aus dem Jahr 1982, als die Welt noch in Ordnung war, noch nicht allzu weit hinter jenem Knick Mitte der 70er-Jahre, als sich, so die Macher der Ausstellung, die Arbeitswelt zu flexibilisieren begann. So bezeugt die Urkunde ein Berufsethos, wie es heute nicht mehr selbstverständlich ist, erläutert Hans Walter Hütter, Präsident der Stiftung "Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland".

    "Festzustellen ist, dass die weit überwiegende Anzahl der Befragten auf ihre Arbeit in der Vergangenheit oder auch in der Gegenwart stolz ist. Festzustellen ist auch, dass dieser Stolz sich bei Älteren oft speist aus dem Bewusstsein, ein hohes Maß an körperlicher Leistung erbracht zu haben. Dieses wandelt sich natürlich in den letzten Jahrzehnten und spielt bei jüngeren Arbeitnehmern kaum noch eine Rolle."

    Arbeit und der Arbeitsbegriff wandeln sich – wie sehr, setzt die Ausstellung anschaulich in Szene. Die Dienstwelt von Posthauptschaffner Freudenhammer ist ebenso passé wie die geordnete – wenn nicht verordnete – Ruhe der Kombinate in der DDR, deren Wandel die Ausstellung parallel zu denen im Westen dokumentiert. Der Osten also: Eine ruhige, übersichtliche Welt auch hier, in der von den Betriebsbibliotheken ausgeschriebene Besinnungsaufsätze die Arbeiter und Bauern den höheren Sinn ihres Daseins erkennen ließen.

    Wie etwa jener, zu dem seinerzeit das Fritz-Hecker-Kombinat aufrief. Titel: "Dem Lande Lenins sind wir fest verbunden." Während der goldenen Betriebszeiten war das, als das Kombinat 4300 Arbeiter beschäftigte. Heute heißt es, unter Bezug auf den Schweizer Investor, Starrag Heckert AG und hat noch 300 Menschen in seinen Diensten. Ein ungeheurer Bruch, typisch für die derzeitige Arbeitswelt. Wie geht man damit um? Hans Walter Hütter.

    "Wandel wurde in der Vergangenheit in aller Regel zunächst sehr, sehr kritisch gesehen. Veränderung verursacht bei den Menschen ja in aller Regel Unruhe und Unsicherheit. Wenn aber in geordneten Verfahren auch die Arbeit sich wandelt, fortentwickelt, auch humaner gestaltet, vielleicht mehr Kreativität und Verantwortung vom Menschen fordert, dann wird dieses in aller Regel – in hohem Maße sogar – akzeptiert."

    Dabei ist es alles anderes als leicht, die Wandlungsprozesse unbeschadet zu überstehen. Früher habe man eine Urkunde für 25 Jahre Betriebszugehörigkeit erhalten – heute bekäme man sie wahrscheinlich, wenn man 25 Mal den Job gewechselt hat, um nicht aus dem Arbeitsmarkt zu fliegen, umreißt ein auf eine Ausstellungswand geschriebenes Zitat die Situation. "Mach dir´s leichter", hieß in den 50er-Jahren eine Heftserie zur Arbeitsrationalität. Sie widmete sich unter anderem dem Thema "Zuckerrüben bestellen und pflegen". Heute wird in größerem Stil rationalisiert. Arbeit ist ein knappes Gut, jedenfalls für Menschen ohne vernünftige Ausbildung. Für die, die Arbeit haben, sagt Hans Walter Hütter, ist sie aber etwas anderes.

    "Arbeit ist viel mehr als nur das halbe Leben, wie ein Sprichwort sagt. Sondern Arbeit bestimmt weit über die Arbeitszeit hinaus das Leben des Menschen insgesamt. Arbeit hat hohe Bedeutung für das Selbstwertgefühl, für die Identifikation des Menschen. Auch für die soziale Anerkennung des Menschen. Und damit ist Arbeit in der Vergangenheit für die meisten Menschen mehr gewesen als nur die Zeit Arbeitsplatz."

    Wie geht es weiter mit der Arbeit? Die Zahl der Deutschen geht zurück, ebenso aber auch die Qualität ihrer Ausbildung. Zumindest lässt sie sich kaum mehr steigern, erklärt der Ausstellungskatalog. So dass die Situation auf dem Arbeitsmarkt gespannt bleibt und man sich künftig wird fragen müssen, wie Menschen sich definieren, wenn sie keine Arbeit mehr haben. Aber das wäre das Thema einer anderen, allerdings sehr dringend benötigten Ausstellung.