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Hauptschulen in Baden-Württemberg
Aktionsplan gegen Besoldungs-Ungerechtigkeiten

Die einen haben am Monatsende mehr, die anderen weniger im Portemonnaie: Für Hauptschullehrer und Hauptschullehrerinnen in Baden-Württemberg hängt das davon ab, an welcher Schule sie unterrichten. Die schlechter Bezahlten machen nun Druck auf die Politik - sie wollen Zugang zu Weiterqualifizierung und Höhergruppierung.

Von Thomas Wagner | 21.11.2018
    Schüler lernen im Geschichtsunterricht an einer Hauptschule in Arnsberg (Sauerland).
    Schulklasse während des Geschichtsunterrrichts (dpa / picture alliance / Fabian Stratenschulte)
    Alexandra Kulik arbeitet als Hauptschullehrerin in Stuttgart: "Ich bin heute hier, weil wir nicht gleichbehandelt werden wie andere Leute, die mit gleicher Ausbildung an den Realschulen sind, oder die mit der gleichen Ausbildung an der Gemeinschaftsschule sind. Natürlich ärgert das einen."
    Und darum geht es: Um die Forderung nach Gleichbehandlung. Denn je nach der Schule, an der sie unterrichten, bekommen ausgebildete Hauptschullehrer in Baden-Württemberg mal mehr, mal weniger Geld.
    "Wir haben zwei Klassen von Hauptschullehrern. Wir haben die Hauptschullehrer, die an den Werkrealschulen sind, die es noch gibt in Baden-Württemberg, und die auch sagen: Ich bleibe bei meinen Hauptschülern! Die werden nach A 12 bezahlt und bekommen von der Landesregierung keine Chance, nach A 13 zu kommen", sagt Doro Moritz, baden-württembergische Landesvorsitzende der "Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft".
    "Und Hauptschullehrkräfte, die an Realschulen sind, an Gemeinschaftsschulen, an Sonderschulen, weil man sie dort braucht, die dürfen sich weiterqualifizieren. Und wer sich weiter qualifiziert, bekommt mehr Geld."
    Möglichkeit zur Weiterqualifizierung wird verwehrt
    Doch gerade die Möglichkeit der Weiterqualifizierung, also der Schlüssel zu besserer Besoldung, wird denjenigen, die an den Haupt- und Werkrealschulen bleiben, verwehrt:
    "Genau die Lehrkräfte dürfen sich nicht an der Qualifizierung beteiligen. Die Lehrkräfte kommen da ja auch gar nicht weg, weil man sie dort braucht. Und deshalb ist das so gemein, weil deren Arbeit so schlecht bezahlt wird. "
    Erheblich schlechter nämlich als jene Hauptschullehrer, die einen Job in einer der neuen Gemeinschaftsschule oder in einer Realschule gefunden haben:
    "Das sind so im mittleren Lebensalter schon so zwischen 400 und 600 Euro im Monat."
    Das empfinden viele Betroffene an den Haupt- und Werkrealschulen insofern als ungerecht, als dass gerade dort die pädagogischen Herausforderungen enorm zugenommen haben. Julian Maus unterrichtet an einer Stuttgarter Werkrealschule:
    "Durch die Flüchtlingskrise haben wir unfassbar viele neue Schüler bekommen, deren Background wir erst mal erfassen müssen, die wir integrieren müssen, die alle Deutsch lernen müssen, wozu wir gar keine Kapazitäten haben, die alle einzeln irgendwann mal zu fördern. Wir haben ohne Ende Inklusionsschüler, die jetzt bei uns landen."
    Jung-Lehrer rutschen automatisch in Höhergruppierung
    Um das "Besoldungsdurcheinander" noch komplett zu machen: Diejenigen Jung-Lehrer an Hauptschulen, die ihr Examen ab September 2016 gemacht haben, rutschen automatisch in die höhere Eingruppierung, weil, so die Begründung, nach einer Reform des Lehramtsstudiums die neue Ausbildung besser sei als die alte. Das heißt: Nur diejenigen, die schon länger im Schuldienst sind, bleiben von einer Höhergruppierung ausgenommen.
    "Das sind jetzt so 2000 Lehrerinnen und Lehrer. Und das sind genau diejenigen, die den schweren Karren Hauptschule über Jahrzehnte gezogen haben. Und die finden das nur ungerecht – und wir auch!"
    So GEW-Vorsitzende Doro Moritz. Aus einer schriftlichen Stellungnahme des baden-württembergischen Kultusministeriums geht allerdings hervor, dass die bessere Besoldung derjenigen Grund- und Hauptschullehrer, die dauerhaft an Gemeinschaftsschulen oder Realschulen beschäftigt werden, nicht so ganz freiwillig erfolgte: Ausschlaggebend sei ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom Dezember 2014 gewesen. Demnach müssten solche Hauptschul-Pädagogen berufsbegleitend die Möglichkeit zur Weiterqualifizierung erhalten, was mit einer besseren Besoldung einhergehe.
    Kultusministerium prüft "neue Maßnahmen der Wertschätzung"
    Allerdings: Alle Hauptschullehrer seien wichtig. Deshalb würden "neue Maßnahmen der Wertschätzung" geprüft. Den betroffenen Hauptschullehrern ist das aber zu wachsweich. Sie bereiten derzeit mit der GEW einen öffentlichkeits-wirksamen Aktionsplan vor. Werkrealschullehrer Julian Maus hofft,
    "…das wir andere Werkrealschullehrer überzeugen können, gemeinsam laut zu werden, Druck zu erzeugen und den Politikern auf die Nerven zu gehen, so lange bis sie uns Gehör schenken und sich dann auch für uns einsetzen, auch wenn wir keine andere Lobby haben wie andere Schularten."