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Hauptstadt des Barock

Wie eine Festspielstadt, so verwandelt sich auch Rom jeden Sommer in eine Bühne. In antiken Ruinen und Villen, auf Plätzen und in Parks finden Konzerte und Theateraufführungen oder Lesungen statt. Eine Ausstellung in der Engelsburg erinnert in diesem Rahmen an eine frühere Glanzzeit der ewigen Stadt. Gezeigt wird, wie Rom im 17. Jahrhundert von Künstlern wie Bernini in ein Gesamtkunstwerk verwandelt wurde.

Von Thomas Migge |
    Die Kirche Sant'Agnese und die rechter- und linkerhand an sie grenzenden Paläste sind ganz aus Holz gefertigt. Zirka zwei Meter breit und etwas mehr als einen halben Meter hoch lädt das Holzmodell zur visuellen Besichtigung ein. Barockbaumeister Francesco Borromini schuf das Modell, um seinen päpstlichen Auftraggeber von dem Bauprojekt an der Piazza Navona zu überzeugen. Der Papst war begeistert und so entstand eine der in ihrer stilistischen Harmonie schönsten Fassadenkulissen Roms. Das war in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Rom war zur europäischen Hauptstadt eines ganz neuen Baustils geworden, erklärt der römische Historiker Claudio Rendina:

    "Die barocken Päpste wollte ganz gezielt an das grandiose Rom der Kaiser anknüpfen. Dafür musste die Hauptstadt des Kirchenstaates aus den antiken Trümmern komplett neu erstehen. Die Ausstellung zum römischen Barock in der Engelsburg zeigt deshalb verschiedene Holzmodelle jener Baumeister, die die Päpste von ihren Modellen begeistern wollten. Päpste, die Unsummen zur Neugestaltung Roms ausgaben. "

    Die Ausstellung in den historischen und mit Fresken bemalten Sälen der Engelsburg will mit architektonischen Holzmodellen, Gemälden, Zeichnungen und Entwürfen deutlich machen, dass der barocke Aufbruch Europas in Rom begann. In der ewigen Stadt entstand die Architektur des Barock und fand ihre erste Blüte. Es war die emsige Bautätigkeit barocker Päpste, deren Ziel es war, die umfassende Macht der Kirche in prachtvollen Bauten und urbanistischen Maßnahmen zum Ausdruck zu bringen. Verschiedene Päpste widmeten einen Großteil ihrer Regentschaft den von ihnen inspirierten Neubauten. So zum Beispiel Paul V. Dazu Claudio Strinati, Roms oberster Kulturhüter:

    "Wir verfügen über viel Archivmaterial, mit dem der totale Umbau Roms dokumentiert werden kann. Wie im Fall von Paul V. Er war ganz auf den Neubau von Sankt Peter konzentriert. Carlo Maderno vollendete den 1506 begonnenen Neubau. Maderno schuf 1613 mit der Fassade von S. Susanna die mit ihrer plastischen Durchbildung und ihren reichen Schmuckformen erste barocke Kirchenfassade. "

    Die Entwürfe dieser Fassaden wurden jetzt zum ersten Mal überhaupt aus römischen Archiven geholt, um sie der Öffentlichkeit zu zeigen.

    Überaus aufschlussreich sind auch die verschiedenen Projekte prominenter Barockbaumeister zur Renovierung antiker Ruinen. Auf und in die Ruinen von Tempeln und Palästen wollten Bernini, Borromini und die anderen Architekten der Päpste ihre Vorstellungen von antiker Größe realisieren. So zum Beispiel in Palestrina, rund eine halbe Autostunde östlich von Rom. Im Mittelalter bauten die Menschen kleine Häuser in die gewaltigen Ruinen eines der größten Heiligtümer der römischen Antike. Pietro da Cortona entwarf ein Modell für einen Neubau des Tempels als riesige barocke Kirche. Das Projekt wurde aus Geldmangel nie Realität.

    Papst Urban VIII. beließ es nicht nur bei Kirchen. Seine Aufmerksamkeit galt der gesamten Stadt Rom. Claudio Strinati:

    "Er hatte ganz genaue Vorstellung von Œseiner' Stadt: er ließ neue Stadtmauern und Kirchen errichten und während seines Pontifikats nahm das Zusammenspiel zwischen Künstler und Auftraggeber seinen Anfang. Eine Beziehung, die in der Kunstgeschichte kaum ihresgleichen fand. Nur ein Name: Gian Lorenzo Bernini wurde künstlerischer Direktor von ganz Rom. Seine beherrschende Stellung war unangreifbar. "

    Bernini, Maderno, Borromini und andere einflussreiche Barockbaumeister im Dienste architekturbegeisterter Päpste: sie veränderten das Stadtbild Roms so nachhaltig, dass es im Großen und Ganzen noch heute existiert. Erst Benito Mussolini knüpfte an die urbanistischen Großprojekte der Päpste an und schuf neue riesige Plätze und Gebäude.

    Die Ausstellung in der Engelsburg zeigt Entwürfe, Pläne, Modelle und malerische Wiedergaben des barocken Rom. Wenn der Ausstellungsbesucher dann auf die Terrassen der einstigen Wehrburg der Päpste tritt hat er die reale barocke Stadt zu seinen Füßen liegen: ein Stadtbild, das sich in den letzten Jahrhunderten nur wenig verändert hat und dessen Kirchen- und Palastfassaden sowie zahlreiche urbanistische Entwürfe für Plätze und Stadtviertel auf ganz Europa ausgestrahlt haben.

    In einer letzten Sektion macht die Ausstellung den Einfluss des römischen Barock auf das gesamte übrige Europa deutlich. Während nach dem Barock in Rom nicht mehr viel geschah, ein Rokoko gab es quasi gar nicht, inspirierten die baulichen Entwürfe von Bernini und Co. die Herrscher in Spanien, Deutschland und vor allem im absolutistischen Frankreich.