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Hauptverfahren gegen Schavan ist "gravierender Hinweis"

Die Obfrau der Grünen im Bildungsausschuss des Bundestages, Krista Sager, hat die Dauer der Bewertung der Doktorarbeit von Bundesbildungsministerin Annette Schavan kritisiert: Dass diese auch nach neun Monaten weiter geprüft werde, sei eine "sehr ungewöhnliche Situation".

Krista Sager im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 23.01.2013
    Dirk-Oliver Heckmann: Gemeinsam mit ihren Kabinettskollegen hat sich Bildungsministerin Annette Schavan gestern Nachmittag im Reichstagsgebäude aufgehalten, um die deutsch-französische Freundschaft hoch leben zu lassen. Doch ganz bei der Sache wird sie nicht gewesen sein, denn zum gleichen Zeitpunkt trat der Fakultätsrat der Uni Düsseldorf zusammen wegen der gegen sie erhobenen Plagiatsvorwürfe und ist am späten Abend zu einer Entscheidung gekommen.

    Telefonisch sind wir verbunden mit Krista Sager, sie ist die Obfrau für Bündnis 90/Die Grünen im Bildungsausschuss des Deutschen Bundestages. Schönen guten Morgen, Frau Sager.

    Krista Sager: Guten Morgen, Herr Heckmann.

    Heckmann: Frau Sager, Annette Schavan hatte damals zum Fall zu Guttenberg gesagt, sie schäme sich nicht nur heimlich. In welchem Licht erscheint dieser Satz vor dem Hintergrund der Entscheidung aus Düsseldorf?

    Sager: Zum einen finde ich das gut, dass sie damals deutlich gemacht hat, dass Plagiieren und plagiierendes Vorgehen kein Kavaliersdelikt ist im Wissenschaftsbereich, und insofern nehme ich ihr das auch ein Stück weit ab, dass sie nicht damit gerechnet hat, dass sie selber in so ein Verfahren verwickelt werden könnte. Wenn man selber das Gefühl hat, ich habe da noch eine Leiche im Keller, dann sagt man so was wahrscheinlich nicht so ohne weiteres in Bezug auf einen Kollegen.

    Heckmann: Das spricht dafür, dass Annette Schavan nach bestem Wissen und Gewissen ihre Doktorarbeit verfasst hat?

    Sager: Das zu beurteilen, das muss am Ende die Wissenschaft tun und vor allen Dingen die zuständige und verantwortliche Universität. Und wir stehen natürlich vor der Situation, dass die Universität ganz klar gesagt hat, die Bewertung des Promotionsausschusses hat eine Substanz, die die Eröffnung eines Hauptverfahrens notwendig macht, und das ist natürlich ein gravierender Hinweis. Auf der anderen Seite stehen wir aber auch vor der Situation, dass nach immerhin neun Monaten die Universität immer noch sagt, wir sind immer noch am prüfen und wir machen das immer noch ergebnisoffen. Das ist ehrlich gesagt schon eine sehr ungewöhnliche Situation und natürlich auch ...

    Heckmann: Warum? Man könnte ja auch sagen, Frau Sager, dass sich die Uni da Zeit nimmt und auch zu Recht Zeit nimmt, weil das ordentlich geprüft werden muss.

    Sager: Natürlich muss die Universität sich die notwendige Zeit nehmen. Aber wir können natürlich auch dieses Verfahren mit anderen Verfahren vergleichen. Und dann muss man sagen - für die Entscheidung, dass man dann ein Hauptverfahren eröffnet und dann nicht sagt, das ist jetzt eigentlich nur noch ein Verwaltungsakt, weil wir uns die Bewertung des Promotionsausschusses zueigen machen. Sondern wir steigen jetzt noch mal in Prüfungen ein, ohne jede Aussage darüber, wie soll das Verfahren weiterlaufen, was glauben wir, wann wir fertig werden. Das ist im Vergleich zum Bayreuther Verfahren, wo der Fall zu Guttenberg geprüft wurde, schon eine sehr lange Zeit und das ist natürlich in Bezug auf die politische Brisanz auch eine, sage ich mal, politisch sehr schwierige Situation, die aber natürlich die Uni nicht zu verantworten hat. Das ist dann eher eine Sache, für die die Politik zuständig ist.

    Heckmann: Frau Sager, wie erklären Sie sich denn die Tatsache, dass das jetzt doch so lange dauert? Sie insinuieren so ein bisschen, dass man da ein bisschen auf der Bremse steht. Hängt das damit zusammen, dass auch der Druck auf die Universität auch von Seiten der Wissenschaftsorganisationen so erheblich ist?

    Sager: Nein, das glaube ich nicht, und die Universität hat sich ja in Bezug auf die Kritik an den Vorgehensweisen und an dem Verfahren auch überhaupt nicht beeindrucken lassen. Und man muss natürlich auch sagen, es ist ein Unterschied, was eine Universität nach ihren eigenen Verfahrensregeln muss, und die Frage, wie finden andere dann die unterschiedlichen Verfahrensregeln an den deutschen Universitäten.

    Wir haben die Situation, dass an deutschen Universitäten in diesen Fragen unterschiedliche Verfahrensregeln gelten, und insofern ist es auch richtig, wenn die Universität sagt, nach ihren eigenen Regeln hat sie alles richtig gemacht im rechtlichen Sinne. Ich bin schon lange der Meinung, dass es gut wäre, wenn die Universitäten ihre Verfahrensstandards stärker vereinheitlichen würden. Es war zum Beispiel reiner Zufall, dass zu Guttenberg sich in Bayreuth nicht strafbar gemacht hat, weil er dort nur eine ehrenwörtliche Erklärung abgeben musste. In München hätte er eine eidesstattliche Erklärung abgeben müssen, dann hätte er sich strafbar gemacht.

    Und auch die Frage, wenn ich das noch mal sagen darf, mit den zwei Gutachten, oder ob das ganze nur auf der Fakultätsebene betrachtet wird, oder an eine Senatskommission für gute wissenschaftliche Praxis gegeben wird, das ist in Bayreuth anders gelaufen als in Düsseldorf. Und ich glaube, es wäre gut, wenn man sich mal auch über diese Verfahrensstandards verständigen würde. Aber die Universität kann natürlich, solange das nicht passiert, nach ihren eigenen Regeln vorgehen, und dann ist das rechtlich auch in Ordnung.

    Heckmann: Das heißt aber trotzdem, Sie würden dazu raten, jetzt dann doch schleunigst mal einen externen Experten hinzuzuziehen, wie das ja auch von Seiten der Unions-Fraktion gefordert wird?

    Sager: Die Politik hat hier im Grunde der Universität gegenüber gar nichts einzufordern. Ich kann nur als Wissenschaftspolitikerin sagen, ich glaube, es wäre besser. Man muss allerdings auch sagen, es gibt einen Unterschied zwischen einer berechtigten Kritik und einer Kritik, die suggeriert, das Verfahren sei nicht in Ordnung gewesen. Man muss sagen, die Wissenschaftsorganisationen haben diese Vereinheitlichung der Verfahrensstandards in der Vergangenheit nicht eingefordert, obwohl sie wussten, dass die Universitäten unterschiedlich agieren.

    Heckmann: Was heißt das ganze jetzt, Frau Sager, für Frau Schavan als Ministerin? Welche Konsequenzen müsste sie aus der gestrigen Entscheidung ziehen? Muss sie das überhaupt?

    Sager: Sie ist natürlich immer noch in einer Situation, wo die Universität gesagt hat, wir sagen nicht definitiv, wie wir die ganze Angelegenheit bewerten, sondern wir prüfen weiter. Und das heißt nicht nur für Schavan, sondern auch für die gesamte politische Landschaft, wir warten darauf, was die Universität am Ende für eine Bewertung abgibt. Ich bin allerdings der Meinung, wenn die Universität dann eine Bewertung abgibt und diese Bewertung dazu führt, dass Frau Schavan ihren Doktorgrad verliert, dann bin ich definitiv der Meinung, dass sie dann nicht Wissenschaftsministerin bleiben kann. Und ich glaube, dass sie das dann eigentlich auch selber wissen müsste, dass die Politik dann das Urteil einer Universität, die zuständig und verantwortlich ist, im Grunde respektieren muss.

    Heckmann: Die Obfrau der Bündnis-Grünen im Bildungsausschuss des Deutschen Bundestages, Krista Sager, war das live hier im Deutschlandfunk. Frau Sager, ich danke Ihnen für dieses Interview.

    Sager: Ich bedanke mich auch.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.