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Hauptziel für Krebsmittel

Biologie. - Stammzellen können sich in vielerlei, manche sogar in alle Gewebezellen entwickeln. US-Biologen haben jetzt die Stammzellen gefunden, die die Entwicklung einer Prostata anstoßen. In der aktuellen "Nature" berichten sie darüber.

Von Volkart Wildermuth | 23.10.2008
    In San Francisco bei der Firma Genentech ist Wei-Qiang Gao zuständig für den Prostatakrebs. Die Suche nach innovativen Medikamenten hat ihn auf das Feld der Stammzellforschung geführt. Denn hier, davon ist der Molekularbiologe überzeugt, liegt der Schlüssel zu einer erfolgreichen Therapie.

    "Wir wollen dringend die Krebsstammzellen untersuchen. Ein Tumor enthält viele Zelltypen, aber nur ganz wenige davon können sich beliebig vermehren. Diese Zellen sind auch für die Rückfälle nach einer Behandlung verantwortlich. Wenn wir die Krebsstammzellen abtöten, können wir die Therapie verbessern."

    Noch ist es niemand gelungen, die Krebsstammzellen eines Prostatakarzinoms zu isolieren. Wei-Qiang Gao machte sich deshalb auf die Suche nach ihren Vorläufern, den normalen Stammzellen der Prostata. Dass es die geben muss, zeigt ein Eingriff in den Hormonhaushalt von Mäusen. Wird ihre Testosteronproduktion blockiert, dann schrumpft die Prostata völlig ein. Bekommen die Tiere das Hormon danach zurück, dann bildet sich ihre Vorsteherdrüse neu aus. Dahinter steht die Prostatastammzelle und das war für Wei-Qiang Gao auch ein erster Hinweis, wo er nach ihr suchen muss: im Zentrum der Prostata und nicht an den Rändern, die so anfällig für Hormonentzug sind. Aber auch im Prostatakern gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Zelltypen. Welcher davon die gesuchte Stammzelle ist, kann man nicht einfach so erkennen. Also machten sich die Forscher bei Genentech daran, Prostatazellen nach den Molekülen auf ihrer Oberfläche zu sortieren. Die einzelnen Zelltypen wurden dann in die Niere einer Maus transplantiert. Meist passierte nichts, doch am Ende hatte Wei-Qiang Gao Erfolg: in der Nierenkapsel wuchs eine Art Prostata am falschen Ort. Unter dem Mikroskop ist klar das charakteristische Netzwerk aus Drüsengängen zu erkennen. Gao:

    "Es sieht aus wie Prostatastrukturen, anatomisch und was die Zelltypen betrifft. Sie sondern auch die Eiweiße ab, die für die Prostata typisch sind. Das Gewebe arbeitet wie eine Prostata."

    Dieses Kunststück gelang mit Zellen, die ein Molekül namens CD117 auf ihrer Oberfläche tragen. Selbst als Wei-Qiang Gao nur eine einzige dieser CD117-Zellen transplantierte, entwickelte sich funktionsfähiges Prostatagewebe. Ein beeindruckender Beleg für die Erneuerungskraft der Stammzellen. Gao:

    "Es ist aufregend so eindeutig und überzeugend zu belegen, dass eine einzige Zelle ein ganzes Organ bilden kann. Ähnliches ist bislang nur bei der Brustdrüse geglückt und bei Muskeln. Dieses weitere Beispiel zeigt, dass man im Prinzip beschädigte Gewebe mit einer einzelnen Zelle wiederherstellen kann."

    Nun ist die Prostata kein überlebenswichtiges Organ. Gewebeingenieure werden also nicht bei Genentech Schlange stehen, um das Rezept für die Zucht einer Vorsteherdrüse zu bekommen. Aber sie dürften sich die Forschungsstrategie von Wei-Qiang Gao sehr genau ansehen. Der hat inzwischen CD117-Zellen auch in der menschlichen Prostata nachgewiesen. Und das bringt ihm seinem eigentlichen Ziel näher, neuen Therapien für das Prostatakarzinom. Gao:

    "Krebsstammzellen sollten den normalen Stammzellen der Prostata ähneln und auch CD117 bilden. Wir können Antikörper produzieren, die dieses Molekül erkennen. Mit ihrer Hilfe wollen wir Gifte zu den Krebsstammzellen transportieren und sie gezielt abtöten. Dass sollte einen Rückfall nach der etablierten Chemotherapie verhindern."

    Das zumindest ist die Hoffnung. Bevor aber wirklich ein Medikament gegen die Krebsstammzelle des Prostatakarzinom auf den Markt kommt, muss noch viel geforscht werden.