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"Haus der Journalisten" in Paris
Barometer für den Zustand der Pressefreiheit in der Welt

14 Zimmer und eine lange Warteliste - das "Haus der Journalisten" in Paris unterstützt ausländische Journalisten, die aus ihren Ländern fliehen mussten. Die Einrichtung fungiert nicht nur als Notunterkunft: Sie will verfolgten Journalisten ein Sprachrohr geben.

Von Bettina Kaps | 06.02.2018
    Ein Mann und eine Frau stehen in einem Treppenhaus. Hinter ihnen hängt ein Plakat mit der Aufschrift "La Maison des Journalistes" - "Das Haus der Journalisten"
    Die Exil-Journalistin Rowaida Kanaan aus Syrien (rechts) hat im "Haus der Journalisten" in Paris Zuflucht gefunden (Deutschlandradio / Bettina Kaps)
    Ein langgestreckter Bau aus hellem Backstein, Atelierfenster mit Milchglas: Das "Haus der Journalisten" ist in einer ehemaligen Bürstenfabrik untergebracht. Rowaida Kanaan aus Syrien wartet im Eingang auf einige Mitbewohner. Die Exil-Journalisten wollen zusammen zum Französisch-Unterricht gehen. Ein marokkanischer Journalist übersetzt, was Rowaida sagt.
    Die heute 40-Jährige hat für einen Radiosender in Damaskus aus den Konfliktzonen berichtet, unter einem Decknamen. Das Regime hat sie trotzdem identifiziert und zehn Monate lang ins Gefängnis gesteckt. Anschließend floh sie in die Türkei. Aber auch dort wurden syrische Journalisten ermordet. Deshalb hat Rowaida Asyl in Frankreich beantragt.
    Notunterkunft mit 14 Zimmern
    Die Syrerin lebt seit acht Monaten im "Haus der Journalisten", vor kurzem wurde sie als Flüchtling anerkannt. Das bedeutet aber auch, dass sie das Haus demnächst verlassen muss. Denn die Einrichtung mit ihren 14 Zimmern dient nur als Notunterkunft. Mehr als 100 Exiljournalisten erhoffen sich hier einen Platz. Der Trägerverein hat eine lange Warteliste. Nun hilft er Rowaida, eine eigene Wohnung zu finden und sich in Frankreich zu integrieren. Neben ihr steht ein junger Mann mit Pferdeschwanz.
    Der 31-Jährige Türke hat schon vor anderthalb Jahren politisches Asyl in Frankreich beantragt. Er nennt sich Onur, war Redakteur bei der ehemals größten türkischen Tageszeitung "Zaman". Während des Putschversuchs im Juli 2016 war er gerade im Italien-Urlaub. Nach vielen Telefonaten mit seinen Kollegen beschloss Onur, nicht mehr in die Türkei zurück zu kehren.
    "Die Regierung hat 'Zaman' genau wie fast 200 weitere Medien geschlossen. Ein Teil meiner Kollegen sitzt jetzt im Gefängnis, andere verstecken sich in der Türkei, weil sie Angst haben."
    Verfolgten Journalisten ein Sprachrohr geben
    Onur fühlt sich selbst im Exil nicht sicher. Er und ein Landsmann im Haus fürchten türkische Killerkommandos. Er ist auch besorgt, weil er - genau wie sein Kollege - noch immer keinen Bescheid von der französischen Asylbehörde hat.
    "Ich hatte dieses Bild von Frankreich im Kopf als Land, das Flüchtlinge aufnimmt und die Menschenrechte verteidigt. Aber die Asylbehörde antwortet mir einfach nicht, das enttäuscht mich sehr. Das 'Haus der Journalisten' hat mir sozusagen das Leben gerettet. Ohne das Zimmer hier wäre ich wohl auf der Straße gelandet. Außerdem dachte ich, mit dem Journalismus sei es für mich vorbei. Aber hier konnte ich schon wieder etwas journalistisch arbeiten."
    Den verfolgten Journalisten ein Sprachrohr geben, genau das ist auch ein vorrangiges Ziel des Trägervereins, sagt die Leiterin Darline Cothière:

    "Das Haus der Journalisten gibt die Internet-Zeitung 'L´Oeil de l´Exilé' heraus, 'Das Auge des Exilanten'. Darin können sie sich völlig frei äußern. Denn wenn sie im Exil nicht mehr journalistisch tätig sein können, bedeutet das: Die Unterdrückung dauert an. Wir verteidigen die Presse- und Meinungsfreiheit."
    Wo sich Frankreich aus der Verantwortung zieht
    Darüber hinaus bemüht sich Darline Cothière, den Exil-Journalisten Kontakte zu inländischen und ausländischen Medien zu vermitteln. Einige von ihnen wurden dort schon als Experten befragt.
    Seit 2011 hat das Haus der Journalisten vorrangig Syrer aufgenommen. Derzeit beherbergt es außerdem Frauen und Männer aus Afghanistan, Irak, Mauretanien, Jemen, Marokko und der Türkei. Fast alle Bewohner erhalten innerhalb von sechs bis acht Monaten den Flüchtlingsstatus und können dann ein neues Leben beginnen. Nur bei zwei Ländern gibt es Ausnahmen, sagt Cothière:

    "Türkei und Marokko. Da klemmt es, vermutlich aus diplomatischen Gründen. Wir sehen keinen anderen Grund, denn alle unsere Journalisten können beweisen, dass sie in Gefahr waren. Und die Lage der Medien in diesen Ländern ist bekannt."
    Das "Haus der Journalisten" in Paris ist eine Art Barometer für den Zustand der Pressefreiheit in der Welt. Es zeigt aber auch, wo sich Frankreich aus der Verantwortung zieht.