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Haus der Kunst in München
Selbst ernannte "Dilletanten"

Im Münchener Haus der Kunst frönt man derzeit der Subkultur der 80er-Jahre. Selbst ernannte "Geniale Dilletanten", zu denen auch die Band Einstürzende Neubauten gehörte, bewegen sich spuckend und rauchend über die Bühnen. Das wirklich Geniale an der Ausstellung: Den Dilletanten werden die aus heutiger Sicht hohen Vertreter der Kunst an die Seite gestellt.

Von Julian Ignatowitsch | 26.06.2015
    "Das Tempodrom, das war so ein Zelt. Dann sprach mich Blixa an, sagte, wir können da ein Konzert machen, das war wie Kettenbrief. Dann haben wir gesagt, der neue Inhaber vom Risiko kann da auch singen, der war Kellner, der hat zum ersten Mal in seinem Leben auf einer Bühne gesungen."
    "Dieses professionelle Gehabe, das sind ja die größten Stümper."
    Also: Keine Profis, nur Dilettanten, womit wir beim Thema wären: Geniale Dilletanten, auch noch falsch geschrieben, zwei L statt zwei T. Untergrund, Subkultur, 80er-Jahre, Musik in erster Linie, Performance und Bildende Kunst in zweiter, irgendwo zwischen Dada, Avantgarde und Punk ...
    Jetzt aber mal der Reihe nach: Wolfgang M., 24 Jahre damals, tritt mit seiner Band "Die tödliche Doris" 1981 beim "Festival Genialer Dilletanten" auf, und veröffentlicht 1982 den gleichnamigen Buchband - wie gesagt - mit Schreibfehler, sozusagen die Geburtsstunde und Formvollendung des Dilettantismus.
    Damit hat eine ganze Jugendbewegung ihren Namen: Gruppen wie "Der Plan", "F.S.K.", "D.A.F.", "Palais Schaumburg" oder - bis heute am bekanntesten – "Einstürzende Neubauten" dilettieren auf den Bühnen der Republik.
    Sie nennen sich Blixa Bargeld, FM Einheit, N.U. Unruh oder Pyrolator; sie improvisieren mit Hämmern, Sägen und Bohrmaschinen; sie treten in schrägen Kostüme auf - oder auch mal ganz ohne; und sie wollen, ach was, sie müssen sich kreativ austoben:
    "Und dann haben wir uns die Instrumente ausgeliehen und gespielt."
    Frank Fenstermacher und seine Band Der Plan: die Spitze des Dilettantismus.
    "Dann haben wir angefangen, Nasenflöte zu spielen. Wir haben uns verkleidet und haben Aufführungen gemacht, mit Schaumstoffgitarren, mit Pappmasken und Styroporanzügen."
    Die Ausstellung bereitet das alles wunderbar auf, ist an manchen Stellen ein bisschen... okay, sie ist an manchen Stellen viel zu leise! Wer den Sound hören will, muss meistens zu Kopfhörern greifen. Wir sind halt im Museum!
    Dafür schreien die Dilletanten in ihrer ganzen Bildmacht: Spuckend, rauchend, abspackend, immer irgendwie subversiv und manchmal auch - so weit das die ironische Attitüde erlaubt - mit politischer Message.
    Der geniale Griff im Haus der Kunst: Den Dilletanten werden die aus heutiger Sicht hohen Vertreter der Kunst an die Seite gestellt. Jörg Immendorff oder Bernd Zimmer, heute weltweit ausgestellt - auch sie waren anfangs Teil der Bewegung. Das Bild vermischt. Matthias Roeingh wird später als Dr. Motte und im Zuge der Loveparade bekannt, Thomas Meinecke ein anerkannter deutscher Schriftsteller. Mit der Neuen Deutschen Welle bekommt die Bewegung dann eine massentaugliche Fortsetzung. Die ist aber nur halb so dilettantisch - und halb so genial.