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Hausarzt mit Provinz-Zuschuss

Hausärzte sind Mangelware. Vor allem in ländlichen Gebieten. Baden-Württemberg will dies mit der Vergabe von Stipendienplätzen für angehende Mediziner ändern. Ob durch finanzielle Anreize der Hausarztberuf auf dem Land schmackhaft gemacht werden kann, bleibt dennoch fraglich.

Von Michael Risel | 28.09.2011
    Volkertshausen bei Konstanz am Bodensee: In der Praxis von Hausarzt Thomas Peuckert herrscht Hochbetrieb. Während die Sprechstundenhilfe am Empfang Termine vereinbart, sitzt der Arzt mit einer Patientin im Behandlungszimmer. An seiner Seite: der Medizinstudent Christian Deniffel. Der 28-Jährige macht gerade sein Praktisches Jahr. Heute soll er die Untersuchung leiten.

    "Christian?! Die Situation ist jetzt eine besondere für dich. Und zwar deshalb, weil die Patientin hat Probleme mit Schlafen, innere Unruhe, irgendwas ist da. Und ich möchte, dass du mal eruierst, inwieweit das mit einer Überlagerung zu tun hat oder dass sie vielleicht organisch irgendwas hat."

    Der Arzt verlässt den Raum, und Christian Deniffel beginnt mit der Untersuchung.

    "OK, erzählen sie mal kurz. Wie hat das Ganze angefangen?''"

    Durch Zuhören und gezieltes Nachfragen tastet sich Christian Deniffel voran. Zuerst geht es ihm darum, sich ein genaues Bild von der Patientin und ihren Beschwerden zu machen. Schon nach kurzer Zeit fällt sein Verdacht auf die Schilddrüse: Eventuell könnte sie als Ursache für die Schlafstörungen verantwortlich sein. Nach Rücksprache mit Hausarzt Thomas Peuckert will er seine Diagnose mit einem Ultraschall überprüfen.

    ""Ok, gut, dann hammer des. Sie kriegen dann vorne alle Unterlagen. Dann sehn wir uns nächste Woche zum Ultraschall.' 'Nächste Woche, gut, danke schön.' 'Bitteschön.' 'Tschüss.' 'Tschüss.'"

    Knapp dreitausend Einwohner hat Volkertshausen. Seit zwei Wochen ist Christian Deniffel jetzt schon hier. An der Arbeit als Hausarzt reizt ihn vor allem die Vielfalt. Insgesamt wird er vier Monate seiner Ausbildungszeit im Praktischen Jahr in der kleinen Gemeinde verbringen. Im Rahmen eines neuen Stipendienprogramms bekommt er dafür pro Monat einen finanziellen Zuschuss in Höhe von fünfhundert Euro vom Land Baden-Württemberg. Einen Provinz-Zuschuss. Denn Hausärzte sind Mangelware. Vor allem in ländlichen Gebieten. Das soll sich ändern.

    "Und das Projekt soll ganz einfach das Interesse der Studierenden für den hausärztlichen Beruf wecken, nach dem Motto des 'Early primings', dass wenn man früh Kontakt mit einem gewissen Berufsbild hat, auch die Chance, dass dieses Berufsbild später gewählt wird, größer ist."

    Sagt Klaus Böhme. Er lehrt das Fach Allgemeinmedizin an der Universität Freiburg. Hier wird die Vergabe der Fördermittel landesweit für ganz Baden-Württemberg koordiniert. 120 Stipendienplätze stehen insgesamt zur Verfügung, gestaffelt über einen Zeitraum von drei Jahren. Kostenpunkt: 600.000 Euro. Geld, das für Professor Wilhelm Niebling, Leiter des Lehrebereichs Allgemeinmedizin an der Universität Freiburg, gut investiert ist. Denn mittlerweile ist in Baden-Württemberg jeder vierte Hausarzt sechzig Jahre oder älter.

    "Das heißt, dass in den nächsten Jahren jährlich in Baden-Württemberg, ich sprech jetzt für unser Gebiet hier im Südwesten, etwa 400 bis 500 Hausärzte abgehen werden, die durch Nettozugänge einfach nicht wettgemacht werden können, diese Zahl. Sodass es auch in Baden-Württemberg die Situation geben wird, dass Hausarztsitze, die frei werden, durch den Abgang der Praxisinhaber nicht mehr nachbesetzt werden können."

    Fraglich ist allerdings, ob es allein durch finanzielle Anreize gelingt, mehr jungen Medizinern den Job als Hausarzt auf dem Land schmackhaft zu machen. Denn auch für Christian Deniffel steht fest, dass er später lieber in der Stadt arbeiten möchte, und zwar als Internist.

    "Zumindest solange ich jung bin, kommt das eigentlich nicht infrage, auf dem Land zu wohnen, einfach aus dem Grund, weil ich kein Freizeitangebot oder sehr eingeschränkt Freizeitangebot hab, ich bin immer auf das Auto angewiesen und natürlich auch die Sache mit dem potenziellen Partner, dass der dann natürlich auch eingeschränkt wird. Also, ich denke, das sind sicherlich Argumente, weswegen viele auch sagen, sie wollen erst mal in der Stadt bleiben."

    Argumente, denen sich auch die Macher des Stipendien-Projekts bewusst sind. Doch unabhängig davon, wie viele der Stipendiaten sich später tatsächlich für den Werdegang als Hausarzt auf dem Land entscheiden sollten – an der Notwendigkeit eines solchen Förderprogramms ändert das für Klaus Böhme nichts.

    "Wir müssen sicherlich auch mit Rückschlägen rechnen, nur sehe ich momentan keine rationale Linie, ein anderes Konzept zu verfolgen."