Martin Zagatta: Teppichhändlerrunde wird das Gerangel in der Bundestagsfraktion auch der Union genannt, wenn es um die Postenverteilung in den Ausschüssen geht. Gestern Abend wurden da die letzten Entscheidungen getroffen, und was auffällt ist, dass der bisherige Obmann der Unions-Fraktion im Haushaltsausschuss, dass Klaus-Peter Willsch diesem Gremium nun nicht mehr angehört. Man hört, dass er nicht freiwillig ausgeschieden ist, sondern abgestraft wurde, weil er mehrfach gegen die Euro-Rettungspolitik von Kanzlerin Merkel gestimmt hat. Guten Tag, Herr Willsch!
Klaus-Peter Willsch: Schönen guten Tag, Herr Zagatta.
Zagatta: Herr Willsch, hat man Ihnen das auch so klipp und klar gesagt, dass Sie da rausfliegen, weil Sie als Euro-Skeptiker Ihrer Fraktion zu kritisch sind?
Willsch: Na ja, gesagt. Bedeutet, will ich mal sagen. Ich hätte mir da einfach ein offenes Gespräch gewünscht. Das hat es nicht gegeben. Es ist einfach die Weisung ausgegeben worden, der Willsch kommt da nicht mehr rein, und dann ist das umgesetzt worden bei den Teppichhändlern.
Zagatta: Wer hat diese Weisung ausgegeben?
Willsch: Die kam wohl von der Fraktionsspitze.
Zagatta: Und da wurden Sie von denen auch nicht informiert?
Willsch: Nein!
Zagatta: Wie haben Sie davon erfahren?
Willsch: Es gab am Freitag vor Weihnachten die Abschlussrunde bei den Teppichhändlern über die Ausschussbesetzung und danach gab es in der Landesgruppe eine Mail mit den Ausschusszugehörigkeiten und da fand ich mich eben nicht mehr im Haushaltsausschuss wieder.
Zagatta: Und Ihre Landesgruppe, wenn die eingeschaltet war, die hat auch nicht für Sie gekämpft?
Willsch: Doch, doch! Mein Landesgruppenvorsitzender hat mich vorgeschlagen dort und hatte auch die Unterstützung vom Parteivorsitzenden, aber das war offenbar der Fraktionsführung so wichtig, dass sie da sich nicht hat beeindrucken lassen von.
Zagatta: Sie wollten weitermachen?
Willsch: Ja klar! Ich bin seit 2002 im Haushaltsausschuss und denke, dass ich da eine ordentliche Arbeit gemacht habe, und es ist auch eigentlich üblich, dass man - Anciennitätsprinzip nennt man das – den langjährigen Abgeordneten zunächst mal die Möglichkeit lässt, in dem Bereich, in dem sie arbeiten, auch weiterarbeiten zu können.
Zagatta: Fühlen Sie sich abgemeiert?
Willsch: Ja, ich muss das hinnehmen. Wissen Sie, wenn Sie gegen den Strich bürsten, dann wissen Sie, dass Sie was riskieren. Ich halte es für ein bisschen kleinlich, angesichts der Mehrheitsverhältnisse, die die Große Koalition hat, und für ein bisschen unsouverän. Aber gut, das muss ich letztlich hinnehmen.
Zagatta: Haben Sie denn nicht Verständnis dafür, dass man eigentlich keinen Obmann in einem Ausschuss will, der sich dann gegen die Mehrheit seiner Partei stellt und auch gegen die Parteiführung?
Willsch: Doch natürlich. Darum habe ich ja auch ausdrücklich erklärt, dass ich die Position des Obmanns nicht wieder anstrebe. Mir ging es nur darum, weiter im Haushaltsausschuss zu arbeiten.
Zagatta: Gilt das nicht dafür genauso? Sollten Mitglieder in einem Ausschuss nicht tendenziell auch die Mehrheit in ihrer Partei vertreten?
Willsch: Ja. Wir haben das im Ausschuss auch gemacht. Wir waren zeitweise drei im Haushaltsausschuss, die der Euro-Rettungspolitik sehr kritisch gegenüberstehen. Wir haben aber unsere Funktion im Haushaltsausschuss, wo man ja, weil es weniger Köpfe sind, sozusagen einen Hebel hat, nie missbraucht, sondern sind rausgegangen und haben für Stellvertretung gesorgt, um das Bild, das Mehrheitsbild der Fraktion nicht zu verfälschen.
Zagatta: Herr Willsch, Sie sind jetzt raus. Die FDP ist raus aus dem Bundestag. Sind denn Euro-kritische Stimmen jetzt im Parlament überhaupt noch zu hören?
Willsch: Ich bin ja noch da. Ich kann ja jederzeit auch in die Debatten eingreifen und das werde ich auch tun. Ich habe ja meine Auffassung jetzt dadurch nicht verändert. In vielen Fragen wird auch der Bundestag als ganzes abstimmen müssen.
Zagatta: Aber stehen Sie dann nicht auf verlorenem Posten jetzt?
Willsch: Die Position ist nicht gerade machtvoll. Das will ich schon einräumen. Das finde ich auch zusätzlich schade und da kriege ich auch viel Rückmeldung aus dem ganzen Land, mit Zuschriften, E-Mails, Briefen. Es ist bedauerlich, dass man nun die bürgerliche Kritik an der Euro-Rettungspolitik, die es ja nun breit gibt in der Gesellschaft, versucht, parlamentarisch nicht mehr stattfinden zu lassen, und das ganze Feld den Kommunisten überlässt.
Zagatta: An wen sollen sich denn diese Leute jetzt wenden, die diese bürgerliche Kritik da üben? Wenn Sie jetzt keinen großen Einfluss mehr haben, was soll man denn den Leuten, die die vielen Hilfspakete für die Schuldenstaaten kritisch sehen, was soll man denen bei der Europawahl jetzt raten? Sollen die die AfD wählen? Wer Willsch will, der wählt jetzt AfD?
Willsch: Na ja, ich bin schon als CDU-Kreisvorsitzender mit einem deutlichen Markenzeichen versehen, dem Label der CDU. Das bleibt ja auch so. Aber ich kann denen, die sich Sorgen machen darüber, nur empfehlen, sich an ihre jeweiligen Abgeordneten zu wenden und das dort vorzutragen, damit wahrnehmbar wird, auch breiter, dass es die dringende Sehnsucht nach einer anderen Politik in dem Bereich gibt.
Zagatta: Aber Abgeordnete, die sich dann trauen, das auch lautstark zu vertreten, die werden dann behandelt wie Sie?
Willsch: Jetzt sind ja erst mal die Posten verteilt. Da ist ja dann mal vier Jahre Ruhe. Man hat ja nur die Gelegenheit jetzt der Neuaufstellung genutzt, um da Frontbegradigung zu machen.
Zagatta: Wenn wir nur auf die Euro-Politik schauen, stimmen Sie da mit den Positionen der AfD weitgehend überein?
Willsch: In vielen Punkten ja, denn die AfD hat ja ihre Wurzeln in diesem Thema in der deutschen Volkswirtschaft in der Mehrheitsmeinung der deutschen Volkswirtschaft, wie ich nach wie vor glaube. Ich habe, bevor Professor Lucke dann die Partei gründete, auch eng mit ihm thematisch zusammengearbeitet und mich bebraten lassen von ihm. Er ist ja ein ausgewiesener Experte.
Zagatta: Sich da eine neue Heimat zu suchen, kommt für Sie aber nicht in Frage?
Willsch: Nein. Wissen Sie, das an einem Thema jetzt festzumachen, auch wenn es ein sehr wichtiges Thema ist, entspricht nicht meinem Naturell. Es ist schon so: Eine Entscheidung für eine Partei ist ja eine Frage, die auf einer Auffassung von Menschen, auf einem Menschenbild, auf politischen Grundannahmen beruht und die nicht auf ein Thema sich reduzieren lässt.
Zagatta: Nur wenn diese Euro-kritische Haltung, die Sie jetzt vertreten, im Bundestag eigentlich gar keine große Rolle mehr spielt, besteht jetzt zum Beispiel bei der Europawahl nicht die große Gefahr, solche Parteien wie die AfD dort zu stärken? Die haben doch dann relativ gute Aussichten.
Willsch: Das schreiben mir Leute, ja. Sie sagen, wenn es bei der Union nicht geht, dann müssen wir eben anders wählen.
Zagatta: Die Befürchtung haben Sie auch?
Willsch: Ja.
Zagatta: Herr Willsch, noch mal inhaltlich: Wie sehen Sie denn die Euro-Rettung jetzt? Als Außenminister Steinmeier gerade in Athen war, da wurden ja die Anstrengungen der Griechen ausdrücklich gelobt. Ist das jetzt alles auf so einem guten Weg?
Willsch: Na ja, das ist weit davon entfernt. Wenn Sie eine Woche zurückschauen, als Venizelos in Deutschland war, da hat er uns ja erklärt, im Interview in der Sonntags-„FAZ“, wie er so die Welt sieht. In der EU gibt es Geber und Nehmer, auch in der Währungsunion. Dass das in der EU als solche so ist, das wissen wir ja. Das halte ich auch für richtig, das ist so. Aber dass das auf die Währungsunion ausgedehnt wird, entgegen Bail-Out-Verbot, entgegen des Nichteinstandsverbots, des gegenseitigen Einstands, das zeigt schon, wo die Reise hingeht. Griechenland wird weiteres Geld brauchen. Man wird wahrscheinlich, damit es nicht so brutal aussieht, sagen, dann lasst uns halt Kreditlaufzeiten verlängern und Zinsen noch mal senken. Aber wenn Sie Kreditlaufzeiten auf 50 oder 500 Jahre verlängern, dann ist das ja nichts anderes als ein weiterer Schuldenschnitt.
Zagatta: Ist es da eine gute Sache, dass die Griechen im Moment die EU-Präsidentschaft innehaben, oder eher eine schlechte?
Willsch: Ich hatte letztes Jahr im Spätsommer, glaube ich, war es, oder im Herbst davor gewarnt. Ich habe gesagt, lasst das lieber sein, denn natürlich wird eine solche Position auch die Verlockung in sich bergen, daraus dann für das nationale Thema für das schuldengeplagte Land Kapital zu schlagen, und da fühle ich mich nicht ganz widerlegt durch das, was öffentlich stattfindet.
Zagatta: Wie lange werden wir jetzt Ruhe haben? Aus der öffentlichen Wahrnehmung ist die Euro-Krise ja etwas verschwunden. Kommt das nach der Europawahl wieder, oder wann rechnen Sie damit, oder lässt sich das Thema doch beherrschen?
Willsch: Das kommt darauf an, wie stark wir bereit sind, auch die eigenen Interessen dort zu vertreten. Wenn Sie sich anschauen, dass wir, wo wir jetzt keinen unmittelbaren Einfluss haben, bei der EZB eine Politik erleben, die die Märkte flutet mit Geld, mit einem viel zu niedrigen Zinssatz, und damit schleichend die Sparer entreichert, ihnen Geld abnimmt, wenn Sie sich anschauen, dass nach wie vor die Ziele, die gesetzt werden, in den verschiedenen Krisenländern mit Blick auf Konsolidierungsanstrengungen nicht erreicht werden, sondern unterschritten werden, dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis die nächsten Schwierigkeiten auftauchen. Man kann dann so oder so darauf reagieren, aber unterm Strich bleibt wahr: Der Staat kann, wenn er mehr ausgibt als er hat, das immer nur auf drei Weisen machen. Er muss entweder Steuern erhöhen, oder er muss die Ausgaben senken, das heißt Sozialleistungen kürzen, Renten kürzen oder Ähnliches, oder er muss versuchen, die Schulden zu entwerten, indem er einen realen Vermögensverzehr zulässt durch die Schere zwischen Verzinsung und Inflation.
Zagatta: Der CDU-Bundestagsabgeordnete Klaus-Peter Willsch, der künftig nicht mehr dem Haushaltsausschuss angehört. Herr Willsch, ich bedanke mich, dass Sie sich die Zeit genommen haben, und ich denke, bei uns kommen Sie das eine oder andere Mal schon noch zu Wort.
Willsch: Ja danke, Herr Zagatta!
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