Samstag, 18. Mai 2024

Von Sparrunde bis Vertagung
Haushaltsberatungen der Ampel-Koalition - welche Szenarien einer Einigung sind denkbar?

Auf höchster Ebene ringt die Ampel-Koalition um den Haushalt für das kommende Jahr. Will sie den Etat für das kommende Jahr beschließen, muss in den nächsten Stunden eine Lösung her. Die rote Linie für FDP-Chef Lindner ist die Einhaltung der Schuldenbremse. Was sind also denkbare Szenarien? Ein Überblick.

11.12.2023
    Das Kanzleramt in Berlin
    Das Kanzleramt in Berlin (picture alliance /dpa /Lukas Schulze)
    Außenministerin Baerbock erklärte am Dienstag, Kanzler Scholz, Finanzminister Lindner und Wirtschaftsminister Habeck täten alles dafür, dass der Haushalt 2024 baldmöglichst beschlossen werden könne. Ob es bis zur Sitzung des Kabinetts an diesem Mittwoch Eckdaten geben wird, ließ sie aber offen.
    Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vor drei Wochen fehlen im Bundeshaushalt für das kommende Jahr laut Lindner rund 17 Milliarden Euro. Das höchste deutsche Gericht hatte die Umschichtung von 60 Milliarden Euro für nichtig erklärt. Das Geld war als Corona-Kredit bewilligt worden, sollte aber später für Investitionen in Klimaschutz und die Modernisierung der Wirtschaft genutzt werden. Außerdem entschieden die Richter, dass sich der Bund in Notlagen bewilligte Kredite nicht für spätere Jahre zurücklegen darf.

    Einigung auf Sparkurs

    FDP-Chef Lindner möchte das Geld durch einen strikten Sparkurs zusammenbekommen. Er nennt drei Kostenblöcke: Soziales unter anderem mit dem Bürgergeld, internationale Finanzhilfen sowie nicht näher spezifizierte Förderprogramme. Die geplante Bürgergeld-Erhöhung müsse angesichts der Inflationsentwicklung überdacht werden, meint die FDP. SPD und Grüne stemmen sich dagegen. "Die Kosten für Lebensmittel, Energie, Schulmaterial, für den täglichen Bedarf sind in den letzten Jahren deutlich gestiegen", sagte Grünen-Chefin Lang der Deutschen Presse-Agentur. Daher sei die Erhöhung nach wie vor richtig.
    Die Grünen dagegen möchten bei klimaschädlichen Subventionen sparen. Das Umweltbundesamt plädierte im "Handelsblatt" für Einschränkungen beim sogenannte Dieselprivileg und der Pendlerpauschale sowie für die Abschaffung des Dienstwagenprivilegs, das aus Sicht von Kritikern den Verkauf großer Verbrennerautos fördert und oberen Einkommensgruppen zugutekommt. Ob die FDP hier mitzieht, ist fraglich.
    Dass sich die Ampel-Regierung auf genügend kleinteilige Spar-Projekte einigt, um die fehlenden Milliarden aufzutreiben, erscheint unwahrscheinlich. Genauso der Verzicht auf große Prestigeprojekte.

    Einigung auf neue Notlagenkredite

    SPD und Grüne plädieren dafür, auch im kommenden Jahr die Schuldenbremse auszusetzen und mehr Kredite aufzunehmen. Dafür müsste der Bundestag eine Notlage erklären. Eine Begründung dafür könnte der Ukraine-Krieg sein - so dass man zumindest direkte Unterstützungsleistungen vor die Schuldenbremse ziehen könnte. Lindner ist davon bisher nicht überzeugt, auch weil befürchtet, dass die Bundesregierung damit erneut vor Gericht landet. Eine Klage der Union wäre sehr wahrscheinlich.
    Denn auch Experten halten eine erneute Aussetzung der Schuldenbremse zumindest für riskant. Der Rechtswissenschaftler Hanno Kube sagte in einer Anhörung des Haushaltsausschusses, die Anforderungen an einen Notlagenbeschluss stiegen, je länger die Lage bestehe. Denn auf länger andauernde Situationen könne sich ein Haushaltsgesetzgeber einstellen. Mit der Zeit werde die Finanzierung dann zu einer regulären Staatsaufgabe.
    Fazit: Dass die FDP einer Aussetzung der Schuldenbremse - ohne Sparrunde - zustimmt, ist unwahrscheinlich.

    Mischlösung mit Eingeständnissen auf allen Seiten

    Die aktuell wahrscheinlichste Variante ist eine Mischlösung, bei der jeder Koalitionspartner Eingeständnisse macht. So könnten nur die direkten Unterstützungsleistungen für die Ukraine mit einem Notlagenbeschluss vor die Schuldenbremse gezogen werden.
    Nach einem Bericht des Magazins "Spiegel" hatte das Finanzministerium in den vergangenen Tagen zudem eine Reihe von Einnahmenverbesserungen durchrechnen lassen. Auf dem Prüfstand stehen demnach beispielsweise sämtliche Steuervergünstigungen, die im Subventionsbericht des Bundes aufgeführt sind. Dazu zählen etliche Ermäßigungen bei der Mehrwertsteuer, aber auch die steuerliche Forschungsförderung oder die Pauschalbesteuerung von Betreibern in der Handelsschifffahrt. Somit könnte die FDP Vergünstigungen streichen anstatt flächendeckend Steuersätze zu erhöhen, heißt es in dem Bericht.

    Verschiebung auf 2024

    Am liebsten würde die Ampel-Koalition den Haushalt noch vor Jahresende unter Dach und Fach bringen. Das Kabinett müsste dann am Mittwoch in der regulären Sitzung oder später im sogenannten Umlaufverfahren zustimmen. Dann ginge alles in den Haushaltsausschuss. Der braucht mehrere Tage Zeit, sich mit den Unterlagen zu beschäftigen, so dass er seine Bereinigungssitzung erst in der kommenden Woche abschließen würde. Der Bundestag könnte dann in der Woche vor Weihnachten zu einer Sonder-Haushaltswoche zusammenkommen und abschließend beschließen. Grünes Licht im Bundesrat könnte es dann etwa am 22. Dezember geben.
    Ebenfalls gehandelt wird, dass man sich vor Weihnachten noch politisch einigt - dann aber erst im Januar im Bundestag abstimmt. Es wäre auch möglich, dass sich die Regierung in diesem Jahr nicht mehr einigt wird. Dann würde Anfang Januar zunächst eine vorläufige Haushaltsführung gelten, nur notwendige Ausgaben wären erlaubt. Doch das würde den Druck auf die Regierungsparteien nur noch weiter erhöhen.
    Diese Nachricht wurde am 05.12.2023 im Programm Deutschlandfunk gesendet.