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Hausverbot für Snipers

''Hab ich bei Ebay geschossen'' ist mittlerweile ein Standard-Spruch: Getreu der neuen Parole ''Geiz ist geil'' gehört es zum guten Ton aufgestachelter Konsumenten, bei Online-Auktionen kräftig mitzubieten. Echte Power-Kunden verlieren allerdings schnell den Überblick - das Mitbieten und Beobachten, das Reizen und Stillhalten - das alles kostet Zeit. Deshalb werden kleine Programme immer beliebter, die das Bieten übernehmen, die so genannten Auktions-Agenten. Bezeichnenderweise heißen diese Programme in der Szene Snipers, also Heckenschützen. Gegen solche Snipers geht das Auktionshaus nun mit Einstweiligen Verfügungen vor.

    Von Max Schönherr

    Was ich wollte, war einfach ein Programm, das für mich ein Gebot abgibt, damit ich nicht am Rechner sitzen muss. Und es war überhaupt nie die Rede davon, dass es irgendwie illegal oder auch nur eine Grauzone sein könnte. Es war alles ganz normal, ganz erlaubt und es gab halt auch eben ganz viele davon.

    ... von den automatischen Biet-Programmen, die sich bei den Online-Auktionen von eBay, Hood oder anderen einklinken. Joachim Schlesmann ist der Programmierer eines der am weitest verbreiteten deutschen Softwaren dieser Art: Biet-o-matic. Die anderen haben ähnlich lustige Namen, Zuschlag! etwa, oder Wegschnapp. Allen hat eBay Deutschland in den letzten Monaten Unterlassungserklärungen bzw. einstweilige Verfügungen geschickt. Was tun diese Progrämmchen Böses, dass der Riese statt cool mit den Schultern zu zucken, die Gerichte ruft? Nun, sie verstoßen gegen den Paragraphen 8, Absatz 5 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay Deutschland, Österreich, Schweiz. Dieser Absatz ist neu, zielt direkt auf Programme wie Biet-o-matic und lautet so:

    Die Abgabe von Geboten mittels automatisierter Datenverarbeitungsprozesse ist ausgeschlossen.

    Nun unterhält Ebay selbst einen Biet-Agenten, also einen "automatisierten Datenverarbeitungsprozess zur Abgabe von Geboten", und versteckt ihn nicht einmal. Auf jeder Artikelseite ist zu lesen:

    Nutzen Sie die Möglichkeit zu Agentengeboten. eBay bietet dabei in Ihrem Namen automatisch immer gerade so viel, dass Sie Höchstbietender bleiben, und zwar bis Ihr für die anderen Nutzer verdecktes Höchstgebot erreicht ist.

    ... ein automatisierter Datenverarbeitungsprozess also, der viele Mitsteigerer verunsichert, weil er nicht mit offenen Karten spielt, und dessen Einsatz die Ebay-eigenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen eigentlich untersagen. Die externen Bietagenten wie Biet-o-Matic arbeiten ganz ähnlich, nur dass sie ihre Gebote erst wenige Sekunden vor Ablauf der Auktion abgeben. Weil das für andere Interessenten oft überraschend kommt, werden diese Programme auch Sniper genannt - Heckenschützen. Wir baten eBay Deutschland, diesen Widerspruch aufzuklären, erhielten jedoch nur ein ausweichendes Schreiben des Pressesprechers Joachim Güntert. Statt auf die selbst gesetzten AGBs einzugehen, macht Güntert einen Nebenschauplatz auf:

    Wir sehen in dem Einsatz solcher Tools einen Widerspruch zu unserer Philosophie, nach der alle die gleichen Chancen beim Handeln auf dem eBay-Marktplatz haben sollen. Eine solche Chancengleichheit und damit die Sicherstellung eines fairen Bietprozesses wäre durch die Nutzung von Sniper-Tools nicht mehr gewährleistet.

    Mit anderen Worten: Gegen externe Bietagenten wäre nichts einzuwenden, wenn jeder sie einsetzen könnte. Diese Argumentation steht nicht nur deswegen auf tönernen Füßen, weil viele Sniper nicht einen Cent kosten, sondern weil von einer Chancengleichheit beim Steigern noch nie die Rede sein konnte. Leute mit schnellen Internetverbindungen etwa sind bei jeder Versteigerung deutlich im Vorteil. Joachim Schlesmann wittert hinter dem Vorgehen von eBay gegen die Sniper-Tools kommerzielle Beweggründe:

    Ich denke, dass eBay plant, einen solchen kleinen Bietagenten, natürlich gegen eine kleine Gebühr, selbst zu vertreiben.

    Auch dazu keine Stellungnahme der deutschen Zentrale in Berlin. Dem amerikanischen Mutterhaus ist die Sache egal; dort gehören Sniper zum Alltag, schon einfach deswegen, weil sie Auktionen übersichtlicher verwalten als es die Webseiten von eBay selbst tun. eBay Deutschland kocht mit den Unterlassungserklärungen ein eigenes, sehr lokales Süppchen. Bei den Gründen gegen Sniper war auch zu hören, dass sie für schlechte Stimmung sorgen, also das Kauferlebnis schmälern, weil der Bietagent sowieso schneller ist und also immer den Zuschlag bekommt. Unsere Tests zeigten, dass dem durchaus nicht so ist und selbst ein auf vier Sekunden vor Schluss getimetes automatisches Gebot durch ein manuelles Gebot 2 Sekunden später noch ausgestochen werden konnte. Selbst Sniper-Programmierer Joachim Schlesmann delegiert lange nicht alles an seinen Bietomaten:

    Wenn es interessante Sachen sind, wo ich wirklich dran hänge, wo ich's gerne haben möchte, Sammlerstücke, dann setze ich mich manuell davor, gucke mir den Gebotsverlauf an, gucke an, wer mitbietet, und fiebere dann halt auch mit.

    Im Moment fiebert er einer anderen Sache entgegen. Joachim Schlesmann hat gegen die einstweilige Verfügung Widerspruch eingelegt. Und am 5. Februar findet am Landesgericht Hamburg die Verhandlung darüber statt.