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Hautpflaster für die Gentherapie

Medizin. - Die Gentherapie hat nach vielen Vorschusslorbeeren nur wenige Erfolge und einige schwere Rückschläge vorzuweisen. Das Hauptproblem ist nach wie vor nicht gelöst: Wie lassen sich künstliche Gene über längere Zeit aktiv halten?

Von Volkart Wildermuth | 12.01.2010
    Die meisten Gentherapieversuche arbeiten mit Blutzellen, sie bringen die künstlichen Gene also mitten in den Körper. Jonathan Vogel vom amerikanischen National Cancer Institute in Bethesda geht einen anderen Weg: der Dermatologe arbeitet von der Oberfläche her, mit genmanipulierter Haut.

    "Haut hat eine Reihe von Vorteilen: Es ist sehr einfach, Hautzellen von Patienten zu bekommen. Wir können sie mit fremden Genen versehen und dann im Labor künstliche Haut herstellen. Außerdem kann man die Haut sehen, das ist gut für die Sicherheit. Wenn etwas schiefgeht, entfernt man einfach das Hauttransplantat."

    Soweit die Theorie. Seine Gentherapie durch die Haut hat Jonathan Vogel jetzt an Mäusen erprobt. Ausgangspunkt waren menschliche Hautzellen, die ein zusätzliches ANP-Gen erhielten. Dieses Gen ist an der Regulation des Blutdrucks beteiligt. Aus den genmanipulierten Zellen züchtete er im Bioreaktor kleine künstliche Hautstücke, die dann den Mäusen transplantiert wurden.

    "Im Kern haben wir den ANP-Spiegel im Blut der Mäuse angehoben. Sie hatten nicht nur ihr Mäuse-ANP, sondern zusätzlich noch menschliches ANP. Dadurch sank ihr Blutdruck. Mehr noch: Als wir ihnen sehr salziges Futter gaben, verhinderte diese Gentherapie den eigentlich zu erwartenden Anstieg des Blutdrucks."

    Die Haut-Gentherapie hatte also den gewünschten Effekt. Allerdings sanken die ANP-Spiegel im Lauf der Monate langsam ab. Denn die Haut regeneriert sich ständig. Nach und nach gehen dabei auch Zellen mit dem zusätzlichen Gen verloren. Die nachlassende Wirkung ist eines der Hauptprobleme der Gentherapie allgemein. Genmanipulierte Haut ist aber zugänglich, und das machte sich Jonathan Vogel zunutze. Er koppelte das ANP-Gen an ein anderes Gen, das das Gift Colchicin unschädlich macht. Dieser Wirkstoff aus der Herbstzeitlosen blockiert die Zellteilung. Als der Effekt der Gentherapie nachzulassen begann, bestrich der Forscher das Hauttransplantat der Mäuse mit einer Colchicin-Creme. So konnten nur noch die genmanipulierten Zellen zur Regeneration der Haut beitragen.

    Nach und nach stieg die Aktivität des künstlichen ANP-Gens deshalb wieder an. Diese Möglichkeit, die Wirksamkeit der Gentherapie nach einiger Zeit wieder herzustellen, ist sicher der besondere Vorteil dieser neuen Methode. Reif für den Einsatz bei menschlichen Patienten ist sie aber noch nicht.

    "Es gibt eine Reihe praktischer Probleme: Niemand will mit einem großen Fleck künstlicher Haut herumlaufen",

    so Jonathan Vogel. Derzeit müsste er einem Menschen die ganze Wade mit künstlicher Haut transplantieren, um einen Effekt zu erzielen. Sein nächstes Ziel ist deshalb, die Aktivität der heilenden Gene deutlich zu steigern. Dafür gibt es eine Reihe bewährter Strategien. Wann ein Einsatz bei Patienten sinnvoll sein könnte, wagt Jonathan Vogel aber nicht vorherzusagen. Er sieht durchaus Potential für die Gentherapie über die Haut, vor allem, um bei bestimmten Erbkrankheiten die fehlenden Eiweiße nachzuliefern. Der Bluthochdruck der Mäuse dagegen war nur ein Modellsystem. Auch in Zukunft wird sich ein hoher Blutdruck leichter mit Medikamenten als mit High-Tech-Hauttransplantaten behandeln lassen.