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Hauttransplantationen
Schneller Anschluss

Transplantationsmedizin. - Hauttransplantate wachsen häufig schlecht an. Forscher am Universitäts-Kinderspital Zürich arbeiten deshalb an künstlicher Haut, die dieses Problem lösen könnte. Ihre Ergebnisse haben sie jetzt im Fachblatt "Science Translational Medicine" veröffentlicht.

Von Magdalena Schmude | 30.01.2014
    Am Anfang, erzählt Ernst Reichmann, kam ihm der Zufall zu Hilfe. In den Vorhautschnipseln, aus denen der Zellbiologe und sein Team am Kinderspital der Universität Zürich Zellmaterial isolierten, fanden die Forscher auch jene Vorläuferzellen, aus denen sich Lymphgefäße entwickeln. Das Lymphsystem ist das zelluläre Abwassersystem des Körpers; es pumpt überschüssige Flüssigkeit aus dem Gewebe. Diese Abwasserleitungen sind auch für den Erfolg von Haut-Transplantationen wichtig...
    "...um sogenannte Serome zu vermeiden, das heißt um zu vermeiden, dass sich Flüssigkeit unter dem Transplantat anstaut und so eine Blase bildet, dadurch geht das Transplantat einfach nicht an, weil es eben einen Abstand gibt zwischen dem Untergrund und dem Transplantat."
    Bei klassischen Hauttransplantationen, zum Beispiel nach schweren Verbrennungen, übertragen die Ärzte dünne Schichten der Oberhaut von anderen Köperteilen auf die Wunde. Alternativ gibt es außerdem künstliche Haut, die aus Ober- und Unterhaut besteht und derzeit an Patienten getestet wird. Bei beiden Methoden fehlen dem Transplantat aber die Abwasserleitungen und die Blutgefäße zur Versorgung mit Sauerstoff oder Nährstoffen. Erst nach einiger Zeit gelingt es dem Körper, die neue Haut an die bestehenden Leitungsbahnen anzuschließen. Bis dahin wird das Gewebe noch nicht optimal versorgt. Dadurch wächst es häufig nur langsam an oder vernarbt. Die Schweizer Experten für Gewebezucht arbeiten deshalb schon länger an künstlichen Hautstücken, die auch die nötigen Leitungen enthalten. Jetzt gelang Reichmann und seinen Kollegen dabei ein Durchbruch.
    "Wir haben zum ersten Mal weltweit überhaupt Lymphkapillaren oder ein Netz von Lymphkapillaren in die Unterhaut eingebaut. Wir konnten das so gut, weil wir recht gut in der Lage sind, routinemäßig Blutkapillaren in die Haut einzubauen."
    Die Ersatzhaut züchteten die Forscher in speziellen Nährgelen, die den Vorläuferzellen gute Wachstumsbedingungen bieten und die Entwicklung der Lymphgefäße fördern. Durch die Dicke des Gels können die Leitungsbahnen in die Tiefe wachsen und ein Netz bilden.
    Reichmann: "Das muss man sich vorstellen wie eine sehr feste Gelatine. Das ganze hat eine Dicke von etwa einem Millimeter. In diesem Hydrogel haben wir Bindegewebszellen, Fibroblasten, aber auch die Gefäßzellen. Und auf diese Hydrogele säen wir sogenannte Keratinozyten."
    Das sind die Zellen, die die oberste Hautschicht bilden. In den Nährgelen wuchsen kleine Hautstücke, die, wie die menschliche Haut, aus mehreren Schichten bestehen und nach drei Wochen sowohl Blutgefäße als auch erste Lymphbahnen enthielten. Etwa einen Quadratzentimeter dieser "Vollhaut" wie Reichmann sie nennt, übertrugen die Forscher anschließend auf Ratten, um zu untersuchen, ob die künstlichen Leitungen das Gewebe effektiv entwässern. Dazu injizierten die Wissenschaftler einen flüssigen Farbstoff in die transplantierte Haut und maßen nach einer Weile, wie viel der Flüssigkeit noch nicht abgepumpt war.
    "Und es war dann eben sehr leicht zu erkennen, dass der Farbstoff abtransportiert wurde. Das heißt, dass im Substitut mit Lymphgefäßen nach einer halben Stunde sehr, sehr viel weniger Farbstoff zurückzugewinnen war. "
    Ernst Reichmann hält es für möglich, schon bald die ersten menschlichen Patienten mit eigener Ersatzhaut samt Abwassersystem zu behandeln. Das Wissen und die Technik dafür seien vorhanden. Auf die nötigen Genehmigungen warten die Forscher bisher.