Archiv


Havarie im Windpark

Technik. – Offshore, dahin drängt es die europäische Windkraftindustrie. Denn nur noch weit draußen vor der Küste scheint das Erzeugen alternativer Energie mit Windmühlen ohne Proteste und Einsprüche möglich zu sein. Doch in der dichtbefahrenen Nordsee steigt damit die Gefahr, dass ein Schiff auf ein Windrad prallt. Um dieses Risiko so gering wie möglich zu halten, entwickeln Ingenieure europaweit Sicherheitskonzepte.

    Im kommenden Jahr werden auch im deutschen Teil der Nordsee die ersten Offshore-Windparks gebaut, derzeit sind sieben dieser Anlagen genehmigt. Dänemark und die Niederlande sind da bereits weiter, in deren Gewässern stehen schon die ersten Windmühlen. Allerdings zählen die Küstengebiete aller drei Staaten zu den am dichtesten befahrenen Gewässern der Welt. Kein Wunder, dass sich Experten Sorgen um das Miteinander von Schifffahrt und Windparks machen. Ulrich Kremser vom Umweltbundesamt: "Bei einer Kollision entsteht meistens ein Leck, aus dem dann Öl, Treibstoffe oder Chemikalien ausfließen und hinzu kommt noch die Gefahr, dass so eine Windkraftanlage, die ja bei den neuen Anlagen über 500 Tonnen wiegen kann aus 100 Metern Höhe herunterfällt."

    In der deutschen so genannten ausschließlichen Wirtschaftszone, einem mehr oder weniger dreieckigen Seegebiet zwischen Borkum und Sylt, das weit über Helgoland hinausreicht, müssen die Windparks daher einen Sicherheitsabstand von mindestens zwei Seemeilen zu den Schifffahrtsrouten einhalten und außerdem mit dem so genannten Automatischen Identifikationssystem (AIS) ausgerüstet sein. Das AIS sendet per Funk Daten über den Namen des Schiffs oder des Windparks, die Position und das Rufzeichen an alle AIS-Empfänger in der Umgebung. Die Schiffe übermitteln außerdem ihren Kurs und ihre Geschwindigkeit.

    Das AIS ist jedoch nur ein Element im Sicherheitskonzept. Im EU-Projekt SAFESHIP wird das Havarierisiko an Windparks untersucht. Henk den Boon von der niederländischen Firma E-Connection Project b.V. koordiniert das Projekt: "Unser Windpark Q7 in der Nordsee 25 km westlich von Ijmuiden liegt sehr nahe an einer wichtigen Schifffahrtsroute, auf der auch große Schiffe fahren. Wir haben einen AIS-Empfänger und dazu ein Programm entwickelt, das vor einem Schiff auf Kollisionskurs warnt." Sobald ein Schiff nur noch eine halbe Stunde vom Windpark entfernt ist, warnt das Programm die Betreiber des Windparks. Sie können dann auf ihrem AIS-Gerät sehen, um welches Schiff es sich handelt und den Kapitän alarmieren oder die Küstenwache anrufen. Durch dieses Frühwarnsystem konnten alle einhundert Schiffe, die im Jahr 2002 vor der niederländischen Küste manövrierunfähig geworden waren, sicher in den Hafen geschleppt werden.

    Beim Germanischen Lloyd in Hamburg geht man davon aus, dass der flächendeckende Einsatz von AIS das Risiko einer Kollision um über die Hälfte senkt. Allerdings heißt das bei 100.000 Schiffen, die die Deutsche Bucht pro Jahr durchfahren, dass die Offshore-Windparks ein Zusatzrisiko darstellen. Ulrich Kremser: "Man muss also immer damit rechnen, dass ein Unfall passieren kann, dessen Schwere man nicht vorhersagen kann." Daher müssen nach Ansicht des Umweltbundesamtes die entsprechenden Spezialschiffe in deutschen Häfen stationiert werden. Das Berliner Amt fordert zudem eine effiziente Koordination des Katastrophenschutzes zwischen Küstenanrainerstaaten und dem Bund. Überdies sollen, so die Auflage des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie, die Fundamente der Offshore-Windmühlen "kollisionsfreundlich" sein. Will sagen, bei einem Zusammenstoß soll eher die Windmühle in der See versinken als das Schiff.

    [Quelle: Monika Seynsche]