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Hawaii in Bottrop

Technik. - Wollen Wellenreiter optimale Bedingungen quasi garantiert vorfinden, müssen sie fast um die halbe Welt reisen, etwa nach Hawaii oder Neuseeland. Wem das Geld dafür fehlt, muss bald dennoch nicht mehr verzweifeln, denn eine neuseeländische Firma kann exquisite Wellen künstlich herstellen.

26.07.2005
    Die Wellen in der Manu-Bucht vor der kleinen neuseeländischen Küstenstadt Raglan gelten Surfern als das Feinste vom Feinen. Kein Wunder, dass sich an einem Ort, an dem sich Wellenreiter aus aller Welt tummeln, sich schnell auch Unternehmen rund um das nasse Element nieder ließen. Ein davon ist die Artificial Reef Ltd - zu deutsch quasi Kunstriff GmbH - berichtet ihr Direktor Shaw Mead, gleichzeitig Geowissenschaftler der Universität von Waikato:

    "Wir untersuchen seit zehn Jahren Riffe ebenso für Küstenschutz wie auch für Surfgelegenheiten. Bei der Vermessung der "Surfwellen" entdeckten wir dann, dass vor allem die Form des Seebodens eine wichtige Rolle spielt."

    In aller Welt gingen Mead und seine Mitarbeiter den "perfekten Wellen" auf den Grund und kamen zu dem Schluss, dass die Steigung hin zur Küste für die charakteristische Wellenform verantwortlich ist. Während hawaiianische Brecher einen steilen Hang hinaufrollen, türmen sich kalifornische Wellen über einem langen flachen Grund auf. Diese Entdeckung wollen die Wellenreiter von Artificial Reef in klingende Münze wandeln: nämlich indem sie in Becken von beachtlichen Ausmaßen Surfwellen nach Bedarf herstellen. So könnte der geneigte Freizeitsportler im Ruhrgebiet gleich nach einem Ski-Nachmittag auf der Kunstschneepiste in den Surfpark mit tropischem Klima und stets bereiten Wellen wechseln.

    "Das Standardbecken ist 70 Meter lang, mit 40 Meter breiten Wellenfronten, auf deren Wellengipfel man ja surft. Abhängig von der Form des Kunstriffs bekommt man auch auf 45 Metern Strecke sehr schnelle und hohle Wellen, die wir dann stark abbremsen und auslaufen lassen können."

    Dabei sorgen gewaltige hydraulische Stempel im Gummiboden der Becken dafür, dass alle Bedingungen exakt per Computer gesteuert werden können. Sie verändern das Bodenrelief und damit die Wellen, die darüber ziehen. Zwar ist das Surf-Riff für Landratten nicht so groß wie natürliche Strände, dafür kann es auf Befehl Wellen erzeugen, auf die Surfer in der Natur geduldig warten müssen:

    "Wir können einerseits erfahrenen Surfern schnell brechende, hohle Wellen liefern, andererseits Anfängern den Beckenboden so konfigurieren, dass langsame, weiche Wellen entstehen. Wellenmaschinen gibt es ja schon seit den sechziger Jahren, aber was dabei man außer acht gelassen hatte, war eben die Form des Poolbodens."

    Die Idee ist weit mehr als nur Träumerei: Die ersten drei solcher so genannten "Versa"-Reefs werden schon im nächsten Jahr in Florida in Betrieb gehen. Doch auch in Deutschland könnten bald Surfparadiese fernab der hierzulande eher zum Wandern oder Segeln einladenden Strände entstehen:

    "Es gibt Pläne für England und Interesse aus Portugal, Frankreich und Spanien, und Deutschland. Da kämen Berlin, Köln oder Hamburg in Frage."

    Wer dabei an mögliche Energieverschwendung denkt, könnte sich mit dem Gedanken trösten, dass ein Versa-Reef immer noch umweltfreundlicher ist als die versammelten Reisen der Surfer nach Kalifornien oder Neuseeland.

    [Quelle: Mathias Schulenburg]