"Händel - ein musikalisches Bilderbuch" ist der Titel einer Biografie, zu der Lene Mayer-Skumanz den Text geschrieben hat. Es ist als Bilderbuch für Kinder und deren Familien gedacht, auch für die, die vielleicht noch keinen Zugang zu Händel und seiner Musik haben. Dazu gibt es eine Begleit-CD mit Ausschnitten aus Händelwerken.
"Es ist ein erster Einstieg in das Thema. Und darum hab ich aus der Fülle von Themen, aus der Fülle eines reichen Lebens einer komplizierten Persönlichkeit habe ich eben verschiedene Zugänge gewählt: Begegnungen, Eindrücke, die er aus der Kindheit gehabt haben mag, als junger Mensch, wie er mit anderen Leuten, mit Frauen umgegangen sein mag."
Lene Mayer-Skumanz erzählt Händels Biografie nicht einfach nach. Sie springt, sie setzt Schwerpunkte. Geboren ist Händel in Halle, wo er auch auf Wunsch des Vaters Jura studiert. Er geht nach Hamburg an die Oper, schreibt und dirigiert Opern. Von 1706 bis 1710 lebt er in Italien, komponiert für verschiedene Fürsten und Kardinäle in Florenz, Rom und Venedig.
Im Herbst 1712 geht er nach London, wo er seine größten Erfolge feiert. Hier schreibt er die Wassermusik, weil König Georg während einer Themsefahrt Musik hören möchte. Er komponiert Opern wie Julius Cäsar, eine Geburtstagsode für die Königin, Krönungsmusik für dem König und sein berühmtestes Werk, den Messias.
Aber Helene Mayer-Skumanz will keine reine Musikgeschichte schreiben. Sie erzählt, wie gern Händel gegessen und getrunken hat. Einmal habe er für vier Personen bestellt und den Kellner dann ungeduldig gefragt, wo denn das Essen bliebe. Er habe noch auf die anderen Gäste warten wollen, erklärt dieser.
"Die Gesellschaft bin ich!"
Diese kleine Episode hat der Grafiker Winfried Opgenoorth wunderbar umgesetzt. Da sieht man dann vier Händels am Tisch sitzen.
Lene Mayer-Skumanz schildert das Leben der Operndiven, die schwindelerregende Gagen bekamen und die einander spinnefeind waren. Auf offener Bühne geraten sie sich in wahrsten Sinne des Wortes in die Haare - und reißen sich gegenseitig die Perücken vom Kopf.
"Das war für mich sehr interessant, denn heutige Popstars haben ja auch gewaltige Gagen, nehme ich an. Und das Startum der damaligen Zeit kann man sich gut vorstellen, wenn man sich heutige Starkulte anguckt."
Auch Händel ist in seiner Jugend ein Heißsporn gewesen. Er gerät mit einem Freund in Streit darüber, wer von beiden am Cembalo spielen darf. Drei Zeichnungen sind zu sehen: Wie der Freund Händel vom Klavierschemel stoßen will, wie sie zu raufen anfangen, wie sie schließlich mit Degen kämpfen und der Freund zusticht - und Händels Mantelknopf trifft.
"Ja, da gibt es halt diese Legende, dass der Knopf ihn gerettet hat. Lustig finde ich schon, dass die beiden sich da streiten, wer am Instrument spielen darf. Ja, das hat mir schon Spaß gemacht, das wie einen Comic ablaufen zu lassen. Weil das ja schon eine komische Situation ist","
…erklärt der Grafiker Winfried Opgenoorth. Er hat die lebendigen Szenen, die Lene Mayer-Skumanz so temperamentvoll erzählt, sehr plastisch umgesetzt.
Er zeichnet mit einer spitzen Zeichenfeder. Mit vielen feinen Tuschestrichen schraffiert er die Schattierungen, dann koloriert er mit Aquarellfarben. Diese Mischform von Zeichnung und Aquarell ist sehr fein, jeder Faltenwurf, jede Ritze im Gemäuer ist genau zu erkennen.
Opgenoorth verwendet zarte Blau- und Rottöne, nur beim Karneval in Venedig geht es bunter zu. Zum einen sind die Zeichnungen sehr realistisch. Opgenoorth hat genau recherchiert, wie die Städte, die er zeichnet, damals ausgesehen haben, hat alte Bücher und Stiche angeschaut. Freiheit nimmt er sich bei den Perspektiven heraus. Da interpretiert er Lene Mayer-Skumanz Text.
Auf dem ersten Bild ist ein kleiner Junge zu sehen, der am Klavichord sitzt - und zwar überlebensgroß auf dem Dach eines Hauses. Davor steht ein Mann, größer als das Haus und hebt drohend den Arm.
""Wie Grillenmusik schwingt es durchs Haus. Der Junge ist von seinem Klavichord nicht wegzukriegen. Händel seufzt. Er macht sich Sorgen um seinen Georg Friedrich. Er wird doch nicht Musiker werden statt Jurist?"
Wenig später sitzt der kleine Junge am Flügel. Flügel und Kind werden vom Fürsten auf einem runden Brett in der Hand gehalten. Kniehoch nur ist Händels Vater, wie er bittend vor dem Fürsten steht.
"Das ist der junge Händel und ganz klein sieht man den Vater davor. Da ist es der Fürst, der ihn für sich gewinnen soll; will in quasi wie auf einem Tablett vorführen. Und der Vater sagt: 'Nein das soll mein Sohn nicht.' Aber dann lässt er ihm Unterricht geben. Und so nimmt es seinen Lauf."
Schon einmal hat Winfried Opgenoorth durch seine detailgetreuen Zeichnungen das 18. Jahrhundert heraufbeschworen, in einem musikalischen Bilderbuch über Joseph Haydn, dem anderen großen Musiker, an den dieser Tage erinnert wird. Haydn ist am 31. Mai 1809 gestorben.
Lene Mayer-Skumanz geht auch auf die Zeitgeschichte ein.
"Natürlich habe ich auch den Hintergrund der Zeit. Das ist für mich immer ganz wichtig. Was konnte meine Hauptfigur verstehen, was konnte er übersehen. Hat er gewusst, wenn er Aktien gekauft hat, dass die auch mit dem Leid von vielen Menschen zu tun hatten. England hat damals geboomt. Es hat am Sklavenhandel mitverdient. Es hat englische Fabrikanten gegeben, die allein durch Ketten und Eisen ihr Geld verdient haben."
Auch Händels Kompositionen hängen eng mit Politik zusammen, mit Krieg und Frieden. Als mit dem Frieden von Aachen der Österreichische Erbfolgekrieg beendet wird, komponiert Händel die Musik für die Friedensfeier im Green Park: mit Pauken und Trompeten - und mit einem Riesenfeuerwerk. Lene Mayer-Skumanz betont Händels großes Herz.
1742 wird in Dublin der Messias uraufgeführt. Man bittet die Damen, nicht in Reifröcken zu erscheinen, damit viele Menschen in der Konzerthalle Platz finden. Denn mit den Einnahmen sollen Armenkrankenhäuser unterstützt werden und Menschen, die im Gefängnis sitzen, weil sie Schulden haben.
Auch in London wird der Messias aufgeführt. Zu Gunsten eines Findlingshauses. Zeit seines Lebens unterstützt Händel junge Musiker. Er gründet einen Fond zur Unterstützung armer Musiker. 1751 beginnt er zu erblinden, eine Operation bleibt erfolglos. Händel stirbt am 14. April 1759 in London und wird in der Westminster Abbey beigesetzt.
Eine Musikgeschichte besonderer Art haben Monika und Hans-Günther Heumann geschrieben. Sie wollten kein knochentrockenes Lexikon schreiben, sondern betten die Musikgeschichte in eine originelle Rahmenhandlung ein.
Die beiden Kinder Frederik und Clara finden auf dem Dachboden ihres Großvaters einen besonderen Apparat, den sie für Musiktruhe mit Schallplatten halten. Der Großvater klärt sie auf: Es sei eine Zeitmaschine, mit der er des Öfteren die Vergangenheit bereist habe. Und schon erzählt er von seiner Reise in die Frühzeit der Musik.
Auf Tierhörnern und Muscheln bliesen die Steinzeitmenschen, sie schrappten über Knochen und bespannten Trommeln mit Fell.
Sämtliche Hochkulturen hatte der Großvater bereist, hatte Klangstäben aus Mesopotamien gelauscht und Lauten aus Ägypten. Er erzählt, dass die Chinesen der Musik eine enorme Bedeutung zuschrieben haben - und es sogar ein Musikministerium gegeben hat. Er hörte dem Klang der indischen Zimbel zu und der Lyra der Griechen. Er erschrak, als er zum ersten Mal ein römisches Metallhorn hörte.
Gemeinsam mit seiner Frau steht er vor einer hohen Stadtmauer, als die Zeitmaschine ihn ins Mittelalter bringt. Der Wächter lässt sie ein. Der
Clara läuft ein kalter Schauer über den Rücken, als die Großmutter vom finsteren Mittelalter erzählt, in dem es neben Leiern, Fideln und noch ganz anderen "Instrumente" gab.
"'Mir wurde schon ein wenig mulmig zu Mute. Besonders als ich eine Frau erblickte, die eine Halsgeige trug.' - 'Eine Musikerin?', fragte Frederik. 'Nein, mein Junge', sagte die Großmutter. Die 'Halsgeige ist ein mittelalterliches Foltergerät in Form einer Geige. In einem großen Loch steckte der Hals, in zwei kleineren davor die Handgelenke der Frau. Derartige Halsgeigen bekamen zänkische Frauen als Strafe umgelegt. Und alle Leute durften sich über sie lustig machen. Es gab auch Schandflöten, die schlechten Musikern umgebunden wurden.'"
Dann dürfen die Kinder mit. Sie wünschen sich, Mozart kennenzulernen und bringen ihm einen Müsliriegel mit. Sie erleben turbulente Szenen bei der Uraufführung von Mozarts Zauberflöte mit.
"Papageno spielt auf der Bühne sein Glockenspiel nicht selbst, er tut nur so. Mozart ist der Spieler und versucht Papageno durcheinander zu bringen, in dem er an einer völlig unpassenden Stelle die Glöckchen anschlägt. [Der Darsteller des Papageno] aber ist ein gerissener Schauspieler. Er schlägt mit der Hand auf das Glockenspiel und gebietet ihm: 'Halt's Maul!'"
Zuerst wird die Reise in die ein oder andere Zeit erzählt, ganz plastisch und spannend, dann wird auf einigen Seiten das Wichtigste über Musik und Instrumente zusammengefasst. Wenn etwa die Romantik behandelt wird, werden Verdis bekannteste Opern vorgestellt oder Chopins Kompositionen, kleine Anekdoten aus dem Leben der Musiker erzählt.
Ganz am Ende eines jedes Kapitels gibt es ein kleines Quiz. So wird im Musikquiz des 20. Jahrhunderts gefragt, wer "Peter und der Wolf" komponiert habe, welche Tonleiter bei der 12-Tonmusik verwendet werde, welches Instrument in der Rockmusik eine wichtige Rolle spiele.
Die Musikgeschichte für Kinder können die jungen Leser also dreifach nutzen: als spannendes Geschichtenbuch, in dem sich alle Geschichten um Musik drehen, als Nachschlagewerk, wenn man etwa wissen will, wann welches Instrument besonders beliebt war, und als Quizbuch.
Drucke und Gemälde der Musiker sind zu sehen, Orchester und berühmte Gebäude, wie etwa die Mailänder Scala. Andreas Schürmann hat witzige Zeichnungen dazu gemacht: eine fidelnde Großmutter im höfischen Kleid, einen Großvater, der sich einen kostbaren Fächer vor das Gesicht hält, eine Schiesserei in den Strassen von New York. Sein Mozart wirkt nicht ernst und hingegeben wie auf dem bekannten zeitgenössischen Porträt. Sein Mozart hat den Schalk in den Augen.
Die niederländische Autorin Mireille Geus hat zusammen mit der elfjährigen Schülerin Laura Meslund einen zauberhaften kleinen Roman geschrieben, von der geradezu märchenhaften Macht der Musik: "Talent gesucht".
Justines schwärmt für Curlygirl. Sie ahmt sie nach. Der Springseilgriff ist ihr Mikrofon. Curlygirl singt laut und sauber, Justine laut und falsch.
Justines Mutter ist Sopranistin und Gesangspädagogin von internationalem Ruf. Sie seufzt, weil der Tochter ihr Talent fehlt. Sie ist viel beschäftigt, deshalb sehr oft unterwegs. Dann geht Justine zu ihrer Oma, einer alten Dame aus einer anderen Welt. Da riecht es nach Bohnerwachs, alten Möbeln, staubigen Bildern, lange nicht gewaschenen Häkeldeckchen und dicker, fetter Fleischsoße.
In der Schule spielt sich ein anderes Leben ab. Da kommen drei Talentsucher in Justine Klasse, eine Frau mit Piercings an Augenbraue und Oberlippe, deren Jeans so tief über der Hüfte hängt, dass man ihren String sieht; ein Mann in Trainingshose mit Goldzahn; einer in Baggys, aus denen die weiße Boxershorts hervorlugt. Sie verteilen Instrumente an die Kinder, geben ihnen sechs Wochen zum Üben und wollen dann hören, wer während dieser Zeit am meisten gelernt hat.
Justine bekommt ein Altsaxophon. Wenn sie spielt, klingt es wie das Meckern einer Ziege. Eines Tages schenkt die Oma Justine eine alte Teekanne. Eine besondere Teekanne. Justine hat sie schon einmal heimlich in den Händen gehalten:
"[Justine] nahm den Deckel ab und erschrak. Es war nicht der noch stärkere Duft, damit hatte sie gerechnet. Was sie erschreckte war der Qualm, richtig sichtbarer Qualm, der sich aus der Kanne emporringelte. Auf einmal hörte sie etwas sehr merkwürdiges, es klang fast wie Musik. Geigenmusik, einfach so, mitten in der Nacht. Wunderbare Geigenmusik, die aus der Teekanne kam."
Die Teekanne ist das Abschiedsgeschenk der Großmutter. Wenige Tage später stirbt sie. Fortan wird die Geigenmusik Justine begleiten. Und sie wird stärker sein als Curlys Gesänge und intensiver als das Spiel auf dem Altsaxophon. Und so talentlos, wie die Mutter glaubte, ist Justine dann doch nicht.
Mireille Geus schildert wie klassische Musik auch das Herz eines jungen Mädchens erreichen kann, das doch sonst so ganz andere Musik hört, wie die Geigenklänge sie hineintragen in eine andere Welt, wie sie sie trösten, als die Großmutter stirbt, wie sie sie anspornen beim Talentwettbewerb. Verstehen tut Justine das alles nicht so ganz. Aber sie sagt sich die Sätze vor, die die Großmutter ihr beim letzten Besuch mitgegeben hat:
"Manchmal geschehen eben Dinge im Leben, die man nicht begreift, das ist einfach so. Das muss man akzeptieren. Klar? Man muss es einfach hinnehmen."
Und:
"Mein Glück ist jetzt dein Glück."
Eine ganz andere Rolle spielt die Musik in den Jugendromanen. Hier ist sie Ausdruck eines Lebensgefühls, einer Kraft, eines vollkommen In-der-Gegenwart-Lebens - ohne wenn und aber.
"Die Musik wird die richtige Antwort geben. Die Musik lügt nie."
Rachel Cohn und David Levithan erzählen davon in ihrem mittlerweile verfilmten Roman: Nick und Norah. Soundtrack einer Nacht.
Wie die Musik Nick und Norah wegträgt, wie sie hilft und heilt und aufpeitscht und wütend macht und aggressiv, davon erzählen die beiden Ich-Erzähler von Rachel Cohn und David Levithan. Der Soundtrack einer Nacht wird aus zwei Perspektiven geschildert, der des Mädchens und der des jungen Mannes: schnoddrig, im Szenejargon, echt und eindringlich.
Eine Nacht lang ziehen Nick und Norah durch die Clubs von New York. Sie hören Punk Musik, sie pogen, sie schauen in einem Nachtclub zu, wie Nonnen zu Stripteasetänzerinnen werden. Norah hievt ihre betrunkene Freundin Caroline in ein Auto, und sie sehnt sich nach ihrem Freund und will doch gleichzeitig fort von ihm.
Nick fühlt sich überall fehl am Platze. Er leidet darunter, wie kühl er von Tris abserviert worden ist. Nick ist Bassist in einer Independant Band und er hat die schönsten Lovesongs für Tris geschrieben. Seine beiden Mitspieler sind miteinander beschäftigt:
"Sie stehen an die dunkelrote Wand gelehnt, versunken in einen tiefen Kuss, der alle Zuschauer in eine tiefe Eifersuchtskrise stürzen muss."
Jungs, die sich die küssen, sind in New Yorker Clubs nichts besonderes.
Und es ist wohltuend, wie beiläufig Cohn/Leviathan das Thema Homosexualität behandeln. Nick und Norah halten, traurig wie sie sind, aneinander fest. Und das zum Soundtrack einer Nacht, zur unablässig wummernden Musik:
"Die Gitarren brechen los. Das Schlagzeug hämmert ohrenzerfetzend. Ich kann es beobachten: wie aus einer Menschenmenge ein Sturm wird, der alles wegfegt. Wie die ganzen Posen und die richtigen Klamotten, mit denen man dazu gehören will, weniger als nichts wert sind, weil keiner mehr auf Klamotten oder Posen schaut. Wie es nur noch das pulsieren und die Energie und die entfesselte Kraft gibt."
Rachel Cohn und David Levitathans Roman ist rasant geschrieben; so rasant wie die Musik. Spannend und unterhaltsam.
Auch in Robert Habecks und Andrea Paluchs "Sommergig" spielt die Musik die Hauptrolle. Andrea Paluch spielt in einer Frauenban: Penny or Dime. Im Internet kann man ihre Musik hören und runterladen: "All there is".
"Den ganzen Abend summte ich 'All there is'. Es war wie eine Grundmelodie für diese Sommertage. Aber wenn das Lied zur Grundmelodie geworden war, musste ich auch danach handeln. Denn wovon handelte es denn? Es handelte davon, dass man verlieren muss, was man haben will."
"Ich glaube, dass die Jugendlichen heutzutage sich eben nicht nur - wie alle immer sagen – mit Computern und Unterhaltungsmedien auseinandersetzen, sondern das Musik allem zu Grunde liegt. Für Jugendliche ist das wichtigste Musik. Musik war auch für mich immer wichtig, um mich auszurücken, um mich zu fühlen, um meine Stimmung wiederzugeben."
Penny or Dime heißt auch die Mädchenband aus Andrea Paluchs Roman. Erzählt wird die Geschichte von Tom. Der Ich-Erzähler ist so etwas wie ein Best-Boy, der die Instrumente aufbaut, die Mädchen hin- und herfährt, Fotos macht und die Homepage betreut. Vier sehr unterschiedliche Mädchen haben sich zusammengetan. Ilayda ist türkischer Abstammung. Tom weiß manchmal nicht, wie er mit ihr umgehen soll. Wie türkisch ist sie? Wie deutsch? Wodurch verletze ich sie? Britt, die Bassistin mit dem Zungenpiercing, die sich in Tom verliebt hat. Der aber hat nur Augen für Penny, die schöne und von allen begehrte Sängerin. Und da ist da noch die zuckrig schöne Anna, die so zerbrechlich wirkt. Sie spielen, sie lachen und sie stellen sich ganz ernsthafte Fragen.
"Dass ist das, was den Reiz unserer Bücher ausmacht, dass es einerseits leicht daherkommt. Unsere Protagonisten sind so Schnackertypen. Aber dann gibt es eben auch den philosophischen Backgrund."
Penny und ihre Band stellen sich die Fragen, die sich alle Teenager stellen: Was will ich? Wer will ich sein? Will ich Verantwortung übernehmen für mich und jemand anderen sogar? Sie haben Sehnsucht nach etwas ganz Großem. Und sie setzten diese Sehnsucht um in Musik:
"Die Band, die jetzt spielte, klang wie eine Mischung aus Nirvana und Nickelback. Laut und rockig, straight und pulsierend - aber sie passte nicht zu diesem Tag, nicht zu diesem Sommer, nicht zu uns. Sie war zu gerade, nicht gebrochen. Sie ließ die Zerrissenheit dieses beschissenen Lebens noch nicht einmal ahnen. Und jetzt begriff ich, was das besondere an Penny or Dimes Musik war: Nicht, dass die vier musikalisch das Nonplusultra waren, aber die Musik war widersprüchlich wie das leben, sie war zwischen himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt, eben Penny or Dime. Und genauso fühlte sich die Welt an."
"Sommergig" ist ein leichtes Buch, wie ein Song in einer Sommernacht.
Musik in der Kinder- und Jugendbuchliteratur: das kann ein fein gezeichnetes Bilderbuch sein oder ein rauer Großstadtroman, eine märchenhafte Erzählung oder die Suche einer handvoll Jugendlicher dem, was sie weiterbringen wird im Leben; unterlegt von einer Melodie.
"Es ist ein erster Einstieg in das Thema. Und darum hab ich aus der Fülle von Themen, aus der Fülle eines reichen Lebens einer komplizierten Persönlichkeit habe ich eben verschiedene Zugänge gewählt: Begegnungen, Eindrücke, die er aus der Kindheit gehabt haben mag, als junger Mensch, wie er mit anderen Leuten, mit Frauen umgegangen sein mag."
Lene Mayer-Skumanz erzählt Händels Biografie nicht einfach nach. Sie springt, sie setzt Schwerpunkte. Geboren ist Händel in Halle, wo er auch auf Wunsch des Vaters Jura studiert. Er geht nach Hamburg an die Oper, schreibt und dirigiert Opern. Von 1706 bis 1710 lebt er in Italien, komponiert für verschiedene Fürsten und Kardinäle in Florenz, Rom und Venedig.
Im Herbst 1712 geht er nach London, wo er seine größten Erfolge feiert. Hier schreibt er die Wassermusik, weil König Georg während einer Themsefahrt Musik hören möchte. Er komponiert Opern wie Julius Cäsar, eine Geburtstagsode für die Königin, Krönungsmusik für dem König und sein berühmtestes Werk, den Messias.
Aber Helene Mayer-Skumanz will keine reine Musikgeschichte schreiben. Sie erzählt, wie gern Händel gegessen und getrunken hat. Einmal habe er für vier Personen bestellt und den Kellner dann ungeduldig gefragt, wo denn das Essen bliebe. Er habe noch auf die anderen Gäste warten wollen, erklärt dieser.
"Die Gesellschaft bin ich!"
Diese kleine Episode hat der Grafiker Winfried Opgenoorth wunderbar umgesetzt. Da sieht man dann vier Händels am Tisch sitzen.
Lene Mayer-Skumanz schildert das Leben der Operndiven, die schwindelerregende Gagen bekamen und die einander spinnefeind waren. Auf offener Bühne geraten sie sich in wahrsten Sinne des Wortes in die Haare - und reißen sich gegenseitig die Perücken vom Kopf.
"Das war für mich sehr interessant, denn heutige Popstars haben ja auch gewaltige Gagen, nehme ich an. Und das Startum der damaligen Zeit kann man sich gut vorstellen, wenn man sich heutige Starkulte anguckt."
Auch Händel ist in seiner Jugend ein Heißsporn gewesen. Er gerät mit einem Freund in Streit darüber, wer von beiden am Cembalo spielen darf. Drei Zeichnungen sind zu sehen: Wie der Freund Händel vom Klavierschemel stoßen will, wie sie zu raufen anfangen, wie sie schließlich mit Degen kämpfen und der Freund zusticht - und Händels Mantelknopf trifft.
"Ja, da gibt es halt diese Legende, dass der Knopf ihn gerettet hat. Lustig finde ich schon, dass die beiden sich da streiten, wer am Instrument spielen darf. Ja, das hat mir schon Spaß gemacht, das wie einen Comic ablaufen zu lassen. Weil das ja schon eine komische Situation ist","
…erklärt der Grafiker Winfried Opgenoorth. Er hat die lebendigen Szenen, die Lene Mayer-Skumanz so temperamentvoll erzählt, sehr plastisch umgesetzt.
Er zeichnet mit einer spitzen Zeichenfeder. Mit vielen feinen Tuschestrichen schraffiert er die Schattierungen, dann koloriert er mit Aquarellfarben. Diese Mischform von Zeichnung und Aquarell ist sehr fein, jeder Faltenwurf, jede Ritze im Gemäuer ist genau zu erkennen.
Opgenoorth verwendet zarte Blau- und Rottöne, nur beim Karneval in Venedig geht es bunter zu. Zum einen sind die Zeichnungen sehr realistisch. Opgenoorth hat genau recherchiert, wie die Städte, die er zeichnet, damals ausgesehen haben, hat alte Bücher und Stiche angeschaut. Freiheit nimmt er sich bei den Perspektiven heraus. Da interpretiert er Lene Mayer-Skumanz Text.
Auf dem ersten Bild ist ein kleiner Junge zu sehen, der am Klavichord sitzt - und zwar überlebensgroß auf dem Dach eines Hauses. Davor steht ein Mann, größer als das Haus und hebt drohend den Arm.
""Wie Grillenmusik schwingt es durchs Haus. Der Junge ist von seinem Klavichord nicht wegzukriegen. Händel seufzt. Er macht sich Sorgen um seinen Georg Friedrich. Er wird doch nicht Musiker werden statt Jurist?"
Wenig später sitzt der kleine Junge am Flügel. Flügel und Kind werden vom Fürsten auf einem runden Brett in der Hand gehalten. Kniehoch nur ist Händels Vater, wie er bittend vor dem Fürsten steht.
"Das ist der junge Händel und ganz klein sieht man den Vater davor. Da ist es der Fürst, der ihn für sich gewinnen soll; will in quasi wie auf einem Tablett vorführen. Und der Vater sagt: 'Nein das soll mein Sohn nicht.' Aber dann lässt er ihm Unterricht geben. Und so nimmt es seinen Lauf."
Schon einmal hat Winfried Opgenoorth durch seine detailgetreuen Zeichnungen das 18. Jahrhundert heraufbeschworen, in einem musikalischen Bilderbuch über Joseph Haydn, dem anderen großen Musiker, an den dieser Tage erinnert wird. Haydn ist am 31. Mai 1809 gestorben.
Lene Mayer-Skumanz geht auch auf die Zeitgeschichte ein.
"Natürlich habe ich auch den Hintergrund der Zeit. Das ist für mich immer ganz wichtig. Was konnte meine Hauptfigur verstehen, was konnte er übersehen. Hat er gewusst, wenn er Aktien gekauft hat, dass die auch mit dem Leid von vielen Menschen zu tun hatten. England hat damals geboomt. Es hat am Sklavenhandel mitverdient. Es hat englische Fabrikanten gegeben, die allein durch Ketten und Eisen ihr Geld verdient haben."
Auch Händels Kompositionen hängen eng mit Politik zusammen, mit Krieg und Frieden. Als mit dem Frieden von Aachen der Österreichische Erbfolgekrieg beendet wird, komponiert Händel die Musik für die Friedensfeier im Green Park: mit Pauken und Trompeten - und mit einem Riesenfeuerwerk. Lene Mayer-Skumanz betont Händels großes Herz.
1742 wird in Dublin der Messias uraufgeführt. Man bittet die Damen, nicht in Reifröcken zu erscheinen, damit viele Menschen in der Konzerthalle Platz finden. Denn mit den Einnahmen sollen Armenkrankenhäuser unterstützt werden und Menschen, die im Gefängnis sitzen, weil sie Schulden haben.
Auch in London wird der Messias aufgeführt. Zu Gunsten eines Findlingshauses. Zeit seines Lebens unterstützt Händel junge Musiker. Er gründet einen Fond zur Unterstützung armer Musiker. 1751 beginnt er zu erblinden, eine Operation bleibt erfolglos. Händel stirbt am 14. April 1759 in London und wird in der Westminster Abbey beigesetzt.
Eine Musikgeschichte besonderer Art haben Monika und Hans-Günther Heumann geschrieben. Sie wollten kein knochentrockenes Lexikon schreiben, sondern betten die Musikgeschichte in eine originelle Rahmenhandlung ein.
Die beiden Kinder Frederik und Clara finden auf dem Dachboden ihres Großvaters einen besonderen Apparat, den sie für Musiktruhe mit Schallplatten halten. Der Großvater klärt sie auf: Es sei eine Zeitmaschine, mit der er des Öfteren die Vergangenheit bereist habe. Und schon erzählt er von seiner Reise in die Frühzeit der Musik.
Auf Tierhörnern und Muscheln bliesen die Steinzeitmenschen, sie schrappten über Knochen und bespannten Trommeln mit Fell.
Sämtliche Hochkulturen hatte der Großvater bereist, hatte Klangstäben aus Mesopotamien gelauscht und Lauten aus Ägypten. Er erzählt, dass die Chinesen der Musik eine enorme Bedeutung zuschrieben haben - und es sogar ein Musikministerium gegeben hat. Er hörte dem Klang der indischen Zimbel zu und der Lyra der Griechen. Er erschrak, als er zum ersten Mal ein römisches Metallhorn hörte.
Gemeinsam mit seiner Frau steht er vor einer hohen Stadtmauer, als die Zeitmaschine ihn ins Mittelalter bringt. Der Wächter lässt sie ein. Der
Clara läuft ein kalter Schauer über den Rücken, als die Großmutter vom finsteren Mittelalter erzählt, in dem es neben Leiern, Fideln und noch ganz anderen "Instrumente" gab.
"'Mir wurde schon ein wenig mulmig zu Mute. Besonders als ich eine Frau erblickte, die eine Halsgeige trug.' - 'Eine Musikerin?', fragte Frederik. 'Nein, mein Junge', sagte die Großmutter. Die 'Halsgeige ist ein mittelalterliches Foltergerät in Form einer Geige. In einem großen Loch steckte der Hals, in zwei kleineren davor die Handgelenke der Frau. Derartige Halsgeigen bekamen zänkische Frauen als Strafe umgelegt. Und alle Leute durften sich über sie lustig machen. Es gab auch Schandflöten, die schlechten Musikern umgebunden wurden.'"
Dann dürfen die Kinder mit. Sie wünschen sich, Mozart kennenzulernen und bringen ihm einen Müsliriegel mit. Sie erleben turbulente Szenen bei der Uraufführung von Mozarts Zauberflöte mit.
"Papageno spielt auf der Bühne sein Glockenspiel nicht selbst, er tut nur so. Mozart ist der Spieler und versucht Papageno durcheinander zu bringen, in dem er an einer völlig unpassenden Stelle die Glöckchen anschlägt. [Der Darsteller des Papageno] aber ist ein gerissener Schauspieler. Er schlägt mit der Hand auf das Glockenspiel und gebietet ihm: 'Halt's Maul!'"
Zuerst wird die Reise in die ein oder andere Zeit erzählt, ganz plastisch und spannend, dann wird auf einigen Seiten das Wichtigste über Musik und Instrumente zusammengefasst. Wenn etwa die Romantik behandelt wird, werden Verdis bekannteste Opern vorgestellt oder Chopins Kompositionen, kleine Anekdoten aus dem Leben der Musiker erzählt.
Ganz am Ende eines jedes Kapitels gibt es ein kleines Quiz. So wird im Musikquiz des 20. Jahrhunderts gefragt, wer "Peter und der Wolf" komponiert habe, welche Tonleiter bei der 12-Tonmusik verwendet werde, welches Instrument in der Rockmusik eine wichtige Rolle spiele.
Die Musikgeschichte für Kinder können die jungen Leser also dreifach nutzen: als spannendes Geschichtenbuch, in dem sich alle Geschichten um Musik drehen, als Nachschlagewerk, wenn man etwa wissen will, wann welches Instrument besonders beliebt war, und als Quizbuch.
Drucke und Gemälde der Musiker sind zu sehen, Orchester und berühmte Gebäude, wie etwa die Mailänder Scala. Andreas Schürmann hat witzige Zeichnungen dazu gemacht: eine fidelnde Großmutter im höfischen Kleid, einen Großvater, der sich einen kostbaren Fächer vor das Gesicht hält, eine Schiesserei in den Strassen von New York. Sein Mozart wirkt nicht ernst und hingegeben wie auf dem bekannten zeitgenössischen Porträt. Sein Mozart hat den Schalk in den Augen.
Die niederländische Autorin Mireille Geus hat zusammen mit der elfjährigen Schülerin Laura Meslund einen zauberhaften kleinen Roman geschrieben, von der geradezu märchenhaften Macht der Musik: "Talent gesucht".
Justines schwärmt für Curlygirl. Sie ahmt sie nach. Der Springseilgriff ist ihr Mikrofon. Curlygirl singt laut und sauber, Justine laut und falsch.
Justines Mutter ist Sopranistin und Gesangspädagogin von internationalem Ruf. Sie seufzt, weil der Tochter ihr Talent fehlt. Sie ist viel beschäftigt, deshalb sehr oft unterwegs. Dann geht Justine zu ihrer Oma, einer alten Dame aus einer anderen Welt. Da riecht es nach Bohnerwachs, alten Möbeln, staubigen Bildern, lange nicht gewaschenen Häkeldeckchen und dicker, fetter Fleischsoße.
In der Schule spielt sich ein anderes Leben ab. Da kommen drei Talentsucher in Justine Klasse, eine Frau mit Piercings an Augenbraue und Oberlippe, deren Jeans so tief über der Hüfte hängt, dass man ihren String sieht; ein Mann in Trainingshose mit Goldzahn; einer in Baggys, aus denen die weiße Boxershorts hervorlugt. Sie verteilen Instrumente an die Kinder, geben ihnen sechs Wochen zum Üben und wollen dann hören, wer während dieser Zeit am meisten gelernt hat.
Justine bekommt ein Altsaxophon. Wenn sie spielt, klingt es wie das Meckern einer Ziege. Eines Tages schenkt die Oma Justine eine alte Teekanne. Eine besondere Teekanne. Justine hat sie schon einmal heimlich in den Händen gehalten:
"[Justine] nahm den Deckel ab und erschrak. Es war nicht der noch stärkere Duft, damit hatte sie gerechnet. Was sie erschreckte war der Qualm, richtig sichtbarer Qualm, der sich aus der Kanne emporringelte. Auf einmal hörte sie etwas sehr merkwürdiges, es klang fast wie Musik. Geigenmusik, einfach so, mitten in der Nacht. Wunderbare Geigenmusik, die aus der Teekanne kam."
Die Teekanne ist das Abschiedsgeschenk der Großmutter. Wenige Tage später stirbt sie. Fortan wird die Geigenmusik Justine begleiten. Und sie wird stärker sein als Curlys Gesänge und intensiver als das Spiel auf dem Altsaxophon. Und so talentlos, wie die Mutter glaubte, ist Justine dann doch nicht.
Mireille Geus schildert wie klassische Musik auch das Herz eines jungen Mädchens erreichen kann, das doch sonst so ganz andere Musik hört, wie die Geigenklänge sie hineintragen in eine andere Welt, wie sie sie trösten, als die Großmutter stirbt, wie sie sie anspornen beim Talentwettbewerb. Verstehen tut Justine das alles nicht so ganz. Aber sie sagt sich die Sätze vor, die die Großmutter ihr beim letzten Besuch mitgegeben hat:
"Manchmal geschehen eben Dinge im Leben, die man nicht begreift, das ist einfach so. Das muss man akzeptieren. Klar? Man muss es einfach hinnehmen."
Und:
"Mein Glück ist jetzt dein Glück."
Eine ganz andere Rolle spielt die Musik in den Jugendromanen. Hier ist sie Ausdruck eines Lebensgefühls, einer Kraft, eines vollkommen In-der-Gegenwart-Lebens - ohne wenn und aber.
"Die Musik wird die richtige Antwort geben. Die Musik lügt nie."
Rachel Cohn und David Levithan erzählen davon in ihrem mittlerweile verfilmten Roman: Nick und Norah. Soundtrack einer Nacht.
Wie die Musik Nick und Norah wegträgt, wie sie hilft und heilt und aufpeitscht und wütend macht und aggressiv, davon erzählen die beiden Ich-Erzähler von Rachel Cohn und David Levithan. Der Soundtrack einer Nacht wird aus zwei Perspektiven geschildert, der des Mädchens und der des jungen Mannes: schnoddrig, im Szenejargon, echt und eindringlich.
Eine Nacht lang ziehen Nick und Norah durch die Clubs von New York. Sie hören Punk Musik, sie pogen, sie schauen in einem Nachtclub zu, wie Nonnen zu Stripteasetänzerinnen werden. Norah hievt ihre betrunkene Freundin Caroline in ein Auto, und sie sehnt sich nach ihrem Freund und will doch gleichzeitig fort von ihm.
Nick fühlt sich überall fehl am Platze. Er leidet darunter, wie kühl er von Tris abserviert worden ist. Nick ist Bassist in einer Independant Band und er hat die schönsten Lovesongs für Tris geschrieben. Seine beiden Mitspieler sind miteinander beschäftigt:
"Sie stehen an die dunkelrote Wand gelehnt, versunken in einen tiefen Kuss, der alle Zuschauer in eine tiefe Eifersuchtskrise stürzen muss."
Jungs, die sich die küssen, sind in New Yorker Clubs nichts besonderes.
Und es ist wohltuend, wie beiläufig Cohn/Leviathan das Thema Homosexualität behandeln. Nick und Norah halten, traurig wie sie sind, aneinander fest. Und das zum Soundtrack einer Nacht, zur unablässig wummernden Musik:
"Die Gitarren brechen los. Das Schlagzeug hämmert ohrenzerfetzend. Ich kann es beobachten: wie aus einer Menschenmenge ein Sturm wird, der alles wegfegt. Wie die ganzen Posen und die richtigen Klamotten, mit denen man dazu gehören will, weniger als nichts wert sind, weil keiner mehr auf Klamotten oder Posen schaut. Wie es nur noch das pulsieren und die Energie und die entfesselte Kraft gibt."
Rachel Cohn und David Levitathans Roman ist rasant geschrieben; so rasant wie die Musik. Spannend und unterhaltsam.
Auch in Robert Habecks und Andrea Paluchs "Sommergig" spielt die Musik die Hauptrolle. Andrea Paluch spielt in einer Frauenban: Penny or Dime. Im Internet kann man ihre Musik hören und runterladen: "All there is".
"Den ganzen Abend summte ich 'All there is'. Es war wie eine Grundmelodie für diese Sommertage. Aber wenn das Lied zur Grundmelodie geworden war, musste ich auch danach handeln. Denn wovon handelte es denn? Es handelte davon, dass man verlieren muss, was man haben will."
"Ich glaube, dass die Jugendlichen heutzutage sich eben nicht nur - wie alle immer sagen – mit Computern und Unterhaltungsmedien auseinandersetzen, sondern das Musik allem zu Grunde liegt. Für Jugendliche ist das wichtigste Musik. Musik war auch für mich immer wichtig, um mich auszurücken, um mich zu fühlen, um meine Stimmung wiederzugeben."
Penny or Dime heißt auch die Mädchenband aus Andrea Paluchs Roman. Erzählt wird die Geschichte von Tom. Der Ich-Erzähler ist so etwas wie ein Best-Boy, der die Instrumente aufbaut, die Mädchen hin- und herfährt, Fotos macht und die Homepage betreut. Vier sehr unterschiedliche Mädchen haben sich zusammengetan. Ilayda ist türkischer Abstammung. Tom weiß manchmal nicht, wie er mit ihr umgehen soll. Wie türkisch ist sie? Wie deutsch? Wodurch verletze ich sie? Britt, die Bassistin mit dem Zungenpiercing, die sich in Tom verliebt hat. Der aber hat nur Augen für Penny, die schöne und von allen begehrte Sängerin. Und da ist da noch die zuckrig schöne Anna, die so zerbrechlich wirkt. Sie spielen, sie lachen und sie stellen sich ganz ernsthafte Fragen.
"Dass ist das, was den Reiz unserer Bücher ausmacht, dass es einerseits leicht daherkommt. Unsere Protagonisten sind so Schnackertypen. Aber dann gibt es eben auch den philosophischen Backgrund."
Penny und ihre Band stellen sich die Fragen, die sich alle Teenager stellen: Was will ich? Wer will ich sein? Will ich Verantwortung übernehmen für mich und jemand anderen sogar? Sie haben Sehnsucht nach etwas ganz Großem. Und sie setzten diese Sehnsucht um in Musik:
"Die Band, die jetzt spielte, klang wie eine Mischung aus Nirvana und Nickelback. Laut und rockig, straight und pulsierend - aber sie passte nicht zu diesem Tag, nicht zu diesem Sommer, nicht zu uns. Sie war zu gerade, nicht gebrochen. Sie ließ die Zerrissenheit dieses beschissenen Lebens noch nicht einmal ahnen. Und jetzt begriff ich, was das besondere an Penny or Dimes Musik war: Nicht, dass die vier musikalisch das Nonplusultra waren, aber die Musik war widersprüchlich wie das leben, sie war zwischen himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt, eben Penny or Dime. Und genauso fühlte sich die Welt an."
"Sommergig" ist ein leichtes Buch, wie ein Song in einer Sommernacht.
Musik in der Kinder- und Jugendbuchliteratur: das kann ein fein gezeichnetes Bilderbuch sein oder ein rauer Großstadtroman, eine märchenhafte Erzählung oder die Suche einer handvoll Jugendlicher dem, was sie weiterbringen wird im Leben; unterlegt von einer Melodie.