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Heavy Metal und Physik

Jesse Silverberg tanzt und springt bei Heavy-Metal-Konzerten im sogenannter Mosh Pit. Bei einem Konzertbesuch blieb er jedoch seiner Freundin zuliebe am Rand. Dabei fiel ihm auf, dass er die Bewegungen der Fans aus seinem Physikstudium kannte und fing an zu forschen.

Von Christine Kewitz | 25.02.2013
    Stellen sie sich vor, sie sind auf einem Konzert dieser Band. Es ist laut, es ist wild, es ist heiß. Die Leute um sie herum springen und schwitzen. Sie befinden sich in der wilden Menschentraube vor der Bühne, in der man sich so ungehemmt und frei wie nirgendwo zur Musik bewegen kann. Sie sind im Mosh Pit!

    Max Möhler ist regelmäßiger Konzertgänger, Festivalliebhaber und Mosh-Pit-Profi. An sein erstes Mal in der Mosh-Menge erinnert er sich noch gut.

    "Dann hat diese Band auf einmal angefangen zu spielen und dann stand ich so mitten drin, zehn Meter vor der Bühne und dann habe ich richtig Schiss bekommen, weil sich alles bewegt hat und ich brauchte bestimmt zehn Minuten, um damit klar zu kommen. Dann fand ich’s aber geil. Aber im ersten Moment kann man ja gar nichts damit anfangen, wenn man so hin und her getrieben wird und vor, zurück fünf Meter. Voll die krasse Energie einfach. Die ganze Menge bewegt sich und du treibst mit denen nach vorne nach hinten, nach links, nach rechts. So wellenmäßig, vor zurück und wirst halt die ganze Zeit so getrieben"

    Normalerweise ist auch der Physikstudent Jesse Silverberg mitten drin. Doch als er zum ersten Mal seine Freundin zu einem Heavy-Metal-Konzert mitnahm, wollte er sie nicht überfordern. Ihr zuliebe blieb er außerhalb des Mosh Pits und als er das Herumgeschubse beobachtete, zeigte sich ihm eine kleine physikalische Offenbarung.

    "Als ich mich nicht mehr auf die einzelnen Individuen konzentrierte, sondern die Gruppe als Ganzes betrachtete, da sah ich Wellen die sich im Mosh Pit ausbreiteten. Die mich an das Verhalten von Gasmolekülen erinnerten. In der Physik sprechen wir von Naturphänomenen in ihrer simpelsten Form. Und die Menschenmenge im Mosh Pit zeigte die gleichen Bewegungen, die man Gasmolekülen zuschreibt."

    Manchmal entsteht aus dem ungeordneten Mosh Pit ein Circle Pit. Wie der Name schon sagt: ein Kreis. Das wilde Durcheinanderspringen ordnet sich - ähnlich wie beim Sirtaki - auf der Kreislinie. Die Mitte bleibt leer, getanzt – oder besser: gemosht – wird nun in eine gemeinsame Richtung.

    Jesse Silverberg und seine Kollegen an der Cornell Universität in Ithaka, New York erstellten am Computer eine numerische Simulation der Mosh-Pit-Bewegungen, um sie mathematisch errechnen und reproduzieren zu können. Diese virtuellen Mosher-Simulationen nannten sie Mobile Active Simulated Humanoids, kurz MASH. Aus den realen Moshern wurden die computergenerierten Masher, die man für sehr sinnvolle Berechnungen nutzen kann. Zum Beispiel für das Verhalten von Menschen bei Ausschreitungen, Feuer oder anderen Katastrophen, in denen sich große Menschenmengen unkontrolliert bewegen

    "Wir betrachten das kollektive Verhalten von Menschen aus einem neuen Blickwinkel. Und wenn sich daraus neue Erkenntnisse ergeben, wie Menschen in extremen Situationen reagieren, lassen sich dadurch vielleicht auch neue architektonische Prinzipien erschließen. Dass es zum Beispiel weniger Verletzte bei Evakuierungen gibt. Man muss nur an die Tragödien in Fußballstadien denken."

    Und dann, kann man sich auch noch sicherer fühlen. Denn: Die Mosher passen aufeinander auf.

    Das Sozialgefüge im Mosh-Pit ist halt ziemlich gut. Sobald da einer hinfällt, kommen sofort drei Arme, die ziehen dich wieder hoch.