Natürlich interessiert uns ein Heidi-Musical nicht unbedingt unter dem Gesichtspunkt der ästhetischen Innovation, sondern als Kulturphänomen. "Das" Heidi, das Gute ist ja sächlich im Kinderbuch, ist uns allen schon einmal begegnet, als Großmutter uns das abends vorlas, als Film oder als Tonkassette. Der alten Mär von damals wiederzubegegnen, als Erwachsener, das könnte reizvoll sein, zumal die Verhältnisse sich ja gründlich geändert haben: Damals, in der Geschichte vom glücklichen Leben in der Natur, oben auf dem Berg beim Großvater, beim Alm-Öhi, wo das Waisenkind Heidi Unterschlupf findet, damals waren die Schweizer die armen Leute und die Deutschen die Reichen. Das Heidi muß, später in Frankfurt, in der deutschen pädagogischen Drillanstalt, für die blinde und zahnlose Großmutter sogar Brötchen klauen, die es sorgsam hütet.
Inzwischen haben sich die Verhältnisse gründlich geändert, die Deutschen sind in der Hauptsache arbeitslos und im Jammertal, die Schweizer sind als globale Banken-Metropole ein gigantischer Gastronomiebetrieb, und so kommt auch das Heidi-Musical ziemlich großkotzig als Ereignis daher, das von der Tourismus-Behörde angeschoben wurde und betuchten Urlaubsgästen das Geld lockermachen soll. Sogar die Autobahnraststätte heißt hier "Heidiland" - dabei können die Flumser Berge, die steilen Churfirsten und der friedliche Walensee doch gar nichts dafür, dass Johanna Spyri ihre Geschichte hier ansiedelte.
Ist Heidi ein Musical? Mitnichten. Heidi ist ein Kinderbuch, ein Heimatfilm, es gibt eine wunderbare, knorrige alte 50iger-Jahre-Version mit Heinrich Gretler als Alm-Öhi, und wenn diese Figuren plötzlich zu singen anfangen, dann stimmt was nicht. Das Musical ist sowieso eine solch amerikanische Kunstform, da braucht es eine solche Lockerheit, dass von vornherein schwer vorstellbar war, wie das denn gehen sollte: der Geißenpeter in seinen Lederhosen und ein Musical-Orchester. Man hätte ja, als Komponist, wenigstens mal den Klassiker von damals zitieren können - "Heidi, Heidi, deine Welt sind die Berge". Aber nein, nichts da. Bei Stephen Keeling kommt das Ganze als der übliche sinfonisch-theatrale Sirup daher, den auch Andrew Lloyd-Webber so erfolgreich über fragwürdige Textmassen kippt.
Stephen Keeling benutzt also allerlei Versatzstücke aus Klassik, Schlager und Volksmusik, der Geißenpeter darf auch mal eine Schuhplattler andeuten, die Choreographie arbeitet gern mit Bewegungsabläufen aus dem dörflichen Arbeitsleben, und so schnurrt eine muntere Heidi-Mechanik vor uns ab, die das einst liebenswert-rotbackige Mägdelein, das man immerhin als schräge Ikone einer vergangenen Naivität hätte schätzen können, völlig untergeht im personalreichen Geschehen.
Und die große Frage ist: Für wen ist dieses Musical überhaupt gedacht? Die Kinder sind abends längst im Bett; das Publikum besteht aus solventen Erwachsenen. Man hat deshalb die Heidi-Geschichte mit der Biographie der Johanna Spyri aufgemischt: deren Sohn Bernhard litt an Tbc, und dem erzählte sie, als der Junge schon Mitte zwanzig (!) war, immer vom Heidi. Die beiden Stränge werden parallelgeführt - das macht die Sache zwar länglicher, aber nicht besser. Das ziemlich ausgefuchste Bühnenbild von Harald Thor ist eine in den Walensee hineingebaute Half-Pipe, eine sich vor dem Bergmassiv wölbende Rampe oder Schanze, in der dann die einzelnen Handlungsort aufgeklappt werden. Mit dieser doch sehr abstrakten Vorgabe könnte man nun auch die Handlung weit wegrücken und als kabarettistischen Trash darbieten: das blondbezopfte Heidi, so eine Art "Dinner for one", so eine ironische Rocky Horror Picture Show, die man aus der Distanz immer wieder gerne ansieht.
Aber das geht natürlich nicht: der Regisseur Stefan Huber nimmt die Handlung bockelernst und macht Kindertheater für Erwachsene. Die Sänger forcieren ganz furchtbar. 2000 Menschen sitzen auf einer Art Fußballtribüne vor dem See und schauen zu. Es wird langsam dunkel über dem Gebirgsmassiv, und das ist schön. Der Rest ist Eventkultur.
Inzwischen haben sich die Verhältnisse gründlich geändert, die Deutschen sind in der Hauptsache arbeitslos und im Jammertal, die Schweizer sind als globale Banken-Metropole ein gigantischer Gastronomiebetrieb, und so kommt auch das Heidi-Musical ziemlich großkotzig als Ereignis daher, das von der Tourismus-Behörde angeschoben wurde und betuchten Urlaubsgästen das Geld lockermachen soll. Sogar die Autobahnraststätte heißt hier "Heidiland" - dabei können die Flumser Berge, die steilen Churfirsten und der friedliche Walensee doch gar nichts dafür, dass Johanna Spyri ihre Geschichte hier ansiedelte.
Ist Heidi ein Musical? Mitnichten. Heidi ist ein Kinderbuch, ein Heimatfilm, es gibt eine wunderbare, knorrige alte 50iger-Jahre-Version mit Heinrich Gretler als Alm-Öhi, und wenn diese Figuren plötzlich zu singen anfangen, dann stimmt was nicht. Das Musical ist sowieso eine solch amerikanische Kunstform, da braucht es eine solche Lockerheit, dass von vornherein schwer vorstellbar war, wie das denn gehen sollte: der Geißenpeter in seinen Lederhosen und ein Musical-Orchester. Man hätte ja, als Komponist, wenigstens mal den Klassiker von damals zitieren können - "Heidi, Heidi, deine Welt sind die Berge". Aber nein, nichts da. Bei Stephen Keeling kommt das Ganze als der übliche sinfonisch-theatrale Sirup daher, den auch Andrew Lloyd-Webber so erfolgreich über fragwürdige Textmassen kippt.
Stephen Keeling benutzt also allerlei Versatzstücke aus Klassik, Schlager und Volksmusik, der Geißenpeter darf auch mal eine Schuhplattler andeuten, die Choreographie arbeitet gern mit Bewegungsabläufen aus dem dörflichen Arbeitsleben, und so schnurrt eine muntere Heidi-Mechanik vor uns ab, die das einst liebenswert-rotbackige Mägdelein, das man immerhin als schräge Ikone einer vergangenen Naivität hätte schätzen können, völlig untergeht im personalreichen Geschehen.
Und die große Frage ist: Für wen ist dieses Musical überhaupt gedacht? Die Kinder sind abends längst im Bett; das Publikum besteht aus solventen Erwachsenen. Man hat deshalb die Heidi-Geschichte mit der Biographie der Johanna Spyri aufgemischt: deren Sohn Bernhard litt an Tbc, und dem erzählte sie, als der Junge schon Mitte zwanzig (!) war, immer vom Heidi. Die beiden Stränge werden parallelgeführt - das macht die Sache zwar länglicher, aber nicht besser. Das ziemlich ausgefuchste Bühnenbild von Harald Thor ist eine in den Walensee hineingebaute Half-Pipe, eine sich vor dem Bergmassiv wölbende Rampe oder Schanze, in der dann die einzelnen Handlungsort aufgeklappt werden. Mit dieser doch sehr abstrakten Vorgabe könnte man nun auch die Handlung weit wegrücken und als kabarettistischen Trash darbieten: das blondbezopfte Heidi, so eine Art "Dinner for one", so eine ironische Rocky Horror Picture Show, die man aus der Distanz immer wieder gerne ansieht.
Aber das geht natürlich nicht: der Regisseur Stefan Huber nimmt die Handlung bockelernst und macht Kindertheater für Erwachsene. Die Sänger forcieren ganz furchtbar. 2000 Menschen sitzen auf einer Art Fußballtribüne vor dem See und schauen zu. Es wird langsam dunkel über dem Gebirgsmassiv, und das ist schön. Der Rest ist Eventkultur.