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Heilende Gene für schmerzende Gelenke

Viele Menschen leiden unter Entzündungen in den Gelenken. Die Krankheit tut nicht nur weh. Auf die Dauer ist auch die Bewegungsfähigkeit der betroffenen Gelenke eingeschränkt. Düsseldorfer Mediziner haben gemeinsam mit Kollegen aus den USA erstmals eine Gentherapie zur Behandlung von Arthritis an Patienten erprobt. Sie haben dazu ein Gen für ein entzündungs-hemmendes Eiweiß in Zellen eingesetzt und diese veränderten Zellen Patienten in das Gelenk gespritzt. Noch ist allerdings unklar, ob die neue Gentherapie dauerhaft hilft.

Hannelore Becker-Willhardt |
    Es sind vor allem die Gelenke der Hände und Füße, die sich entzünden und schmerzen, die mit fortschreitender Erkrankung dick anschwellen, sich verformen und jede Bewegung zu einer Tortur werden lassen. "Rheumatoide Arthritis", auch "chronische Polyarthritis" genannt, lautet die Diagnose dieser Gelenkerkrankung. Dabei richtet sich das Immunsystem gegen den eigenen Körper und speziell gegen das Gewebe in den Gelenken. So kommt es zu einer Entzündung der Gelenk-Innenhaut, wobei mit der Zeit erst die Knorpel, dann Knochen sowie die umgebenden Sehnen und Bänder der Gelenke zerstört werden. Gesteuert wird dieser Prozess durch bestimmte Botenstoffe des Immunsystems, erklärt der Düsseldorfer Orthopäde Dr. Peter Wehling.

    Der Stoff, der im wesentlichen verantwortlich ist bei Arthritis, ist der Botenstoff Interleukin-1. Das ist ein Botenstoff des Immunsystems, das den Knorpelzellen eine Nachricht gibt, dass es Enzyme freisetzen soll, die den Knorpel zerstören. Und unsere Überlegung war: Wenn wir wissen, dass dieser Stoff maßgeblich an der Knorpelzerstörung beteiligt ist, gibt es dazu einen Gegenspieler? Anfang 1990 wurde der entdeckt, und wir haben uns überlegt, ob man das Gen dieses Gegenspielers nutzen könnte, Interleukin-1 zu blockieren.

    Dieser "Gegenspieler", der die Zerstörung des Knorpels im Gelenk stoppen kann, heißt Anti-Interleukin-1. Das ist ein Protein, das aber nicht als Medikament eingenommen werden kann. Es muss direkt in die erkrankten Gelenke injiziert werden, um dort zu wirken. Die von Peter Wehling in seinen Kollegen in den USA entwickelte Gentherapie geht noch weiter: Mit ihr wird das Gelenk selbst zur Produktionsstätte seines eigenen Medikaments gemacht. Um das zu erreichen, sind mehrere Arbeitsschritte erforderlich. Zuerst muss aus einem erkrankten Gelenk etwas Gelenk-Innenhaut entnommen werden. Das ist nur mit einer Operation möglich. Deshalb wurde dieser Eingriff bislang auch nur bei Patienten vorgenommen, deren Gelenke durch die Entzündung bereits so stark deformiert worden sind, dass sie ohnehin operiert werden mussten. Die so gewonnenen Zellen der Gelenk-Innenhaut werden anschließend im Labor in Zellkulturen überführt.

    Und dann haben wir ein Gen konstruiert, was mit einem Virus verknüpft ist, das die Zellmembran, also die Haut von den Zellen, durchstoßen kann, durchwandern kann. Das können Viren, das sind aber Viren, die keine Krankheiten machen. Und solch ein Virus haben wir uns ausgewählt, das heißt MFG-EIRAB, und dieser Virus mit dem Gen wandert in die Gelenkinnenhautzellen und produziert ab dem Zeitpunkt das Anti-Interleukin-1. Dann haben wir die Zellen geprüft, dass sie genug von dem Anti-Interleukin-1 genetisch produzieren, aber gleichzeitig sicher sind und nicht verändert;

    dann werden diese gentechnisch veränderten Zellen in die erkrankten Gelenke zurück-injiziert und produzieren dort das entzündungshemmende Anti-Interleukin-1. Ohne Nebenwirkungen zu verursachen, betont Peter Wehling.

    Dieser Stoff, das Anti-Interleukin-1, kann 100fach überdosiert werden und hat keine schädigende Wirkung. Das ist eigentlich ein besonderer Charme, verglichen zu den anderen Therapien.

    Bislang sind erst 12 Arthritis-Patienten mit dieser Gentherapie behandelt worden. Bei allen konnte das therapeutische Gen erfolgreich in die kranken Gelenke eingebracht werden. Bei einigen stellen Wehling und seine Kollegen fest, dass Schmerzen und Knorpelzerstörung im Gelenk zurückgehen. Weitere Studien werden in den nächsten Jahren zeigen, ob diese Gentherapie mit körpereigenem Zellen bei Arthritis tatsächlich dauerhaft wirkt.

    Der Vorteil dieses körpereigenen Ansatzes, den wir gehen, ist, dass Sie überhaupt keine Probleme mit Allergisierungen, mit Fremdstoffen haben. Es ist körpereigen und hochgradig verträglich. Der Nachteil ist natürlich bei der Gentherapie, wenn man die Zellen entfernt, kultiviert und wieder zurückinjiziert, dass ist sehr aufwendig. Unsere langfristigen Entwicklungen gehen eindeutig zu einer Genspritze, wo man das Erbmaterial für dieses Proteins in das Gelenk injiziert: Es wird aufgenommen von den Zellen und es kommt zu einem Wachstum des Knorpels. Und da liegt die Zukunft.

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