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Heilung im Schlaf

Medizin. - "Schlaf ist die beste Medizin!" weiß der Volksmund. Wissenschaftler von der Universität Lübeck wollen jetzt herausfinden, ob der Mensch tatsächlich Infektionen am besten "im Schlaf" bekämpft.

    Von Jens Wellhöner

    Schlaf wirkt wie ein Medikament: Davon sind Mediziner an der Universität Lübeck überzeugt. Ihre Forschungen starteten sie mit einem Tierversuch: Nach einem gesunden Schlaf zeigten sich Ratten widerstandsfähiger gegen Infektionen. Wichtig hierbei ist der sogenannte Antikörper-Titer, also die Anzahl von Antikörpern im Blut. Sie sind zuständig für die Abwehr von Krankheitserregern. Internistin Tanja Lange hat die Versuche mit durchgeführt:

    Das haben wir jetzt auch am Menschen wiederholt. Wir haben eine ganz normale Hepatitis-A-Impfung durchgeführt, und in der Nacht darauf einem Teil der Probanden Schlaf entzogen, während die anderen schlafen durften. Die Immunantwort haben wir gemessen am Antikörper-Titer und der zeigte sich bei den schlafentzogenen verminderter als bei den normal schlafenden Probanden.

    Nach einer Nacht Schlafentzug wirkt die Impfung zwar immer noch. Chronische Schlafstörungen könnten den Infektionssschutz aber gefährden. Entscheidend für die Immunantwort des Körpers sind Knochenmark, Lymphdrüsen und Milz: Hier werden für die Abwehr von Infektionen maßgeschneiderte Zellen produziert. Und die bekämpfen fremde Erreger, die sogenannten Antigene. Jan Born, Neurologe und Leiter der Lübecker Forschergruppe:

    Ein Teil dieser spezifischen Zellen existiert dann im Organismus weiter als sogenannte Gedächtnis-Zellen, als "memory-Zellen". Und genau diese Zellen sind dann das immunologische Gedächtnis, die nämlich wissen, aha, dieses Antigen habe ich schon einmal gesehen. Das führt dann zu einer sehr schnellen Immunantwort, die dann auch sehr effizient dieses Antigen beseitigt.

    Der Mensch hat also nicht nur ein psychisches Gedächtnis, zum Beispiel für das Lernen in der Schule. Genauso erinnert sich der Körper an bereits überstandene Krankheiten. Born:

    Unsere Hypothese ist, das der Schlaf insbesondere die Gedächtnisbildung fördert. Das heißt auch auf immunologischer Ebene Prozesse fördert, die dazu führen, das vielleicht diese Gedächtnis-Zellen in vermehrter Weise produziert werden. Und das diese Zellen dann auch stabiler sind, das heißt länger im Blut verweilen und länger aufrecht erhalten werden.

    Tagsüber ist der Körper ständig mit der Abwehr von Erregern aus seiner Umwelt beschäftigt. Jeder Kontakt mit einem anderen Menschen überflutet das Immunsystem mit Antigenen. Im Schlaf ist dieses Bombardement unterbrochen. Der Körper kann ungestört Gedächtniszellen produzieren. Zentral gesteuert wird die Immunabwehr von den Hormonen. Sie werden im Gehirn produziert. Auch dabei wirkt sich Schlaf positiv aus: Tanja Lange:

    Zum Beispiel das Cortison, das eine Immunantwort unterdrückt, ist sehr niedrig. Und immunstimulierende Hormone wie zum Beispiel das Wachstumshormon sind erhöht, so dass alles perfekt ist für eine Immunantwort. Die stimulierenden Hormone werden vor allem im Tiefschlaf produziert ? allerdings nur, wenn er lang genug dauert. Ein gesunder Schläfer muss deshalb nicht unbedingt früh ins Bett gehen. Jan Born:

    Die erste Hälfte des Schlafes, nicht die erste Hälfte der Nacht ist wichtig. Egal, wann er diese Hälfte stattfinden lässt. Es sei denn er geht zu sehr rein und macht die Nacht durch und schläft erst tagsüber. Man muss dann davon ausgehen, dass auch Immunfunktionen in Mitleidenschaft gezogen werden durch einen solchen Tagschlaf.

    Ältere Menschen, Nachtschichtarbeiter und Menschen mit chronischen Schlafstörungen haben deshalb ein geschwächtes Immunsystem. Bis jetzt haben die Wissenschaftler der Uni Lübeck die Wirkung des Schlafs noch nicht bis ins Detail erforscht. Vielleicht werden Mediziner irgendwann eine maßgeschneiderte Schlaftherapie für Infektionskrankheiten entwickeln. Aber das wird wohl noch einige Jahre dauern.