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Heim für verbrannte Dichter

Die Sammlung des Münchner Georg Salzmann ist einzigartig. Der Bibliomane trug ausschließlich Erstausgaben verfemter und verbrannter Bücher zusammen: Thomas Mann, Else Lasker-Schüler, Erich-Maria Remarque und Paul Zech - Hunderte und Tausende. Die öffentlichen Institute scheuen aber einen Ankauf der Exilbibliothek, denn Salzmanns Sammlung hat vor allem musealen Wert. Nun aber scheint sich doch eine Lösung abzuzeichnen - in Bayern.

Von Bernd Noack |
    " ...das hier oben ist der komplette Carl Zuckmayer. Daneben ist der absolut komplette Joseph Roth. Diese Reihe ist der absolut - wenn ich absolut sage, dann ist das lückenlos, da fehlt also nichts mehr - Erich Maria Remarque, drunter ist der komplette Theodor Plievier. Diese vierte Reihe ist der, bis auf zwei frühe Theaterstücke, der komplette Oskar Maria Graf. Drunter ist der komplette Hans Habe, die untere Reihe ist der komplette Robert Neumann... "

    Georg P. Salzmann steht im Keller seines Hauses in München-Gräfelfing und zählt ohne große Mühe seine Schätze den Regalreihen nach auf. Mehr Anstrengung kostet es da schon, sich überhaupt in diesen engen, mit Borden und Tischen vollgestellten Räumen zu bewegen. Die Bücher, weit über 10 000 mögen es hier unten sein, türmen und reihen sich bis unter die Decke, sie scheinen aus dem Boden zu wachsen, überall tun sich neue Stapel auf, sie liegen quer und übereinander.

    Vor knapp 65 Jahren wurde auf öffentlichen Plätzen in Deutschland vor all diesen Schriftsteller-Namen noch der Satz "Ich übergebe den Flammen die Werke von..." gegrölt: bei den Bücherverbrennungen 1933 versuchten die Nazis in ihren Augen "undeutsches Kulturgut" publikumswirksam und für immer zu vernichten - es ist ihnen nicht gelungen, wie man im Haus von Georg P. Salzmann feststellen kann. Der 80jährige besitzt heute die größte und kompletteste Privatsammlung der Titel, die als "verbrannte Bücher" in die unrühmliche Geistesgeschichte Deutschlands eingegangen sind. In über vier Jahrzehnten hat Salzmann die Erstausgaben von cirka hundert einst geächteten und später vergessenen deutschsprachigen Autoren zusammengetragen.

    Aber jetzt steht er in seinem einzigartigen Museum, das im Keller nur äußerst unzulänglich untergebracht ist, und der Stolz auf seine Bemühungen wird von Sorgen überschattet.

    " Drei Probleme: Platz, Statik und Wasser. Das ist, was mich echt bedrückt. Nicht das Weggeben, sondern das ist der Grund, weswegen ich mich mit dem Gedanken anfreunden muss, mich davon zu trennen: Ich habe keine Mög-lichkeit das einzuordnen. Es gibt ja so Regale, die man da hinstellt... aber dann kann man sich überhaupt nicht mehr rühren. Ich kann dieses Problem nicht lösen und ich hab auch keine Idee, wie man das hier anders machen kann. "

    Seit Jahren bemüht sich Salzmann darum, dass die Bibliothek ein neues, festes, öffentlich zugängliches Zuhause findet. Mit verschiedenen Kommunen war er schon im Gespräch, aber bislang scheiterte eine sachgerechte Übernahme meist am Kaufpreis: 450 000 Euro will der Besitzer derzeit noch dafür haben.

    Doch auf einmal scheint Bewegung in die festgefahrene Angelegenheit zu kommen: die Stadt Nürnberg ist ernsthaft an der Bibliothek interessiert. Oberbürgermeister Ulrich Maly:

    "Wir haben angeboten, dass die Salzmann-Bibliothek, wenn der Freistaat Bayern sie kauft, bei uns in Nürnberg sicherlich gut zur Geltung käme. Kaufen werden wir sie nicht, das ist, denke ich, Sache des Freistaats, da gibt es ja auch Verhandlungen und Gutachten, die seit Monaten, wenn nicht Jahren, laufen. Wir haben gesagt, wir können es uns gut vorstellen in zweierlei Hinsicht: zum einen als Ausstellungsstück. Die schiere Zahl der Bücher, die damals verbrannt worden sind, ist ja ein Fanal der Intoleranz für sich genommen. Und zum anderen aber auch mit pädagogischer Betreuung als Präsenzbibliothek, wo eben junge Menschen, Schulklassen, Jugendgruppen die Bücher, die von den Nazis damals "dem Feuer übergeben" worden sind, wie es geheißen hat, studieren können und sich Gedanken darüber machen können warum das so war."

    Vor ein paar Tagen hat Maly diesbezüglich an Noch-Ministerpräsident Stoiber geschrieben und ihn gebeten, sich des Finanzierungsproblems anzunehmen. Ist das gelöst, wobei daran gedacht ist, auch Stiftungen und private Spender mit einzubeziehen, stünde einer Verwirklichung von Salzmanns Traum in Nürnberg nichts mehr im Weg. Maly auf jeden Fall hat sehr konkrete Vorstellungen, was die Präsentation der Sammlung angeht: sie sollte im Dokumentationszentrum auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände unterkommen. Die Belastungen, die sich für Nürnberg ergeben würden, schrecken der Oberbürgermeister nicht ab.

    " Natürlich gibt es Folgekosten. Aber wer davor Angst hat, der braucht sich nicht drum zu bewerben. Ich gehe jetzt mal, neben den konservatorischen Kosten, von den Hauptkosten aus: das ist die historische, die germanistische, die literarische Betreuung. Die Ausstellung selbst, also "das Fanal der Intoleranz", sage ich mal, das man da aufstellt, das ist sicher unter konservatorischen Gesichtspunkten hinzukriegen mit - bei uns im Dokuzentrum, weil da ja auch Fläche vorhanden ist - überschaubaren Kosten. Dass es das nicht zum Nulltarif gibt, das weiß ich. Nur: Auseinandersetzung mit der Nazi-Vergangenheit gibt's nie zum Nulltarif. "