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"Heimat ist in den Köpfen"

An dem Festival "Black Lux" nehmen vor allem Künstler mit schwarzer Hautfarbe und deutschem Pass teil. Im Untertitel nennt sich das Programm aus Performances, Ausstellungen und szenischen Lesungen nicht ohne Ironie "Ein Heimatfest aus schwarzen Perspektiven".

Von Eberhard Spreng | 04.09.2013
    Zwei farbige Schauspieler schauen sich den weitgehend unbekannt gebliebenen Fassbinder-Film "Whity" an und kommentieren die Handlungsmuster eines schwarzen Dieners einer südamerikanischen Farmerfamilie. Sie kommentieren den Prozess seiner Selbstbefreiung, seines Empowerment, wie es zeitgenössische Aktivisten nennen würden und unterhalten sich über ihre Erfahrung in der Arbeit mit weißen Regisseuren, über diese merkwürdige Geniertheit, die den Umgang zwischen Menschen verschiedener Hautfarben in diesem Land prägt.

    Die Videoinstallation "Black Mirrors: Memory, Body. Identity" ist Teil des Festivals "Black Lux", an dem vor allem Künstler mit schwarzer Hautfarbe und deutschem Pass teilnehmen. Im Untertitel nennt sich das Programm aus Performances, Ausstellungen und szenischen Lesungen nicht ohne Ironie "Ein Heimatfest aus schwarzen Perspektiven" Ballhaus Co-Direktor Wagner Carvalho erklärt warum.

    "Wir wissen, wie schwierig der Begriff Heimat in Deutschland sein kann. Aber wir haben das ganz bewusst ausgewählt, weil wir sagen: Heimat ist in den Köpfen. Wir sprechen über das Zuhause. Wir haben etwas mitgebracht, das verlieren wir nicht. Wir werden Erfahrungen sammeln und dann wird das Land zu einem Zuhause. Darum geht es, sich Zuhause fühlen."

    Das ist nicht immer leicht, solange Menschen mit schwarzer Hautfarbe, egal ob sie hier geboren wurden, deutsch sprechen oder nicht, in diesem Land selektiven Kontrollen ausgesetzt sind. "Racial Profiling" beklagte so etwa auch ein Vertreter des Vereins "Each one teach one" und nannte als weitere Schwerpunkte seines antirassistischen Pädagogikprojektes: "Black Facing" und das N-Worte zumal in der Kinderliteratur. Die an rassistische Minstrel-Shows vor mehr als 100 Jahren erinnernde Praxis, dass weiße Schauspieler mit schwarz geschminkten Gesichtern auf der Bühne auftreten, sowie die geforderte Tilgung des Wortes "Neger" aus Kinderbüchern hatten schon vor Monaten zu Feuilletondebatten geführt.

    Anthony Baggette greift das Problem des Racial Profiling auf und erweitert es vom Verhalten von Polizisten und anderen Amtspersonen hin zu einem gesellschaftlichen Phänomen: New Orleans und seine vor allem schwarzen Opfer des Hurricane Katrina blieben ohne Hilfe. Er slamte in der Lesungen "Arriving in the Future", mit Beispielen von schwarzer Literatur in den USA und Deutschland.

    Nicht alles, was in den ersten Tagen des Black-Lux-Programms zu sehen war, ist geeignet, die Debatte um schwarze Identitäten in Deutschland voranzubringen. Allzu naiv und bemüht war die szenische Lesung von Label Noir "Statt dessen bin ich immer noch auf dem Weg".

    Ausgehend von dem Nina Simone Song "Four Women" befragt Annabel Guérédrat weibliche Identitäten und Körperbilder. "You might think I’m crazy, but I’m serious". Die in Neu-Kaledonien geborene Choreografin betont dabei, der amerikanischen Schriftstellerin Audre Lorde folgend, dass die Befreiungsbewegung schwarzer Frauen keinesfalls die schwarze Version des weißen Feminismus’ ist.

    Ein Kurzfilmprogramm brachte die gern verdrängte deutsche Kolonialgeschichte zumal in Kamerun zu Bewusstsein und thematisierte die Suche von Kindern in gemischten Ehen nach ihrer deutsch-afrikanischen Identität. Vieles hat bei Black-Lux Werkstattcharakter, ist dramaturgisch Stückwerk auf der Suche nach einem noch zu entwickelnden deutschen Bewusstsein für die Tatsache, dass schwarze Menschen selbstverständlich Teil von Kultur und Gesellschaft sind.