Die Grundschule 214 im Zentrum von Sankt Petersburg. Es ist Freitag abend. Normalerweise ist es in Schulen still um diese Zeit. Nicht aber hier. In einem Klassenraum sitzen 15 Schüler im Halbkreis, erwachsene Schüler. Sie versuchen, einfache Sätze zu bilden, Sätze auf Finnisch.
""Ich heiße Anton und wohne in Sankt Petersburg. Von Beruf bin ich Ingenieur.”
"Mein Name ist Irina Kaihelainen. Ich komme aus Veliky-Novgorod, bin Sekretärin.”"
Jeden Freitag drücken sie die Schulbank. Der Ingenieur, die Sekretärin, die Ärztin, der Buchhalter. Hinter sich eine stressige Woche, vor sich drei Stunden Finnisch-Unterricht. Fremde Buchstaben, sperrige Wörter, andersartige Grammatik. Aber sie sind motiviert.
" "Im nächsten Herbst werden sie nach Finnland umsiedeln. Ich bereite sie auf den Sprachtest vor. Der Test ist im Mai.” "
Finnisch-Lehrer Vladimir Kokko, gelichtetes Haar, dicke Brillengläser, um die 50. Kokko ist Chef des Inkerin Liitto, des Verbands der Ingermanländer, einer mit den Finnen verwandten ethnischen Minderheit. Kokko hat den Verband mit aufgebaut. Mitte der 80er Jahre, in der Gorbatschow-Ära. Man will erhalten, was von den Resten finnischer Sprache und Kultur in und um Sankt Petersburg noch übrig ist.
Einst lebten hier rund 160:000 Ingermanländer. Ihre Vorfahren kamen bereits im 17. Jahrhundert. Die Sowjetmacht betrieb ihren Exodus. Was Stalin in den 30er Jahren nicht schaffte, wurde nach dem Zweiten Weltkrieg vollendet:
" "Das Endresultat der Nationalitätenpolitik von Lenin bis Stalin war, dass es im Ingermanland, unser Heimat, kaum noch Ingermanländer gab. Tausende wurden nach dem Krieg in andere Teile der Sowjetunion zwangsumgesiedelt. Für die Sowjetbehörden existierten wir nicht.”"
In den letzten 15 Jahren hat sich vieles zum Positiven verändert, sagt Kokko. In Sankt Petersburg kennt man mittlerweile den Verband. Es gibt 15 finnischsprachige lutherische Gemeinden und ein Altenheim. An einigen Schulen wird Finnisch unterrichtet.
" "Die Behörden sind uns recht wohlgesonnen. Sankt Petersburg hat ganz andere Sorgen: Drogenabhängige, Straßenkinder, Kriminalität. Wir dagegen restaurieren Kirchen, gründen Altenheime und pflegen die Beziehungen nach Finnland.” "
Am Preobrazhenskaya-Platz liegt das Generalkonsulat von Finnland. Warteschlangen vor der Visa-Abteilung. Für tausende Sankt Petersburger ist der nordwestliche Nachbar ein beliebtes Urlaubsziel. Für viele Ingermanländer ist Finnland das Ziel eines neuen Lebens, sagt Konsul Olli Kuukasjärvi.
" "Anfang der 90er Jahre begann sich Finnland für Ingermanländer zu öffnen. Vor allem aus humanitären Gründen. Die Finnen fühlten sich in der Schuld gegenüber ihren ethnischen Verwandten. Man wollte ihnen die Möglichkeit geben, in die Heimat ihrer Vorväter zurückzukehren. Deshalb werden sie in Finnland auch Heimkehrer genannt.” "
Knapp 25.000 Ingermanländer hat Finnland bereits aufgenommen. Ein Prozess, der nicht reibungslos verlief. Mangelnde Finnisch-Kenntnisse erschwerten ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt und ihre Integrierung. Jetzt ist die Lage besser. Auch, weil im Jahr 2004 die Kriterien der Umsiedlung verschärft wurden. Jeder Umsiedler muss zunächst auf die Schulbank und sich ein Mindestmaß an Finnisch-Kenntnissen und Wissen über die finnische Kultur und Gesellschaft aneignen. Die meistgefürchtete Hürde ist die Finnisch-Prüfung. Konsul Kuukasjärvi:
" "Der Unmut über die schärferen Kriterien war zunächst groß. Aber die Wellen haben sich gelegt. Die Sprachkurse werden vom finnischen Außenministerium finanziert und sind für die Teilnehmer kostenlos.” "
Rund 9000 Ingermanländer warten derzeit auf ihre Umsiedlung nach Finnland. Die Zahl der Anträge geht aber zurück. Zum einen, weil die Zahl der in Russland lebenden Ingermanländer deutlich abnimmt. Zum anderen, weil die verbesserten Lebensbedingungen in Sankt Petersburg den Wunsch auf Umsiedlung dämpfen. Für Alexander Grivlov, mitte 40, Teilnehmer am Sprachkurs in der Grundschule 214, kommt dennoch nur Finnland in Frage:
" "Wenn in Russland die politische und wirtschaftliche Lage gut ist, besteht eigentlich kein Bedarf, nach Finnland zu gehen. Aber was für mich zählt, ist die saubere Natur dort. Außerdem habe ich Verwandte und Freunde in Finnland.” "
""Ich heiße Anton und wohne in Sankt Petersburg. Von Beruf bin ich Ingenieur.”
"Mein Name ist Irina Kaihelainen. Ich komme aus Veliky-Novgorod, bin Sekretärin.”"
Jeden Freitag drücken sie die Schulbank. Der Ingenieur, die Sekretärin, die Ärztin, der Buchhalter. Hinter sich eine stressige Woche, vor sich drei Stunden Finnisch-Unterricht. Fremde Buchstaben, sperrige Wörter, andersartige Grammatik. Aber sie sind motiviert.
" "Im nächsten Herbst werden sie nach Finnland umsiedeln. Ich bereite sie auf den Sprachtest vor. Der Test ist im Mai.” "
Finnisch-Lehrer Vladimir Kokko, gelichtetes Haar, dicke Brillengläser, um die 50. Kokko ist Chef des Inkerin Liitto, des Verbands der Ingermanländer, einer mit den Finnen verwandten ethnischen Minderheit. Kokko hat den Verband mit aufgebaut. Mitte der 80er Jahre, in der Gorbatschow-Ära. Man will erhalten, was von den Resten finnischer Sprache und Kultur in und um Sankt Petersburg noch übrig ist.
Einst lebten hier rund 160:000 Ingermanländer. Ihre Vorfahren kamen bereits im 17. Jahrhundert. Die Sowjetmacht betrieb ihren Exodus. Was Stalin in den 30er Jahren nicht schaffte, wurde nach dem Zweiten Weltkrieg vollendet:
" "Das Endresultat der Nationalitätenpolitik von Lenin bis Stalin war, dass es im Ingermanland, unser Heimat, kaum noch Ingermanländer gab. Tausende wurden nach dem Krieg in andere Teile der Sowjetunion zwangsumgesiedelt. Für die Sowjetbehörden existierten wir nicht.”"
In den letzten 15 Jahren hat sich vieles zum Positiven verändert, sagt Kokko. In Sankt Petersburg kennt man mittlerweile den Verband. Es gibt 15 finnischsprachige lutherische Gemeinden und ein Altenheim. An einigen Schulen wird Finnisch unterrichtet.
" "Die Behörden sind uns recht wohlgesonnen. Sankt Petersburg hat ganz andere Sorgen: Drogenabhängige, Straßenkinder, Kriminalität. Wir dagegen restaurieren Kirchen, gründen Altenheime und pflegen die Beziehungen nach Finnland.” "
Am Preobrazhenskaya-Platz liegt das Generalkonsulat von Finnland. Warteschlangen vor der Visa-Abteilung. Für tausende Sankt Petersburger ist der nordwestliche Nachbar ein beliebtes Urlaubsziel. Für viele Ingermanländer ist Finnland das Ziel eines neuen Lebens, sagt Konsul Olli Kuukasjärvi.
" "Anfang der 90er Jahre begann sich Finnland für Ingermanländer zu öffnen. Vor allem aus humanitären Gründen. Die Finnen fühlten sich in der Schuld gegenüber ihren ethnischen Verwandten. Man wollte ihnen die Möglichkeit geben, in die Heimat ihrer Vorväter zurückzukehren. Deshalb werden sie in Finnland auch Heimkehrer genannt.” "
Knapp 25.000 Ingermanländer hat Finnland bereits aufgenommen. Ein Prozess, der nicht reibungslos verlief. Mangelnde Finnisch-Kenntnisse erschwerten ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt und ihre Integrierung. Jetzt ist die Lage besser. Auch, weil im Jahr 2004 die Kriterien der Umsiedlung verschärft wurden. Jeder Umsiedler muss zunächst auf die Schulbank und sich ein Mindestmaß an Finnisch-Kenntnissen und Wissen über die finnische Kultur und Gesellschaft aneignen. Die meistgefürchtete Hürde ist die Finnisch-Prüfung. Konsul Kuukasjärvi:
" "Der Unmut über die schärferen Kriterien war zunächst groß. Aber die Wellen haben sich gelegt. Die Sprachkurse werden vom finnischen Außenministerium finanziert und sind für die Teilnehmer kostenlos.” "
Rund 9000 Ingermanländer warten derzeit auf ihre Umsiedlung nach Finnland. Die Zahl der Anträge geht aber zurück. Zum einen, weil die Zahl der in Russland lebenden Ingermanländer deutlich abnimmt. Zum anderen, weil die verbesserten Lebensbedingungen in Sankt Petersburg den Wunsch auf Umsiedlung dämpfen. Für Alexander Grivlov, mitte 40, Teilnehmer am Sprachkurs in der Grundschule 214, kommt dennoch nur Finnland in Frage:
" "Wenn in Russland die politische und wirtschaftliche Lage gut ist, besteht eigentlich kein Bedarf, nach Finnland zu gehen. Aber was für mich zählt, ist die saubere Natur dort. Außerdem habe ich Verwandte und Freunde in Finnland.” "