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Heimlich und in Street Views Schatten?

Datenschutz.- Mit "Places" hat nun auch Facebook einen Geodatendienst ins Leben gerufen – vor Kritik gut geschützt, weil quasi im Windschatten von Googles Street View. Einzelheiten erläutert Wissenschaftsjournalist Marcus Schuler im Interview mit Manfred Kloiber.

28.08.2010
    Manfred Kloiber: Facebook und Google – die beiden Internetdienste können sich ja vor Kritik von Datenschützern und Politikern im Moment jedenfalls kaum noch retten. Google hat es in diesem Monat besonders hart getroffen, wegen seines Geodatendienstes Streetview. Jetzt hat auch Facebook einen neuen Geodatendienst freigeschaltet, er heißt Places, also Orte. Damit können die Nutzer ihren eigenen Aufenthaltsort freigeben und sichtbar für die Freunde machen. Zunächst ist dieser Dienst nur auf die USA beschränkt, er soll aber auch nach Europa kommen. Marcus Schuler, wie funktioniert eigentlich Facebook Places?

    Marcus Schuler: Der neue Dienst macht vom mobilen Endgerät aus besonders Sinn. Sprich: Man muss ihn mit dem Mobiltelefon nutzen. Dort kann man dank GPS-Satelliten-Navigation die eigene Position bis auf wenige Meter genau bestimmen. Klickt man dann auf seinem Android-Telefon oder dem iPhone auf den "Places"-Knopf, dann wird einem angezeigt, welche Geschäfte in der Nähe sind und in welchen von denen Menschen, mit denen ich bei Facebook als "Freund" verbunden bin, schon einmal waren oder sich gerade befinden. Ich kann in einem Restaurant, in dem ich mich beispielsweise gerade aufhalte, dann "einchecken". Das heißt, meine Facebook-Freunde können sehen, wo ich mich gerade aufhalte. Außerdem gibt es die Möglichkeit, meine Freunde, mit denen ich mich vielleicht dort aufhalte, ebenfalls mit "einzuchecken". Diese Funktion lässt sich aber, wie viele andere, in Facebook deaktivieren. Auch ein einchecken durch dritte kann ich also löschen, beziehungsweise grundsätzlich untersagen.

    Kloiber: Und welchen Nutzen verspricht sich Facebook von der Einführung dieser Geo-Lokation, der Ortungsmöglichkeit?

    Schuler: Als Nutzer kann man auf seinen Aufenthaltsort abgestimmte Werbung erhalten. Experten in Amerika bewerten diesen lokalen und regionalen Anzeigenmarkt mit einem zweistelligen Milliardenbetrag. Aber noch hält man sich bei Facebook hier zurück, eine Vermarktung oder gar Werbung gibt es nicht. Dies sei im Augenblick auch nicht geplant, versichert man in der Firmenzentrale in Palo Alto. Gleichwohl können sich Geschäfte bei Facebook anmelden. Dies aber nur, um so im Places-Dienst gefunden zu werden und sogenannte Fan-Seiten aufzumachen.

    Kloiber: Es gibt ja schon ähnliche Dienste, Gowalla und Foursquare. Was sagen die Konkurrenten zu dem neuen Dienst?

    Schuler: Dennis Crowley, der Mitbegründer von Foursquare, einem der beiden führenden Lokalisierungsdienste in den USA, hat Places in einem Interview mit der britischen Zeitung Daily Telegraph diese Woche als "langweilig" bezeichnet. Facebook ist mit seinem Geo-Location-Dienst recht spät dran. Es gibt in den USA bereits zahlreiche andere Dienste, die sich auf diesem Gebiet spezialisiert haben. Foursquare mit seinen 2,5 Millionen Benutzern oder Gowalla sind hier zu nennen. Yelp ist meiner Meinung nach der cleverste Dienst: Er stellt mir basierend auf meinen Ortsangaben dar, welche Geschäfte sich in meinem unmittelbaren Umkreis befinden inklusive einer detaillierten Bewertung der Benutzer.

    Kloiber: Facebook hat ja geschätzte 500 Millionen Mitglieder. Die dürften eigentlich doch diesen Diensten ziemlich viele Benutzer abjagen, oder?

    Schuler: Ob das tatsächlich passieren wird, muss man abwarten. Bei Facebook will man den anderen Diensten die Möglichkeit geben, sie über eine Schnittstelle zu integrieren. Foursquare, Gowalla und Yelp wollen diese Möglichkeit auch nutzen. Ich glaube, davon können nachher beide Seiten profitieren.

    Kloiber: Kommen wir zurück auf den Datenschutz: Was sagen eigentlich Sicherheitsexperten und Datenschützer zu diesem neuen Angebot?

    Schuler: Wenige Stunden nach dem Start des nur in den USA zunächst funktionierenden Dienstes hat sich gleich die deutsche Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner zu Wort gemeldet und vor der Sammelwut der sozialen Netzwerke gewarnt. Datenschützer befürchten, dass die Nutzer zu gläsernen Menschen werden und jeder Schritt, den man tut, nachvollziehbar wird.

    Kloiber: Ist die neuerliche Kritik denn nachvollziehbar?

    Schuler:
    Mittlerweile mehren sich die Stimmen, und das sind nicht nur die Blogger, die die derzeitige Kritik für überzogen und vorschnell halten. Jene Menschen argumentieren, dass ortsbezogene Informationen immer wichtiger würden und dass sie auch einen sinnvollen Charakter haben könnten. Sie werfen den Facebook-Kritikern vor, solche Entwicklungen vorschnell mit Verweis auf den Datenschutz abzukanzeln. Diese Sichtweise sei, so die Argumentation, bisweilen technikfeindlich. Hinzu kommt: Facebook scheint aus der Kritik der Vergangenheit gelernt zu haben. Vor wenigen Monaten noch waren die Einstellungen zur Privatsphäre schwierig zu finden und etwas verwirrend. All das hat man geändert. Diese Einstellungen sind jetzt sehr viel leichter zu finden. So lässt sich der Lokalisierungsdienst komplett abschalten. Auch kann ich bestimmen, wem ich meine Ortungsdaten freigeben möchte. Ganz wichtig: Als Nutzer entscheidet man schlussendlich selbst, ob man an einem bestimmten Ort "einchecken" möchte oder nicht. Das geschieht nämlich nicht automatisch. Ich bin also selbst verantwortlich. Man muss dazu einen Knopf drücken. Und so ist es übrigens auch bei den meisten anderen Lokalisierungsdiensten im Netz.

    Kloiber: Marcus Schuler über Facebook Places. Besten Dank.