Eine Studie für das Bundesgesundheitsministerium führte auf die Spur der neuen Gift-Quelle. Mehrere Forschergruppen hatten untersucht, wie stark Grundnahrungsmittel mit Ochratoxin A belastet sind. Im Abschlußbericht heißt es:
Überraschend fielen die Analysen der Kindertees aus. In über der Hälfte der Proben war das Toxin nachzuweisen, wobei sich eine Probe als besonders hoch belastet erwies.
Damit hatte keiner der Wissenschaftler gerechnet. Denn Tee galt eigentlich als frei von Schimmelpilz-Giften. Inzwischen ist das Rätsel gelöst: Die belasteten Kräuter-Tees für Kinder enthielten alle Süßholz- oder Lakritzensaft. Der wird aus der Wurzel von Süßholzsträuchern gewonnen und zum Beispiel aus China importiert, aus Rußland und einigen Mittelmeerländern.
Als Würzdroge ist er nicht nur Bestandteil von Haus-Tees. Auszüge der Süßholzwurzel dienen auch als Wirkstoff in Arzneimitteln, etwa in Lutschpastillen und Säften gegen Erkältungskrankheiten, ferner in Bronchial-, Nieren- und Blasentees. Eine charakteristische Zutat ist das pflanzliche Produkt zudem in Süßigkeiten - in Lakritzstangen, Lakritzschnecken und Lakritzpastillen. Auch Spirituosen werden bisweilen mit Süßholzsaft aromatisiert.
Wie sich jetzt herausstellt, kommen alle diese Lebens- und Arzneimittel als heimliche Quelle für Ochratoxin A in Betracht. Das zeigt eine aktuelle Studie der Bundesforschungsanstalt für Ernährung in Karlsruhe. Die Autoren wiesen Ochratoxin A sowohl in Süßholzwurzel selbst nach wie auch in Lakritz-Süßwaren. Die Proben stammten aus Apotheken, Drogerien, Reformhäusern, Bioläden und Lebensmittel-Geschäften.
Die Studie ist jüngst von einer Fachzeitschrift für Ernährung veröffentlicht worden. Demnach enthielt jede zweite Probe Süßholzwurzel Spuren des Schimmelpilz-Giftes. Original-Zitat aus der Karlsruher Arbeit:
Es gibt keine Garantie dafür, daß ein Produkt frei von Ochratoxin A ist, nicht einmal beim Kauf in der Apotheke.
Auch im Fall von Lakritz-Naschzeug wurde die Karlsruher Arbeitsgruppe fündig. Ihr Fazit:
Die Annahme, auch diese Süßigkeiten könnten mit Ochratoxin A kontaminiert sein, wurde bestätigt. Lakritz-Süßwaren sind zwar kein bedeutender Bestandteil der menschlichen Ernährung. Wie sich herausstellte, enthalten sie aber vergleichsweise hohe Ochratoxin-A-Konzentrationen. Es ist deshalb empfehlenswert, den Gehalt des Giftes in diesem Nahrungsmittel zu reduzieren.
Mit dem Süßholz-Problem befaßt sich auch das Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin, BgVV. Eine fachliche Bewertung für das Bundesgesundheitsministerium liegt inzwischen vor. Darin kommt das BgVV zu dem Schluß, "die gefundenen Spitzenbelastungen" mit Ochratoxin A seien "problematisch".
Einen gesetzlichen Grenzwert für das Schimmelpilz-Gift gibt es bisher nicht - weder in Lebensmitteln noch in Medikamenten. Das BgVV gibt aber ein Höchstlimit für Rohprodukte an, das die Hersteller mit heutigen Technologien ohne weiteres einhalten könnten. Dieser Höchstwert werde im Fall von "Eukalyptus-Menthol-Pastillen und auch eines Bronchial-Tees deutlich überschritten", so das BgVV in seiner Stellungnahme.
Die Fachbehörde sieht deshalb Handlungsbedarf, ganz im Sinne eines vorbeugenden Verbraucherschutzes. Im Klartext heißt das:
Insbesondere bei Kleinkindernahrung und Arzneimitteln fordert das BgVV die Hersteller auf, toxinfreie oder sehr gering belastete Komponenten einzusetzen.