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Heinrich-Schütz-Musikfest 2018
Klang zwischen Krieg und Frieden

Bad Köstritz, Dresden und Weißenfels - an diesen Orten hat der Komponist Heinrich Schütz gewirkt und dort findet alljährlich im Oktober ein Musikfest statt. Die Jubiläumssaison stand unter dem Motto "Verley uns frieden" und bot dem Publikum reizvolle und spannende Konzerterlebnisse.

Von Claus Fischer | 15.10.2018
    Historische Zeichnung aus dem 19. Jahrhundert, Portrait von Heinrich Schütz, 1585 - 1672,
    Das Leben und Arbeiten des Komponisten Heinrich Schütz war durch den Dreißigjährigen Krieg und seine Auswirkungen geprägt (picture alliance/dpa - imageBROKER)
    Musik: Schütz, "Verleih uns Frieden"
    Eindrücklicher kann man die Bitte um Frieden kaum artikulieren, als in dieser Motette. Sie stammt aus der Sammlung "Geistliche Chormusik", die Heinrich Schütz 1648, im letzten Jahr des Dreißigjährigen Krieges, in Dresden veröffentlicht hat.
    "Wenn wir uns Heinrich Schütz angucken, dann wissen wir auch dass das wichtige berufliche Leben als Hofkapellmeister durch die 30 Jahre Krieg geprägt waren, auf allen Ebenen, sowohl persönlich als auch professionell," sagt die Intendantin des Schütz-Musikfestes Christina Siegfried.
    Trost durch Schütz' Musik
    Der Verlust seiner Ehefrau und die Dezimierung seiner Hofkapelle machten Schütz schwer zu schaffen. Dennoch verstand er es, vielen Menschen Trost durch seine Musik zu geben, weshalb man ihn auch als "Lumen Germaniae", also als "Licht Deutschlands" bezeichnet hat.
    "Ich denke, dass so jemand wie ein Heinrich Schütz, der einfach viele Sprachen gesprochen hat, der ganz offene Ohren und einen weiten Geist hatte, musikalische Inspirationen, von wo auch immer her, denen begegnet ist und zu was eigenem verwandelt hat. Ich glaube, das ist so ein Punkt, wo man sagt: Wie konnte denn eigentlich in diesen furchtbaren Zeiten und zerrütteten Zeiten solche Musik entstehen?"
    Beim ersten Wochenende des Schütz-Musikfestes wurde eine interessante dramaturgische Verbindung geknüpft zwischen dem Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges und dem Ende des ersten Weltkrieges, das sich ja in diesen Tagen zum 100. Mal jährt. Dessen Folgen, wie die Weltwirtschaftskrise, klingen an - in den "Liedern eines armen Mädchens", die der Komponist Friedrich Hollaender für seine Ehefrau, die Diseuse Blandine Ebinger komponiert hat. Die Sopranistin Dorothee Mields - in diesem Jahr Artist in Residence beim Festival - führte diese Lieder auf, gekoppelt mit Arien und Lamenti der Schütz-Zeit. Begleitet wurde sie dabei von der Lautten-Compagney Berlin mit frühbarockem Instrumetarium. Eine reizvolle Idee.
    Dominanz des vertonten Wortes
    Lamenti des frühen 17. Jahrhunderts und Chansons der Goldenen Zwanziger Jahre – beide haben mehr gemeinsam, als man vordergründig vermutet, sagt Dorothee Mields. Denn beiden leben von der Dominanz des vertonten Wortes.
    "Die Themen sind, finde ich sehr ähnlich, was Vertreibung, Not, Elend, Hunger angeht. Auch die Art und Weise, wie mit einem Humor zum Einen das eigene Elend beschaut wird, zum Anderen aber auch immer, ja mit dem Himmel, mit dem Jenseits geliebäugelt wird, was ein ganz großes Thema bei Hollaender, bei Liesken Puderbach, dem 'armen Mädchen' in seinen Liedern ist, dass sie sich immer wegträumt in eine andere Welt!"
    Die Verbindung zwischen 17. und 20. Jahrhundert, sie ging auf, nicht zuletzt dank der brillanten Gabe von Dorothee Mields, den Worten musikalisches Leben zu geben. In einem anderen Konzertabend ergänzten sich gesprochenes Wort und Tastenmusik. Zu einer Lesung aus dem im letzten Jahr erschienen Roman "Tyll" von Bestseller-Autor Daniel Kehlmann, der im Dreißigjährigen Krieg spielt, steuerte der niederländische Cembalist und Organist Bob van Asperen passende Kompositionen bei, darunter "Batallien", also "Schlacht-Musiken". Im intimen Ambiente des authentischen erhaltenen ehemaligen Wohnhauses von Heinrich Schütz in Weißenfels ein besonderes eindrückliches Erlebnis.
    Zwei neue Werke von Reiko Füting
    Dass Heinrich Schütz auch in der Musik der Gegenwart rezipiert und reflektiert wird, zeigte ein Konzert mit den Ensembles AuditivVokal Dresden und L'Art d'Echo unter Leitung von Olaf Katzer. Im Mittelpunkt des Abends standen zwei neue Werke von Reiko Füting, der in Dresden studiert hat und heute als mehrfach preisgekrönter Komponist in New York lebt und arbeitet. Die Besetzung spannend: ein zehnköpfiges Sängerensemble, dazu ein fünfköpfiges Gambenconsort und ein Schlagwerkensemble, rund ums Publikum gruppiert. Die Titel der Kompositionen: "als ein Licht" und "in allem frieden". Als Inspirationsquelle dienten Reiko Füting Vokalkompositionen von Heinrich Schütz. Die Verarbeitung des historischen Materials erfolgt in den Werken stringent und organisch - so die Meinung von Olaf Katzer, dem Dirigenten des Abends.
    "Man hat quasi den Eindruck, dass es ein Gewebe ergibt und der Schütz in Füting eingewoben ist, wie ein Netz, wie ein Teppich."
    Reiko Fütings Musik könnte man als ein modernes Gebet um Frieden beschreiben. Ihre Wirkung war enorm, auch aufgrund des ungewöhnlichen Aufführungsorts im Militärhistorischen Museum Dresden - in einer Halle mit rund zehn ausrangierten Panzerfahrzeugen, in der der noch immer der Geruch von Kettenöl in der Luft liegt.
    Das Thema des diesjährigen Heinrich-Schütz-Musikfestes, es kam in vielfältiger Weise zur Sprache. Die kluge, auf unsere Zeit bezogene Dramaturgie von Intendantin Christina Siegfried ging auf. Heinrich Schütz und seine Zeitgenossen, betont sie, stellen uns mit ihrem musikalischen Humanismus in schweren Zeiten vor allem eine wichtige Frage.
    "Wie bereit sind wir denn, diese demokratische, diese freiheitliche Grundordnung zu verteidigen? Und wenn dann eben Extreme über die Straßen laufen und Hitlergrüße zeigen oder ein jüdisches Restaurant tätlich angreifen, dann sind wir an der Stelle, wo wir sagen müssen: 'Halt! Hier gibt es Grenzen!'"