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"Heinrich von Herzogenberg - Piano Quartet op. 75 etc."

Ich möchte Sie mit dem lobenswerten Engagement bekannt machen, das die belcanto strings und der Pianist Andreas Fröhlich für den spätromantischen Komponisten Heinrich von Herzogenberg zeigen. Bei dem Versandlabel cpo ist nun die zweite CD mit Werken des Brahms-Freundes und -Verehrers erschienen, und dem späten Klavierquartett e-moll op.75 hört man denn auch an, wer der Übervater dieses vielleicht doch verkannten Meisters war: * Musikbeispiel: Heinrich von Herzogenberg - aus: Klavierquartett e-moll op. 75 Der Beginn des e-moll-Klavierquartetts von Heinrich von Herzogenberg, gespielt von den belcanto strings und dem Pianisten Andreas Frölich. Die belcanto strings sind Wolfgang Schröder, Daniel Raiskin und Ramon Jaffé, und sie machen ihrem Namen durchaus Ehre, zu Recht übrigens. Den gebürtigen Grazer Heinrich von Herzogenberg muss man eben doch anders spielen als den Hamburger Brahms. Darin bestehen oder zumindest bestanden auch die Rezeptionsprobleme. Herzogenberg war Brahms auf sehr komplizierte Art verbunden. Seine Frau Elisabeth, eine geborene von Stockhausen, hatte als junge Klavierschülerin von Brahms bei diesem wohl mehr als nur pädagogisches Interesse geweckt. Die lebenslange Freundschaft zwischen dem Paar und dem großen Einzelgänger war nicht unproblematisch. Herzogenberg war eine Weile in Leipzig, ging dann jedoch nach Berlin, wo er als hochgeachteter Kompositionslehrer tätig war. Besonders reizvoll, aber immer noch kaum beachtet, sind die Kirchenkompositionen des Katholiken Herzogenberg für den protestantischen Gottesdienst, in denen vor allem auch der Versuch unternommen wird, den hergebrachten Choral und damit eigentlich den Gemeindegesang in die musikalische Spätromantik zu integrieren; hier zeigte sich der Einfluss eines anderen engen Freundes, das Bach-Forschers Spitta.

Norbert Ely |
    In der Kammermusik schien Herzogenberg ganz Brahmine zu sein, und der Vorwurf des Epigonentums traf ihn schon zu Lebzeiten regelmäßig, wohl auch zwischen den Zeilen von seiten Brahms' selbst. So einfach indes liegen die Dinge nicht. Herzogenberg ging beim Komponieren denn doch von grundsätzlich anderen melodischen Modellen aus als sein Vorbild, von Modellen, die sich nicht so weitgehend atomisieren lassen, sondern viel stärker auf ihrer integralen Gestalt beharren. So musste die thematische Arbeit geradliniger, weniger komplex ausfallen. Herzogenbergs Musik ist leichter, auch eleganter und verbindlicher, und die Noblesse, mit der die belcanto strings sich dieser Kammermusik nähern, bringt sogar in das Klavierquartett völlig zu Recht einen geistvollen Konversationston ein, der auf die ganz anderen Qualitäten dieses Komponisten aufmerksam macht. Dabei ist das e-moll-Klavierquartett randvoll von Biografie. Es entstand Anfang der 1890er Jahre, vor allem während des langen und frühen Sterbens von Elisabeth von Herzogenberg. Und der zweite Satz, Andante quasi Allegretto, ist von schöner Melancholie erfüllt. Dieser Herzogenberg war ein hochgebildeter stiller Dulder und eben keiner, dem die Kraft gegeben war, sich aufzubäumen, wogegen auch immer. * Musikbeispiel: Heinrich von Herzogenberg - 2. Satz aus: Klavierquartett e-moll op. 75 Die belcanto strings und der Pianist Andreas Frölich mit dem 2.Satz aus dem Klavierquartett e-moll von Heinrich von Herzogenberg. Wie ganz anderes klingt die Musik dieses Komponisten im Jahr 1877, als er sich dem längst abgestorbenen Genre des Streichtrios zuwandte. Da spürt man denn doch noch viel deutlicher, dass Herzogenberg seine Wurzeln im Süden hatte. Für ihre neue cpo-CD haben die belcanto strings das Trio a-moll op.27,1 eingespielt, und zweifellos stellt auch dieses Werk eine überraschende Bereicherung des Repertoires dar, gerade wenn mit so leichter Hand musiziert wird wie hier: * Musikbeispiel: Heinrich von Herzogenberg - 4. Satz aus: Streichtrio a-moll op. 27,1