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Heißer Wein für kalte Tage

Der deutsche Marktführer für Glühwein ist in Nürnberg zu Hause. Dort hatte das Familienunternehmen Gerstacker nach dem Krieg als erstes gemerkt, dass dem Bedürfnis nach etwas Wärme auf Weihnachtsmärkten am besten mit einer Rezeptur beizukommen ist, die dem Rotwein unter anderem Nelken, Zimt und Zucker beimischt.

Von Jörg Münchenberg | 01.12.2006
    Es sind bange Tage für die Glühweinhersteller. Auch beim Familienbetrieb Gerstacker in Nürnberg, Marktführer in Deutschland, werden die Wetterberichte aufmerksam verfolgt. Glühwein ist der wichtigste Umsatzbringer der fränkischen Weinkellerei, und der verkauft sich nun Mal am besten, wenn es draußen so richtig kalt ist. Trotzdem: Firmenchef und Alleininhaber Hans-Friedrich Gerstacker bleibt zuversichtlich:

    "Das Glühwein-Trinken ist so eine vorweihnachtliche Angewohnheit oder Tradition. Und da ist es natürlich hilfreich, wenn es am Sonntagnachmittag beim Spaziergang so schön kalt ist oder wenn man abends nach Hause kommt und es fröstelt. Das ist derzeit nicht der Fall. Aber der Glühwein wird geordert, der muss in die Supermärkte und geht auch dort wieder raus."

    Rund 70 Mitarbeiter beschäftigt Gerstacker, gut die Hälfte am Stammsitz in Nürnberg, die andere Hälfte im neuen Zweigwerk im thüringischen Crossen. Jährlich werden rund 20 Millionen Liter abgefüllt, angefangen von Fruchtbowlen und anderen weinhaltigen Erfrischungsgetränken im Sommer bis hin zum Glühwein im Winter, mit 10 Millionen Litern das Flaggschiff des Unternehmens. Gerstackers Vater Friedrich hatte 1945 die geniale Geschäftsidee, das Heißgetränk mit dem berühmten Nürnberger Christkindlesmarkt zu verknüpfen:

    "Früher waren Glühweine eben einfach Feuerhütte oder mit dem Kupferkessel ausgestatte Hütten, wo die Flammen züngeln. Die Verbindung mit dem Nürnberger Christkindlesmarkt-Glühwein war also unsere Idee, die sehr gut ankam beim Verbraucher und auch schnell einen hohen Bekanntheitsgrad hatte. Und im Jahr 2000, als das Patentrecht in Deutschland liberalisiert wurde, war das Wort Christkind, Christkindel schutzfähig und das haben wir uns gesichert."

    Dennoch setzt Gerstacker beim Glühwein auf ein breites Sortiment: Das Heißgetränk, das übrigens nicht kochen darf, weil sonst der Alkohol verdunstet, wird unter vielen Handelsnamen und selbst im Getränkekarton angeboten. Besonders stolz aber ist man auf das patentgeschützte Produkt Nürnberger Christkindlesmarkt-Glühwein in der Flasche, der deutlich mehr kostet als die Angebote im Tetrapak:

    "Ähnlich wie in der Küche, gute Zutaten ergeben einen guten Glühwein. Das fängst also beim Wein an. Wir haben einen italienischen Sangiovese-IGT-Wein. Das heißt, dass ist ein sehr schöner trockener, dunkler Rotwein, den man auch gerne so trinken könnte. Dazu kommt dann eine Vielzahl von Gewürzen, nicht nur ein, zwei relativ dominante Gewürze wie Nelke oder Zimt, sondern ein harmonisches Ganzes. Wir haben bis zu 18 verschiedene Gewürze."

    Zurzeit herrscht in der großen Produktionshalle Hochbetrieb. Auf Bändern laufen nicht enden wollende Flaschenreihen. Der Wein aus den hohen Chromtanks wird zunächst mit den Gewürzen gemischt, gezuckert und dann zur Abfüllanlage gepumpt. Dort werden die Flaschen gefüllt, verschlossen und etikettiert.

    ""Wir sind also hier in Nürnberg bei einer täglichen Leistung von 180.000 bis 200.000 Flaschen. Ja, da muss natürlich pro Tag ein Silozug mit 25 Tonnen Zucker schon zur Verfügung stehen."

    Zunehmend kommt auch das Ausland immer mehr auf den Glühweingeschmack. Mittlerweile exportiert Gerstacker in 14 verschiedene Länder. Weil aber heißer, aromatisierter Wein eine deutsche Tradition ist, sind vor allem die direkten Nachbarländer die Hauptabnehmer. Doch selbst in den USA konnte der Absatz in den letzten Jahren gesteigert werden, einige Paletten finden sogar den Weg bis nach Japan. Gerstacker sieht sich für die Zukunft gut gewappnet: Mit dem Federweißen konnte das Herbstprogramm ausgebaut werden und auch der neu eingeführte Ökoglühwein sei, so heißt es, ein voller Erfolg. Schließlich muss sich der Senior auch um die Nachfolge keine Sorgen machen:

    "Ich habe meine Kinder gefragt, und die haben gesagt, ja, wir wollen das weiter machen. Und jetzt sind beide seit einem Jahr in dem Geschäft. Wenn die mich mal zur Seite schubsen, dann geht es in der nächsten Generation weiter."