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Heißes Nest, schlauer Nachwuchs

Eine Eidechsenart aus Australien läuft bei höheren Temperaturen zur Topform auf. Je wärmer das Nest, desto cleverer wird der Nachwuchs, berichten Forscher von der Universität in Sydney.

Von Marieke Degen |
    Joshua Amiel ist Herpetologe, also Experte für Kriechtiere, an der Universität von Sydney. Er beschäftigt sich mit Skinken, das sind kleine Eidechsen, genauer gesagt mit einer ganz bestimmten Skink-Art mit drei dunklen Streifen auf dem Rücken. Joshua Amiel sammelt sie in den Brindabella Ranges, einer Bergkette im Südosten Australiens. Durch den Klimawandel ist es dort in den letzten Jahren immer wärmer geworden, sagt der Forscher. Und das könnte zu einer überraschenden Entwicklung führen.

    "Die Skinke könnten in Zukunft größer, schneller und wahrscheinlich sogar schlauer werden."

    Joshua Amiels Kollegen haben schon vor Jahren entdeckt: Je wärmer die Nester sind, umso besser für den Nachwuchs. Die Skink-Embryos saugen dann mehr Eidotter auf und werden größer und schneller. Aber auch schlauer?

    "Ich habe mir gedacht: Wenn die Echsen in wärmeren Nestern so gut gedeihen, dann könnte es doch auch sein, dass ihre Gehirne besser entwickelt sind. Wir wollten also herausfinden, ob sie auch besser lernen können. Denn je besser sie sich an ihre Verstecke oder Futterquellen erinnern, desto größer ist ihre Überlebenschance."

    Joshua Amiel hat Eier der Skinke in einem Brutschrank ausgebrütet. Die einen bei einer Durchschnittstemperatur von 22 Grad, die anderen bei einer Durchschnittstemperatur von 16 Grad. Dann hat er die Lernfähigkeit der jungen Eidechsen getestet.

    "Wir hatten eine Plastikbox mit zwei Höhlen. Beide sahen gleich aus, aber nur eine war offen, sodass sich die Echsen darin verstecken konnten. Ich habe die Echsen in die Mitte gesetzt und ihnen auf den Schwanz geklopft, also einen Angriff simuliert. Und dann haben wir geschaut, wie lange die Echsen dafür gebraucht haben, die richtige Höhle zu finden und wie viele Fehler sie dabei gemacht haben - also wie oft sie zur falschen Höhle gelaufen sind."

    Klare Sieger: die Echsen aus der warmen Kinderstube.

    "Wir haben jede Eidechse 16 Mal getestet. Die Echsen aus den warmen Nestern - das waren zwölf Tiere - haben sehr schnell begriffen. Beim letzten Durchgang ist nur noch eine einzige zum falschen Unterschlupf gelaufen. Ganz anders die Echsen aus den kühleren Nestern. Da ist jede zweite zur falschen Höhle geflitzt, und sie haben insgesamt viel länger gebraucht, um die richtige Höhle zu finden."

    Warum die Skinke aus den warmen Nestern besser abgeschnitten haben, ob ihre Gehirne tatsächlich besser entwickelt waren, das kann Joshua Amiel noch nicht sagen. Er will noch ein paar andere Lernexperimente machen und dann die Gehirne der Echsen sezieren. Für den Klimawandel, für die steigenden Temperaturen seien die Skinke aber auf jeden Fall gut gerüstet.

    "Durch den Klimawandel verändert sich die Umwelt rasant. Und je lernfähiger die Tiere sind, desto besser kommen sie mit diesen Veränderungen zurecht. Sie können ihre Umgebung vielleicht anders nutzen als vorher, und das erhöht ihre Überlebenschancen."

    Das trifft aber erstmal nur auf diese Skink-Art zu, betont der Biologe. Andere Echsen kommen mit den steigenden Temperaturen wesentlich schlechter zurecht. Zum Beispiel der Stachelleguan, der in der Chihuahua-Wüste in Mexiko lebt. Die Tiere flüchten vor der Hitze in ihre Höhlen, statt auf die Jagd zu gehen und zu fressen. Dadurch werden die Weibchen zu schwach, um sich fortzupflanzen. In der Chihuaha-Wüste ist schon jede zehnte Population verschwunden. So könnte es vielen Echsen auf der Welt ergehen, warnen Herpetologen. Wenn die Temperaturen weiter steigen, dann könnte bald jede fünfte Echsenart ausgestorben sein.