Archiv


Heißhunger auf Asparagus

Bevor der Spargel gestochen werden kann, muss erst die Folie vom so genannten Spargeldamm gezogen werden – der etwa 60 Zentimeter hohen und 280 langen künstlichen Erhöhung, in dem das Gemüse wächst. Frank Reitz, dessen Familie im hessischen Ried seit Generationen Spargel anbaut, erklärt, warum sich die Plastikfolien seit Jahren immer mehr durchsetzen:

Von Ludger Fittkau |
    Bevor der Spargel gestochen werden kann, muss erst die Folie vom so genannten Spargeldamm gezogen werden – der etwa 60 Zentimeter hohen und 280 langen künstlichen Erhöhung, in dem das Gemüse wächst. Frank Reitz, dessen Familie im hessischen Ried seit Generationen Spargel anbaut, erklärt, warum sich die Plastikfolien seit Jahren immer mehr durchsetzen:

    Da oben haben wir eine schwarz-weiße Taschenfolie, schwarz- weiß deshalb: Die schwarze Seite dreht man nach oben, wenn es kälter ist, damit sich der Damm erwärmt. Und wenn es sehr warm ist, dreht man die weiße Seite etwas nach oben, um den Ertrag etwas zu drücken, weil, wenn der Preis sowieso schlecht ist, versucht man da , etwas weniger zu ernten, um dann wieder noch Reserven zu haben, wenn es wieder kälter wird.

    Ein weiterer Vorteil der Folie: Es dringt kein Licht durch und somit verfärben sich die Spargelköpfe nicht sofort blau, wenn sie aus der Erde gucken. Deshalb müssen die 50 kroatischen Spargelstecher auf dem Sonnenhof bei Büttelborn den Foliendamm nur einmal am Tag bearbeiten, wo sie sonst zweimal stechen würden. In den letzten Jahren hat Frank Reitz seine Spargel-Anbaufläche Stück für Stück erweitert. Doch ob das so weitergehen kann, hängt nicht zuletzt von der gesamtwirtschaftlichen Lage ab:

    Das wirkt sich schon aus, wenn es mehr Arbeitslose gibt, die sagen dann, wir haben nicht so viel Geld, kaufen wir dieses Jahr mal nicht so viel Spargel, warten wir, bis wir wieder mehr Geld haben (...) ja, man merkt´s schon.

    Doch auch, wenn seine Kunden die 4 bis 7 Euro für den Kilo Spargel dieses Mal nicht mehr so locker aus der Tasche ziehen wie in den vergangenen Jahren - im hessischen Ried wird niemand schnell die Anbaufläche reduzieren - auch Frank Reitz nicht:

    Die Spargel werden ja angelegt auf acht bis zehn Jahre und wenn ich nächstes Jahr dann keinen anlege, weil ein schlechtes Jahr ist: Vielleicht ist es in zwei Jahren besser und dann habe ich dann keinen. Das ist das Problem.

    Während es am 19. Mai auf dem Hoffest der Reitzes bei hausgemachten Spargelgerichten mit Blasmusik und der Tanzgruppe der Bezirkslandfrauen eher zünftig zugehen wird, geht man einen knappen Kilometer weiter rund um den Spargel exotische Wege. Im Büttelborner Hotel und Restaurant "Haus Monika" wird der südhessische Spargel als Cocktail mit türkischen Flusskrebsen serviert oder als Salat mit finnischem, kaltgeräuchertem Rentierschinken . Küchenchef Holger Gries kann über Resonanz nicht klagen: J

    Ja, gerade in der ersten Woche, in den ersten Tagen der Spargelzeit, ist es natürlich extrem: die Leute sind hungrig, sind heiß drauf (...) Wir haben Leute, die sind von München, die kommen extra zu unserer Spargelgala her und wir haben einen Unternehmer und wenn der es einteilen kann, kommt er extra aus England zur Spargelgala geflogen.

    Die kleinen Hotels und Gasthöfe im hessischen Ried sind vor allem während der Spargelsaison bei den Geschäftsleuten beliebt, die vom nahegelegenen Rhein-Main-Airport kommen. Im "Haus Monika" kann man in dieser Zeit für 100 Euro ein ganzes Spargel-Wochenende buchen – im Preis sind ein sogenanntes "Spargelschlemmermenü" und die Besichtigung eines Spargelhofes enthalten.

    Das benachbarte Hotel Riedstern organisiert als Zugabe sogar eine Führung im nahegelegenen Altrheingebiet des Kühkopf- dem größten hessischen Naturschutzgebiet. Bei allem kulinarischem Müßiggang ihrer Gäste bleibt für Bauern und Gastwirte eines klar: Spargel bedeutet auch in Zukunft von der Ernte bis zum Kochtopf harte Handarbeit. Holger Gries:

    Es ist Tradition bei uns im Haus, dass wir den Spargel noch selber schälen, dass wir nur ganz, ganz wenig geschälten Spargel kaufen, weil wir einfach noch ein klein bisschen besser schälen, als die Maschine. Und deshalb schälen wir über die Saison weg ne gute Tonne Spargel von Hand.

    Deshalb wird so mancher Spargelstecher oder Schäler am 23. Juni froh sein – wenn die Spargeltage im Ried mit dem Sankt Johannistag enden. Gefeiert wird das mit einem großen Jahrmarkt, in Südhessen "Kerb" genannt:

    In Büttelborn gibt es die so genannte Spargelkerb, zum Ende der Spargeltage, das wird dann extra noch mal gefeiert. Die Spargelkerb hat eine Tradition, zum Ende der Spargelkerb wird dann auch die Spargelkönigin fürs nächste Jahr gewählt und das hat richtig Tradition.