In der Moderne musste die Heiterkeit dagegen "ins Exil": zweifellos aufgrund des modernen Mangels an tragischem Bewusstsein. Wo der Glaube an den Fortschritt bis hin zu dereinst herrschenden paradiesischen Zuständen vorherrscht, bedarf man der Heiterkeit nicht. Dass die Moderne der Versuch war, den fröhlichen Optimismus allein zur legitimen Haltung zu erklären, kommt noch im verzweifelten Positivdenken am Beginn des 21. Jahrhunderts, in der "Showmaster-Spaßigkeit", wie Weinrich sagt, unverfälscht zum Ausdruck. In dieser Orgie des oberflächlichen Optimismus sind nicht mehr allzu viele Menschen anzutreffen, an denen, wie noch Eckermann bei Goethe konstatieren konnte, ein "erhaben-heiteres Wesen" zu beobachten wäre, also eine Haltung, die vieles überblickt, zeitlich, räumlich, sachlich, und vieles gelten lassen kann, auch Abgründiges und Widersprüchliches: denn dies ist gegenüber dem Ernst des Lebens die höhere Heiterkeit der Kunst, die hier zur Lebenskunst wird.
Zwei Denker des 19. Jahrhunderts, die im modernen Optimismus ein Verhängnis sahen, kamen gegen dessen Eigendynamik nicht an: Schopenhauer und Nietzsche. Sie erinnerten jedoch wieder an das ursprünglich philosophische Verständnis von Heiterkeit, denn in der Tat handelt es sich um einen der ältesten Begriffe der Philosophie, dessen Geschichte in Demokrits Abhandlung "Über die Heiterkeit" aus dem 5./4. Jahrhundert v. Chr. ihren Anfang nahm. Davon ist bei Weinrich nicht mehr die Rede, aber bei dem guten alten Plutarch, der im 1./2. Jahrhundert n. Chr. unter seinen etwa 80 "Moralia" genannten Abhandlungen eine der Heiterkeit widmete, deren Übersetzung ins Deutsche (mit einigen weiteren Texten) endlich wieder neu aufgelegt worden ist. Dass der heitere Mensch kein Gelingen im Leben anstreben sollte, um nicht getroffen zu werden vom "Schmerz über eine nicht gestillte Sehnsucht": das lässt sich von Plutarch lernen. Wenn wir dies versäumen, überfällt uns in der Seele irgendwann die "Reue", die mit ihren Stichen gleichsam der Seele Blut abzapft. Heiterkeit heisst: Ein Leben ohne Reue zu führen, denn die Reue wäre schlimmer als aller Kummer über das, was ohnehin nicht in unserer Macht steht. Es sind die "schönen Tätigkeiten", die keine Reue nach sich ziehen. Heiterkeit, so lässt sich daraus schliessen, erwächst mit der Realisierung des Schönen, womit, wenn man es zu übersetzen versucht, nichts anderes als das uneingeschränkt Bejahenswerte gemeint sein kann, das, denkt man es konsequent, auch seine unvermeidlichen Einschränkungen noch als bejahenswert begreift.
So wird Heiterkeit vielleicht doch wieder zu einem sinnvollen Begriff für unsere eigene Zeit. Denn es ist wohl an der Zeit, davon abzulassen, immer nur die allgemeine Fröhlichkeit zu simulieren. Wenn Heiterkeit keine Angelegenheit der Moderne war, so fügt ihre Wiederkehr sich in die Konstellation einer anderen Moderne, die sich, wie die Moderne, zwar weiterhin um Veränderung und Verbesserung bemüht, ohne jedoch allzu optimistische Illusionen damit zu verbinden. Irgendwann wird die Frage nämlich nicht mehr lauten, ob die Heiterkeit denn am Platz sei, sondern: Ob ein Leben ohne Heiterkeit überhaupt lebbar ist.