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Heizen oder hungern

Fast jeder vierte britische Haushalt muss mehr als zehn Prozent seines Einkommens für Strom und Gas ausgeben. Seit Jahren bekommt die Regierung diese sogenannte Energiearmut nicht in den Griff.

Von Ruth Rach |
    Die Strom- und Gasrechnungen wachsen mir über den Kopf, klagt Brenda Jones, 51. Brenda hat drei Jobs, dennoch kommt sie kaum über die Runden. Wie viele Geringverdiener hat sie einen Münzzähler: Auf diese Weise kann sie sich jeden Penny einteilen. Aber bei Münzzählern kassieren die Energieversorger - unter dem Stichwort Mehraufwand - besonders hohe Preise ab. Brenda Jones zahlt fast ein Viertel mehr als der Durchschnittsverbraucher.
    Besonders verbittert ist sie darüber, dass sich ihre Situation ausgerechnet unter der Labour Regierung so verschlechtert habe: Im Bereich der sozialen Gerechtigkeit habe Labour so viel versprochen, und so wenig gehalten.

    Tatsächlich gelobte Labour, bis zum Jahr 2016 werde kein englischer Haushalt mehr an Energiearmut leiden. Rentner, Kranke und bedürftige Familien mit Kindern sollten sogar schon im Verlauf dieses Jahres von Energiearmut befreit werden. Leere Versprechungen, sagen Kritiker. Doch Energieminister David Kidney verteidigt sich.

    "Zunächst gelang es uns, vier Millionen Haushalte aus der Energiearmut herauszuholen. Aber die Kostenexplosion der letzten sechs Jahre hat uns einen Strich durch die Rechnung gemacht","

    … so David Kidney. Nun wolle die Regierung die Rolle der Aufsichtsbehörde Ofgem stärken. Private Energielieferanten müssten zu einer transparenteren Tarifstruktur gezwungen werden. Außerdem müsse man sicherstellen, dass die Anbieter auch alle Preissenkungen prompt an die Verbraucher weitergäben.

    Seit dem Jahr 2000 hat die Labour Regierung 20 Milliarden Pfund – etwa 21 Milliarden Euro – ausgegeben, um die Energiearmut in GB zu bekämpfen. Unter den Maßnahmen: das sogenannte "Warm Front" Programm, das Mittel für Wärmedämmung und den Austausch von ineffizienten, alten Heizungen bereitstellt. Leider kamen zu viele Anfragen: Nun betragen die Wartezeiten für Installationen bereits ein halbes Jahr. Wesentlich zuverlässiger sind die staatlichen Heizzulagen, allerdings nur für Rentner bestimmt. Sie bekommen jeden Winter 250 Pfund, ab 80 Jahren sogar 400 Pfund. Und wenn die Temperaturen sieben Tage lang kontinuierlich unter null liegen, kommen weitere 25 Pfund pro Woche hinzu. Aber nur für Sozialhilfeempfänger.

    ""Das reicht hinten und vorne nicht, sagt der Rentner John Mann. Zahlreiche Leute stünden vor der Entscheidung: hungern oder frieren."

    Bislang bezahlen die Energiefirmen knapp ein Prozent ihres Umsatzes in einen Fonds zur Finanzierung von Niedrigtarifen für besonders bedürftige Haushalte. Doch die Regelungen sind komplex, viele finden sich in dem Tarifdschungel nicht zurecht. Gerade ältere Leute scheuen davor zurück, die ihnen zustehenden Vergünstigungen zu beantragen. Und so moniert denn auch der Verbraucherschutz "Consumer Focus", dass die Sozialtarife nur einem winzigen Prozentsatz von Haushalten zugutekämen. Nach Ansicht der Organisation sollten sich die Energiefirmen mit mindestens vier Prozent ihres Umsatzes an der Finanzierung von Niedrigtarifen beteiligen.
    Aber auch für den Gesundheitsbereich hat der Kälteeinbruch gravierende Folgen. Je niedriger die Temperaturen, desto mehr Kältetote seien zu erwarten – vor allem unter Rentnern, sagt Yvonne Doyle vom britischen Gesundheitsministerium.

    "Die genauen Zahlen für dieses Jahr kennen wir noch nicht, aber wir müssen mit 20 bis 40.000 zusätzlichen Todesfällen rechnen. Schon im letzten Jahr hatten wir auf der Insel mehrere ungewöhnliche Kälteeinbrüche – auch da lag die Zahl der Opfer deutlich höher."

    Inzwischen hat die Labour-Regierung schon wieder einen neuen Plan ins Auge gefasst: sogenannte smart meters. Bis zum Jahr 2020 soll jeder britische Haushalt mit einem intelligenten Energiezähler ausgerüstet werden, der dem Verbraucher genau aufzeigt, wie er seinen Energieverbrauch am besten steuern kann. Wie hilfreich diese Einrichtungen für die einkommensschwächsten Verbraucher sein werden, ist fraglich. Vor allem wenn die Energiepreise weiter anziehen. Dann werden unweigerlich noch mehr britische Haushalte in finanzielle Nöte geraten.