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Heizung für vereiste Windräder

Energie.- Windkraft gilt als die vielversprechendste Quelle erneuerbarer Energien. Windparkbetreiber klagen aber vor allem in den Wintermonaten über ein bestimmtes Problem: Eis auf den Rotoren. Schweizer Forscher wollen nun Abhilfe schaffen.

Von Monika Seynsche | 01.03.2011
    Die Flügel des Windrads drehen sich auf einer Anhöhe in der Nähe der schwedischen Stadt Härnösand. Kalter, feuchter Wind bläst von der Ostsee heran. Eiskristalle setzen sich auf die Rotorblätter – mehrere Millimeter dick.

    "Wenn sich das Eis löst, können Stücke von einem Kilogramm und mehr weggeschleudert werden und zwar mehrere hundert Meter weit. Das ist natürlich gefährlich."

    Aber es sei nicht das einzige Problem, erzählt Rolf Westerlund von der schwedischen Messinstrumenten-Firma Holooptics. Er hat das Windrad im Winter 2008/2009 überwacht. Fünf Monate lang rund um die Uhr. Seine Messinstrumente haben die Windgeschwindigkeiten registriert, die Eisdicken und die Stromproduktion der Windturbine. Und genau die nimmt rapide ab, sobald sich Eis auf den Rotorblättern bildet. Denn das Eis verändert die Form und verschlechtert damit die Aerodynamik der Flügel.

    "Es kommt darauf an, wie viele Stunden lang das Eis mindestens einen Millimeter dick ist. Ab dieser Dicke fangen die Verluste an. Bei unserer Turbine waren es insgesamt 500 Stunden. Sie hat in diesem Winter durch das Eis 15 Prozent weniger Strom produziert. Auf ein ganzes Jahr übertragen sind das immerhin noch fünf Prozent Verlust."

    Fast alle Windenergieanlagen in Schweden haben im Winter Probleme mit Eis. Entweder produzieren sie weniger Strom, oder sie müssen ganz abgeschaltet werden, wenn sich zu viel Eis gebildet hat. Ähnlich sieht es in Finnland aus, in Teilen Deutschlands und in der Schweiz.

    "Es ist in der Schweiz so, dass die windigen Standorte allesamt in exponierter Lage sind, das heißt, ab etwa 900 oder 1000 Meter über Meer und auf diesen Höhen muss man in den Wintermonaten regelmäßig mit Vereisung rechnen."

    Deshalb wollte René Cattin untersuchen, was sich gegen die Vereisung der Windenergieanlagen tun lässt. Der Geograf leitet den Bereich Meteorologie beim Forschungsunternehmen Meteotest in Bern. Um das Eis loszuwerden, basteln zahlreiche Firmen an Ideen und Prototypen: von beheizbaren Matten auf den Rotorblättern, über spezielle Beschichtungen, von denen die Wassertröpfchen abperlen bis hin zu Gummimatten, die sich aufblasen und so das Eis absprengen, ähnlich wie bei den Flügeln von Kleinflugzeugen. Aber serienmäßig auf dem Markt erhältlich ist bislang nur ein System, dass die Rotorblätter von innen erwärmt.

    "Das ist im Prinzip ein Warmluftfön an der Blattwurzel, der warme Luft in den Flügel hineinbläst ... durch vorgefertigte Kanäle und unterwegs hat's noch Ventilatoren, die die warme Lluft weiter transportieren."

    Die Rotorblätter erwärmen sich, das Eis schmilzt und die Windenergieanlage kann wieder ihre volle Leistung bringen. Allerdings verbraucht die Heizung auch Strom. René Cattin und seine Kollegen wollten deshalb herausfinden, ob es sich überhaupt lohnt, die Flügel zu beheizen. Seit 2009 überwachen sie zwei baugleiche Windräder im Schweizer Jura, eins mit eingeschalteter, eins mit ausgeschalteter Rotorblattheizung. Auf beiden Anlagen sind Eisdetektoren installiert.

    "Sobald sich Eis auf den Flügeln bildet ist die Aerodynamik der Flügel gestört und die Produktion verringert sich. Das heißt, wenn man gleichzeitig eine Windmessung hat auf der Anlage kann man sich daraus rechnen wie viel die Anlage produzieren sollte und wenn man das vergleicht mit der tatsächlich produzierten Leistung und eine starke Abweichung vorliegt, kann man davon ausgehen, natürlich wenn die Temperatur unter null Grad Celsius ist, dass da Vereisung vorherrscht."

    Dann springt in der einen Anlage automatisch der Warmluftfön im Inneren der Rotorblätter an, in der anderen passiert nichts.

    "Es hat sich gezeigt, eine Anlage ohne Blattheizung hat einen Verlust von etwa zehn Prozent eingefangen, also zehn Prozent weniger Energie produziert als eigentlich vom Wind her möglich gewesen wäre. Und dank dieser Heizung konnte dieser Verlust auf etwa drei Prozent minimiert werden, also ein Gewinn von sieben Prozent bezogen auf die jährlich produzierte Energie."

    Beheizte Rotorblätter könnten sich also rechnen, zumindest für Windräder auf Bergen und in hohen Breiten.