Am Morgen, mittags und abends: Den ganzen Tag lang nutzen wir warmes Wasser, von dem ein großer Teil im Abfluss verschwindet.
"Das ist in erster Linie warmes Wasser von der Küche oder vom Bad, was dann quasi ungenutzt in die Kanalisation fließt."
Der Ingenieur Hakan Kurc arbeitet seit über zehn Jahren daran, diese ungenutzte Wärmequelle anzuzapfen. Er ist Projektleiter für Abwasserwärme bei den Berliner Wasserbetrieben. Das Prinzip klingt einfach: In große Abwasserkanäle der Stadt, durch die die dreckige Brühe fließt, werden Wärmetauscher gelegt – lange spiralförmige Rohre, die die Wärme aufnehmen und auf eine andere Flüssigkeit übertragen. Diese transportiert sie dann zu einer Wärmepumpe in der Nähe.
"Wärmepumpen, um es mal einfach zu sagen, das hat im Prinzip jeder zu Hause. Ein Kühlschrank arbeitet zum Beispiel mit der Wärmepumpentechnologie."
Nur dass es bei einer Wärmepumpe im Heizungskeller umgekehrt funktioniert. Die kühlt das Abwasser leicht ab, um damit zu heizen.
"Wir geben die Wärme in den Raum und das Medium, das kälter wird, ist dann unser Abwasser. Also da nehmen wir die Energie raus."
Nur wenige Pilotprojekte
Verschiedene Studien schätzen, dass sich drei bis vier Prozent des gesamten deutschen Wärmebedarfs aus dem Abwasser decken ließe. Doch gibt es bislang nur vereinzelte Pilotprojekte, zur Beheizung von neu gebauten Möbelhäusern, Baumärkten oder kleineren Wohnquartieren. Bevor die Wärmeenergie des Abwassers breit genutzt wird, gibt es noch etliche Hürden, sagt Mike Böge vom Institut für Rohrleitungsbau der Jade Hochschule Oldenburg.
"Es ist ein bisschen mühselig, aber man ist eben abhängig vom Kanal. Und da muss man erst einmal genau schauen, was da wirklich fließt, auch zur Nachtzeit."
Gleichzeitig darf der Hauptzweck des Kanals nicht gestört werden: Die Wärmetauscher dürfen den Kanal nicht zu stark verengen, damit das Abwasser weiter fließt. Und dann wäre da noch die Frage nach der Wirtschaftlichkeit.
"Das haben wir auch schon gehabt. Anfragen in diese Richtung sind im Nichts verlaufen, da dann plötzlich durch eine Reduzierung des Gaspreises die Abwasserwärmenutzung nicht mehr rentabel war."
Dabei ist die Technik mittlerweile ausgereift. Mussten Kanäle vor zehn Jahren noch begehbar sein, um Wärme zu ernten, lassen sich die Spiralen eines Wärmetauschers heute auch in viel schmalere Kavernen bugsieren.
"Mittlerweile ist es so, dass diese Wärmeübertrager durch besondere Einschubvarianten und Robotertechnik in nicht begehbare Bereiche eingebracht werden können. Und somit ist das Potenzial natürlich auch größer geworden.
Die richtige Heizung ist gefragt
Die letzte große Hürde ist eine praktische: Damit sich eine Wärmepumpenheizung rechnet, sollte ein Gebäude am besten über eine Fußbodenheizung oder andere Flächenheizkörper verfügen, die mit geringen Vorlauftemperaturen klarkommen. Gerade Altbauten, die in der Regel überdurchschnittlich viel Heizenergie verbrauchen, müssten dafür aber oft aufwändig renoviert werden. In Berlin geht die Sanierung des Altbaubestandes noch immer viel zu langsam voran. Hinzu kommt laut Hakan Kurc, dass bei den Berliner Wasserbetrieben das Personal fehlt, um viele neue Projekte zu stemmen. Dabei wäre das Potenzial riesig.
"Wenn man die alle zusammennimmt, sind das mehrere tausend Kilometer an Länge. Entlang dieser Wege oder Netze kann man die verfügbar machen."
Die Wärme in den Abwasserkanälen ist also da. – Sie müsste nur angezapft werden.