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Held oder Verbrecher?

Gustav Husak machte nach der Niederschlagung des Prager Frühlings alle Reformbestrebungen in der Tschechoslowakei endgültig zunichte und war auch für die sogenannte Säuberung der kommunistischen Partei verantwortlich. Doch weil er auch zu den Führern des slowakischen Nationalaufstandes gegen die Nazis im Jahr 1944 gehörte, soll ihm ein Denkmal gesetzt werden.

Von Christina Janssen |
    "Ich habe nicht damit gerechnet, und das sage ich jetzt ganz ehrlich, dass eine Gedenktafel für einen Landsmann, einen Präsidenten, so eine Protestwelle auslösen würde."

    So viel Ehrlichkeit ist entwaffnend. Doch slowakische Historiker, Intellektuelle und ehemalige Dissidenten bringt sie noch mehr in Rage: Sie überhäufen das Bezirksrathaus in Dubravka, einem Plattenbau-Stadtteil am Rande Bratislavas, mit empörten Briefen und E-Mails. Die Gemeinde will Gustav Husak, ihren berühmtesten Abkömmling, mit einer Gedenktafel am Rathaus würdigen. Ausgerechnet den Mann, der als Nachfolger des entmachteten Reformers Alexander Dubcek nach der Niederschlagung des Prager Frühlings in der Tschechoslowakei fast 20 Jahre lang für Friedhofsruhe sorgte. Der slowakische Historiker Eduard Chmelar sieht in der Auseinandersetzung ein Paradebeispiel für das Geschichtsverständnis seiner Landsleute:

    "Unser historisches Wissen, die Aufarbeitung unserer Vergangenheit, das spielt sich auf einem beklagenswerten Niveau ab. Gustav Husak war derjenige, der das totalitäre Regime hier eingeführt hat. Diese Gedenktafel ist unannehmbar, das sage ich als Bürger dieses Landes und als Historiker. Das wäre eine Huldigung. Und das ist bestimmt nicht die Art, wie man Gustav Husaks gedenken sollte."

    Viele Bewohner des einst unabhängigen Dorfes Dubravka verehren den 1991 verstorbenen Diktator aber immer noch. Bürgermeisterin Krizanova meint, gerade für die Älteren habe die Erinnerung an Husak etwas Glanzvolles. Ein Glanz, von dem in dem tristen Vorort heute nichts mehr zu spüren ist:

    "Wissen Sie, er ist immer an Weihnachten nach Hause gekommen, ins alte Dubravka. Für die Menschen hier war es wichtig, dass er sie nie vergessen hat. Und sie sind stolz darauf, dass es einen Präsidenten gab, der aus ihrem Ort kam."

    Und diesen Stolz wollen sich einige nicht nehmen lassen:

    "Ich bin für das Denkmal. Husak hat doch nur getan, was er tun musste. Irgend jemand musste es machen - wenn es nicht Husak gewesen wäre, dann wäre alles noch viel schlimmer gekommen."

    "Wenn wir 20 Jahre zurück blicken, da war er doch noch ein Held. Und jetzt sollen wir ihn plötzlich verdammen?"

    Held, Diktator oder beides? - Tatsächlich war Gustav Husak eine schillernde Figur: Während des Zweiten Weltkrieges kämpfte er im antifaschistischen Widerstand. 1944 war er einer der Führer des slowakischen Aufstandes gegen die deutschen Nationalsozialisten und das faschistische Regime unter Josef Tiso. Husak und seinen Mitstreitern gelang es, die deutschen Besatzer aus großen Teilen der Slowakei zu vertreiben. Dann aber wurden die Partisanen von der Roten Armee im Stich gelassen. All das führen die Befürworter des Husak-Denkmals nun ins Feld. Doch Kritiker wie der Historiker Eduard Chmelar lassen dieses Argument nicht gelten:

    "Sicher: Wir könnten viel Gutes aufzählen, das Husak getan hat: Er hat dafür gesorgt, dass Dubravka einen Gasanschluss bekommt, er hat Straßen bauen lassen, er hat gegen die Nazis gekämpft und so weiter.. Aber darum geht es nicht. Unter seinem Regime wurden Menschen verfolgt, Husak trägt die Verantwortung für die Menschen, die er einsperren ließ, die mit Berufsverboten belegt wurden, und nicht zuletzt für mehrere Dutzend Menschen, die an den Grenzen erschossen wurden."

    Der Lebensweg Gustav Husaks ist umso erstaunlicher, als er selbst ein Verfolgter war - nicht nur unter den Nazis, sondern auch unter den Kommunisten. Nach ihrer Machtübernahme in der Tschechoslowakei 1948 brandmarkten sie ihn als "bürgerlichen Nationalisten". Er wurde aus der Partei ausgeschlossen und zu lebenslanger Haft verurteilt. Erst Anfang der 60er-Jahre (1963) wurde er rehabilitiert - und wenige Jahre später selbst zum Diktator.

    Der Streit um Gustav Husak beschäftigt die Slowaken schon seit Monaten. Immer wieder wurde das Projekt wegen der anhaltenden Proteste aufgeschoben. Nun hat der Gemeinderat in Dubravka seine Entscheidung aber noch einmal bestätigt. Bis zum ersten Mai soll die Gedenktafel fertig sein. Und im Rathaus gehen die Verantwortlichen angesichts der landesweiten Empörung schon einmal in Deckung:

    "Die Initiative kam von den Leuten hier aus dem alten Dubravka. Das hat ja schon vor Jahren angefangen. Sie haben alles selbstständig organisiert, ohne Mitwirkung irgendwelcher Institutionen. Die sind einfach gekommen und wollten diese Gedenktafel anbringen. Dann hat der Gemeinderat darüber abgestimmt und beschlossen, dass die Tafel am Rathaus angebracht wird. Es wurde demokratisch so entschieden, und dieser Beschluss gilt."

    Doch bei aller Kritik aus dem ganzen Land: Eines ist den Husak-Anhängern gelungen: Der kleine Ort Dubravka ist in der Slowakei wieder in aller Munde. Und die Diskussion bringt das Land, das mit der Aufarbeitung seiner kommunistischen Vergangenheit gerade erst begonnen hat, einige Schritte weiter.