Mit viel Pathos in der Stimme rezitiert Radovan Karadzic aus seiner kitschigen Blut-und-Bodenlyrik, besingt sanftmütig die tiefe Liebe zu Gräsern. Der Serbe aus den montenegrinischen Bergen fühlte sich schon immer zu Höherem berufen: Poet, Mediziner, Psychiater, Präsident der bosnischen Serben, Kriegstreiber. Ein Mann mit vielen Neigungen, Abgründen und Gesichtern – wie sich bei seiner Festnahme im Sommer auf groteske Weise zeigte: Auf Fotos sah man einen schrulligen Waldschrat mit Schlapphut. Einer der meist gesuchten Kriegsverbrecher der Welt hatte im Untergrund ein perfektes Doppelleben geführt – als Alternativmediziner Doktor Dragan Dabic.
Falscher Pass, falsche Frau. Rauschebart und Kassenbrille. Nicht einmal seine Nachbarin in einem Belgrader Plattenbau schöpfte Verdacht:
"Ich wusste weder, dass er Doktor ist, noch, womit er sich genau beschäftigt. In seinem schwarzen Anzug, mit seinem schwarzen Hut kam er mir vor wie ein Künstler. Nett war er, grüßte immer zuerst: Guten Tag, Frau Nachbarin. Er war völlig normal."
Eine zwei Zimmer-Wohnung im Stadtteil Novi Belgrad war in den letzten Jahren die Basis-Station für Doktor Dabic. Von hier aus ging der Wunderheiler und Kräuterguru auf Forschungsreisen, hielt Vorträge zum Thema "Gesünder leben". Versuchte, unfruchtbare Frauen durch Handauflegen oder Magnete zu heilen, Männern mixte er Tinkturen gegen Erektionsstörungen. Und wenn es dem über 60-jährigen älteren Herrn zuviel wurde, gönnte er sich ein Gläschen Mineralwasser, in seiner Belgrader Stammkneipe um die Ecke.
An der Wand hingen Porträts der beiden Männer, die für die schlimmsten Kriegsverbrechen auf dem Balkan verantwortlich gemacht werden: er selbst, Radovan Karadzic und sein kaltblütiger General Ratko Mladic…
Bei Live-Musik auf der Gusle und serbischen Heldenliedern fühlte sich der schrullige Doktor angeblich richtig wohl. Wenn er besonders gut drauf war, fiedelte er selbst ein bisschen auf dem traditionellen Saiteninstrument – erinnert sich der Kneipenbesitzer, der gerne mit dem seltsamen Opa plauderte:
"Wir haben über Radovan und sein Heimatdorf gesprochen. Einmal habe ich ihm sogar ein Video vorgespielt, auf dem unsere beiden Nachbardörfer zu sehen sind. Sehen sie, das ist das Dorf von Radovan Karadzic, hab ich zu ihm gesagt, aber er hat mit keiner Reaktion gezeigt, wem ich das gerade erzähle…"
Völlig unbeeindruckt gab Radovan Karadzic sich auch bei seinem ersten Erscheinen vor dem Haager Kriegsverbrechertribunal, Ende Juli. Der schlohweiße Rauschebart war wieder ab. Stattdessen das gewohnte Bild vom sauberen Staatsmann im dunklen Anzug, mit Krawatte und wilder Dichtermähne:
"Ohne Rücksicht darauf, wie ich über diese Anstalt hier denke, und bei allem Respekt: Ich werde mich hier genau so verteidigen, wie ich mich gegen ein elementares Unwetter wehren würde, dem ich auch das Recht abstreite, mich anzugreifen…"
Völkermord auf dem gesamten Gebiet Bosnien-Herzegowinas, die Ermordung von fast 8-tausend Muslimen in Srebrenica, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die Beschießung und Belagerung Sarajewos – das sind nur einige Punkte aus der Anklageschrift gegen den Hauptakteur der Bosnienkriege. Egal, wie das Urteil ausfällt: Für nationalistische Serben wird Radovan Karadzic immer ein Kriegsheld bleiben, ein Kämpfer für die serbische Sache, den großserbischen Traum. Seine Verhaftung in einem Belgrader Linienbus, mit Badehose und – Häubchen im Gepäck, war ein wichtiges Ereignis, nicht nur für die serbische Gesellschaft. Unter lächerlich-banalen Umständen endet ein jahrelanges Versteckspiel, das beschämend war für alle Opfer, die jetzt auf ein bisschen Gerechtigkeit hoffen dürfen.
Falscher Pass, falsche Frau. Rauschebart und Kassenbrille. Nicht einmal seine Nachbarin in einem Belgrader Plattenbau schöpfte Verdacht:
"Ich wusste weder, dass er Doktor ist, noch, womit er sich genau beschäftigt. In seinem schwarzen Anzug, mit seinem schwarzen Hut kam er mir vor wie ein Künstler. Nett war er, grüßte immer zuerst: Guten Tag, Frau Nachbarin. Er war völlig normal."
Eine zwei Zimmer-Wohnung im Stadtteil Novi Belgrad war in den letzten Jahren die Basis-Station für Doktor Dabic. Von hier aus ging der Wunderheiler und Kräuterguru auf Forschungsreisen, hielt Vorträge zum Thema "Gesünder leben". Versuchte, unfruchtbare Frauen durch Handauflegen oder Magnete zu heilen, Männern mixte er Tinkturen gegen Erektionsstörungen. Und wenn es dem über 60-jährigen älteren Herrn zuviel wurde, gönnte er sich ein Gläschen Mineralwasser, in seiner Belgrader Stammkneipe um die Ecke.
An der Wand hingen Porträts der beiden Männer, die für die schlimmsten Kriegsverbrechen auf dem Balkan verantwortlich gemacht werden: er selbst, Radovan Karadzic und sein kaltblütiger General Ratko Mladic…
Bei Live-Musik auf der Gusle und serbischen Heldenliedern fühlte sich der schrullige Doktor angeblich richtig wohl. Wenn er besonders gut drauf war, fiedelte er selbst ein bisschen auf dem traditionellen Saiteninstrument – erinnert sich der Kneipenbesitzer, der gerne mit dem seltsamen Opa plauderte:
"Wir haben über Radovan und sein Heimatdorf gesprochen. Einmal habe ich ihm sogar ein Video vorgespielt, auf dem unsere beiden Nachbardörfer zu sehen sind. Sehen sie, das ist das Dorf von Radovan Karadzic, hab ich zu ihm gesagt, aber er hat mit keiner Reaktion gezeigt, wem ich das gerade erzähle…"
Völlig unbeeindruckt gab Radovan Karadzic sich auch bei seinem ersten Erscheinen vor dem Haager Kriegsverbrechertribunal, Ende Juli. Der schlohweiße Rauschebart war wieder ab. Stattdessen das gewohnte Bild vom sauberen Staatsmann im dunklen Anzug, mit Krawatte und wilder Dichtermähne:
"Ohne Rücksicht darauf, wie ich über diese Anstalt hier denke, und bei allem Respekt: Ich werde mich hier genau so verteidigen, wie ich mich gegen ein elementares Unwetter wehren würde, dem ich auch das Recht abstreite, mich anzugreifen…"
Völkermord auf dem gesamten Gebiet Bosnien-Herzegowinas, die Ermordung von fast 8-tausend Muslimen in Srebrenica, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die Beschießung und Belagerung Sarajewos – das sind nur einige Punkte aus der Anklageschrift gegen den Hauptakteur der Bosnienkriege. Egal, wie das Urteil ausfällt: Für nationalistische Serben wird Radovan Karadzic immer ein Kriegsheld bleiben, ein Kämpfer für die serbische Sache, den großserbischen Traum. Seine Verhaftung in einem Belgrader Linienbus, mit Badehose und – Häubchen im Gepäck, war ein wichtiges Ereignis, nicht nur für die serbische Gesellschaft. Unter lächerlich-banalen Umständen endet ein jahrelanges Versteckspiel, das beschämend war für alle Opfer, die jetzt auf ein bisschen Gerechtigkeit hoffen dürfen.