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Helden der modernen Welt

Im Jahr 2000 hat der in Berlin lebende Autor Matthias Eckoldt sein Debüt als Erzähler gegeben: Im Eichborn Verlag publizierte er den Roman "Moment of Excellence". In den Jahren danach hat Eckoldt die systemtheoretische Abhandlung "Medien der Macht - Macht der Medien" veröffentlicht, Essays und Hörspiele für den Rundfunk geschrieben und als Dozent an der Freien Universität Berlin und der Universität Greifswald gelehrt. Gerade ist sein neuer Band "Topidioten" erschienen.

Von Sigrid Brinkmann | 22.01.2009
    Die Topidioten sind detailversessen und genusssüchtig. Stets diktiert die Lust an der Exklusivität ihre Schritte. Gut gelaunt und souverän parlieren sie über das, was ihr Ansehen steigert oder den nächsten Kick verspricht. Wir treffen sie im Fitnessstudio und unterwegs mit Kinderwagen auf "Hohlkammerrädern mit Tiefbettfelge". Im Streckgips diskutieren sie Varianten des Indoor-Kitings, in der Küche die Zubereitung von Kalbsbäckchen mit Stielmus und Maisblini. Sie dozieren über Hedge-Fonds mit aktueller "underperformance", obwohl sie nicht einmal mehr eine EC-Karte besitzen. Matthias Eckoldt:

    "Die Figuren kennen alle Styles und Hypes, die es in der Gesellschaft gibt, die die Warenwelt aber auch die Lifestyle-Welt verbreiten. Das Problem dabei ist nur: Sie haben keine handlungsleitenden Motive, und ihre Lösung ist immer eine Reduktion. Man nimmt nicht das neueste Handy mit MP3-Player und Laserpointer, sondern nimmt die Gutschrift, oder kocht nicht Klapperschlangensteak mit Ingwerwurzel, sondern die Bouletten von der Mutter isst man dann zum Schluss."

    Matthias Eckoldts Stärke sind die pointensicheren, witzigen Dialoge. Mal lässt er seine Figuren schnoddrig Anweisungen geben, mal seriös argumentieren. Der Autor ist ein perfekter Stimmenimitator, den das pfauengleiche Gehabe seiner männlichen Typen amüsiert wie wohl auch fasziniert. Eine einzige Frauengestalt erfindet er. Und diese durchkreuzt denn auch kurzerhand die auftrumpfenden Spiele der Männer. All das Insider-Wissen, gibt uns Eckoldt zu verstehen, macht schlussendlich nur sprachlos.

    Seine Topidioten erschöpfen sich regelmäßig an ihren Phantasien. Das Gähnen entpuppt sich als Leitmotiv der zwölf Erzählungen.

    "Also die Ermattung der Figuren rührt aus der Kenntnis aller Möglichkeiten des sich in der modernen Welt Verhaltens und Kaufens. Das Problem der Topidioten ist, dass sie alle Möglichkeiten ausschalten müssen zugunsten einer einzigen. Und das ist ihnen zu riskant, deshalb gehen sie lieber einen Schritt zurück."

    Oder zwei Schritte. Der da gerade noch über die Extravaganz des "Plattentrash" als Utopie mitten im sozialen Abseits sinnierte, muss in Kürze seine Wohnung aufgeben und bei einem Freund in der Wagenburg unterschlüpfen. Aber selbst die Obdachlosigkeit weiß ein Topidiot zu bemänteln. Was andere verzweifeln ließe, wendet er nonchalant.

    "Man stellt sich gewissermaßen mannhaft der reinen Optionalität in der modernen Gesellschaft. Man prüft und eruiert alle Möglichkeiten, die es überhaupt gibt, zur Klage bleibt eigentlich gar keine Zeit. Die zeitgenössische Klage der Topidioten wäre eher die Müdigkeit, aber da sie Topidioten sind, merken sie nicht mal ihre Überspanntheit und auch nicht ihre eigene Lethargie, sondern gehen ohne Klagen und ohne Jammern da durch."

    Matthias Eckoldts überspannte Geister schaden niemandem. Im wahren Leben mag solch Posieren nervtötend wirken, beim Lesen haben wir vergnügte Stunden mit diesen "Helden der modernen Welt".


    Matthias Eckoldt: "Topidioten". Erzählungen
    Geb., 135 S., Kadmos Kulturverlag, 2008