Thomas Jonigk nimmt das schnelle Hire and Fire des Kindkaisers als Folie, auf der er die zeitlose Geschichte von Anbetung und Führertum erzählt - immer aus der Sicht der "anderen". Die sich scheinbar ewig hinziehende Introduktion, ein Vorstellungsreigen von Verwandtschaft und Mitläufern, ist dabei schon Teil des musikalischen Puzzles, das aus den Kaisermacherfiguren der Gesellschaft ein typisches Bild zusammensetzt: in dem jeder eigene Interessen vertritt, aber immer auch den Gesetzen des Marktes unterworfen ist. Der Werbemanager, der die Umsatzsteigerungen verbucht; die naiv-eitle Braut beim Fernsehinterview, der angepasste Lover oder die ruhmsüchtige Mutter, die sich als Ehefrau des Kindkaisers imaginiert.
Der blaue, dicke Heliogabal fungiert als Leerstelle, doppelt und dreifach sogar, als riesige Projektion hinten an der Wand oder als Kultobjekt in Form einer stilisierten Oscar-Statuette. Irgendwann ist dann aber Schluss mit lustig. Der General ruft zur Ordnung; mit der einleuchtenden Frage "Wollt ihr den totalen Alexander?" wird der nächste auf den Thron erhoben, werden Alexander-Poster zum großen Geschäft, und Heliogabal zur verlachten Witzfigur mit Taucherbrille, Flossen und weißer Zwergenmütze.
Die Kreisbewegung, die die Mechanismen des Starkult-Betriebs offen legen soll, ist dabei zugleich die große Schwäche des Stücks. Vielleicht liegt es auch an der akustischen Situation der Gebläsehalle, dass die Musik aufs Ganze gehört so gleichförmig wirkt. Es fehlt dem Werk nicht an Struktur, es fehlt am Spannungsbogen. Die Sängerinnen und Sänger treten fast ausnahmslos nacheinander vor an die Rampe einer Bühne, die nach hinten oben steil ansteigt. Das Orchester nimmt über die Hälfte des Platzes ein und begrenzt zusammen mit einem ovalen Loch im Bühnenboden die Interaktion des singenden Personals auf zwei gefährlich schmale und in der Premiere stolperanfällige Korridore. Unter allem leidet die Inszenierung. "Wo ist die Sonne?" fragt die kaiserliche Großmutter und Moderatorin Julia Maesa zum Schluss. Über der Ruhr Triennale ging sie gestern Abend nicht auf. Dass sie heute wieder scheint, das ist ebenso gewiss, wie die Daniel Kübelböcks weiter ihr sängerisches Unwesen treiben auf dieser Welt. Und nur insofern ist "Heliogabal" gelungen: zeitgenössisch, aber nicht populistisch, ist es ein bemerkenswertes Stück über den Abstand zwischen dem Leben und der Kunst.
Link: mehr ...
1189.html