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Helle Nächte

Schwarz wie die Nacht ist es in Deutschland nur noch in abgelegenen Orten. Straßenlaternen, Fassadenbestrahlung, Leuchtreklame - des Nachts herrscht gerade über Großstädten eine Lichtkulisse, die von Jahr zu Jahr heller wird. Solch eine Lichtverschmutzung macht besonders Zugvögeln zu schaffen, aber auch Menschen. Die Aussichten, wieder ein wenig Dunkel ins Licht zu bringen, sind trübe.

Von Anne Johann | 18.05.2005
    Der Nachthimmel in Deutschland ist überbelichtet. 40 Prozent der Deutschen können an ihrem Wohnort die Milchstraße nicht sehen. Der Grund dafür ist das Ablicht der Städte. Und die Verschmutzung des Nachthimmels mit künstlichem Licht nimmt stetig zu.

    Das ist nicht nur für Sternengucker ein Problem, sondern auch für die Natur. Zugvögel wie Kraniche und bestimmte Wasser- und Kleinvögel sind nachts unterwegs. Bei diesigem Wetter verwechseln die Vögel Mond und Sterne mit der Lichtglocke unter den Wolken: Deshalb verirren sich die Zugvögel nach unten und brechen dann vor Erschöpfung zusammen oder prallen gegen angestrahlte Gebäude.

    Aber nicht nur im Frühjahr und im Herbst kann zu viel Licht Schaden anrichten, auch im Sommer – bei Insekten, wie Ingrid Mayer vom Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland in Leverkusen erklärt.

    "Insekten mögen ultraviolettes Licht sehr gerne, es hat eine ungeheure Anziehungskraft auf das Insektenauge."

    Das gefährliche UV-Licht geht zum Beispiel von Straßenlaternen aus, deren Birnen Quecksilberdampf enthalten.

    "Größere Insekten sterben durch den Aufprall, bei kleineren Insekten ist es auch oft so, dass die Fühler einfach versengen. Und die Fühler, das ist ihr Hauptinstrument, mit dem sie durchs Leben kommen. Dann sind sie also auch nicht mehr lebensfähig."

    In einem Sommer verenden an einer einzigen Lampe schätzungsweise 18 000 Insekten. Eine Alternative zu Straßenlampen mit Quecksilberdampf sind Natriumdampf-Hochdrucklampen. Sie strahlen nur wenig UV-Licht aus und ziehen deutlich weniger Insekten an. Die Birnen brauchen weniger als halb so viel Energie und halten deutlich länger. Lösungsansätze gegen Lichtverschmutzung sind also vorhanden. Marita Böttcher vom Bundesamt für Naturschutz sieht die Schwierigkeiten woanders:

    "Es ist einfach im öffentlichen Bewusstsein nicht so stark präsent, dass Licht ein Problem sein kann. Ich glaube, dass viele Leute wirklich nicht darüber aufgeklärt sind, dass es Probleme mit Vögeln geben kann, weil die nachts ziehen, dass es Probleme mit Insekten gibt und dass das ein Problem ist, weil die einfach der Nahrungskette entzogen werden, und dass auch wir darauf reagieren, also beispielsweise dadurch, dass ich mich gestört fühle, wenn die Lampe in mein Schlafzimmerfenster herein scheint."

    Wie hell eine Lampe wo sein darf, damit Menschen nicht gestört werden, dazu gibt es lediglich Empfehlungen. Dass Licht schädlich sein kann, steht zwar im Gesetz, Grenzwerte sind aber nicht genannt.

    Ob eine Lampe draußen angeschaltet werden darf, bestimmen je nach Fall und Bundesland Bau-, Naturschutz- oder auch Planungsrecht. Marita Böttcher glaubt, dass öffentliches Bewusstsein hier mehr verändern kann als weitere Regelungen.


    "Wenn ich transportiere, dass auch Licht was Böses sein kann, dann komme ich vielleicht eher dazu, dass die Leute sagen, muss ich denn jetzt in meinem Garten auch noch die Beleuchtung die ganze Nacht über brennen lassen? Vielleicht auch in den Stadtparlamenten: Müssen wir alles hell erleuchtet haben? Müssen wir jedes Schloss angestrahlt haben?"

    Eine Stadt, die hier Maßstäbe setzt, ist Augsburg. Die Kommune hat schon lange auf umweltschonende Lampen umgestellt und spart so jedes Jahr circa 200 000 Euro.

    Ein anderer Störfaktor für Zugvögel und Sternengucker können gebündelte Lichtstrahlen so genannter Skybeamer sein, mit denen beispielsweise Diskotheken werben. In Hamburg wurde 2002 die Abschaltung der Strahler für Herbst und Frühjahr beschlossen. Das ist nicht leicht durchzusetzen, denn viele Betreiber melden ihre Strahler gar nicht erst an. Hessen setzt hier zum Beispiel auf freiwillige Vereinbarungen mit Gaststättenverbänden.

    Vielerorts gibt es also Einzelmaßnahmen, eine Strategie hingegen nicht. Marita Böttcher glaubt nicht, dass die Nacht in Deutschland bald wieder dunkler wird.

    "So zurücknehmen werden wir es nicht mehr können. Wir leben einfach in einer Gesellschaft, die rund um die Uhr präsent ist."