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"Hellwach dabei"

Das Bundeswirtschaftsministerium hat den Vorwurf eines zu zaghaften Einsatzes für deutsche Arbeitsplätze beim Flugzeugbauer Airbus zurückgewiesen. "Bundeswirtschaftsminister Michael Glos hat sich sehr frühzeitig, sehr massiv und, wie sich zeigen wird, erfolgreich eingeschaltet", sagte der CDU-Politiker Peter Hintze, Parlamentarischer Staatssekretär im Ministerium.

Moderation: Oliver Thoma |
    Oliver Thoma: Welche Standorte werden geschlossen, wie viele Arbeitsplätze gehen verloren? Bei Airbus gibt es immer noch keine Klarheit. Der Sanierungsplan von Airbus-Chef Louis Gallois sollte eigentlich diese Woche veröffentlicht werden, aber der Termin wurde noch einmal verschoben. Französische Zeitungen berichten allerdings schon recht konkret: Zehn Werke sollen dicht machen, davon vier in Deutschland. Varel, Nordenham, Laupheim und Buxtehude werden da genannt. Vorher haben aber Angela Merkel und Jacques Chirac noch gesprochen über Airbus und den europäischen Luft- und Raumfahrtkonzern EADS. Und nach dem deutsch-französischen Gipfel gestern im brandenburgischen Meseberg hieß es, man sei sich einig, die Lasten und Zukunftschancen müssten fair verteilt werden.

    Peter Hintze ist Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium und designierter Koordinator der Bundesregierung für Luft- und Raumfahrt. Herr Hintze, haben Merkel und Chirac denn gestern ein klares politisches Signal gegeben, ein Signal, an dem die Airbus-Verantwortlichen jetzt nicht mehr vorbeikommen?

    Hintze: Der deutsch-französische Schulterschluss zwischen Angela Merkel und Präsident Chirac schafft eine gute politische Voraussetzung für eine zeitnahe, sachgerechte unternehmerische Entscheidung bei Airbus. Ich rechne damit, dass das auch in allernächster Zeit dazu kommt.

    Thoma: Das heißt aber nicht, dass Sie den Leuten, die da arbeiten und Angst vor Arbeitslosigkeit haben, jetzt die Sorgen nehmen können, oder?

    Hintze: Ein bisschen vielleicht schon. Also das Erste ist, dass wir doch das Signal erfahren, dass auch Frankreich daran interessiert ist, dass es eine faire Aufgabenteilung zwischen den französischen Standorten, im Wesentlichen Südfrankreich, und den deutschen Standorten, neben einem Standort in Baden-Württemberg im Wesentlichen Norddeutschland, bekommen. Das ist ja schon mal wichtig, denn das war die erste Sorge auch der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, dass diese Balance nicht erhalten bleibt. Das ist schon mal eine gute Botschaft.

    Das Zweite ist, dass das Unternehmen sich bewusst ist, dass seine Mitarbeiter ein wertvolles Potenzial sind mit einer hohen Qualifikation und dass alles, was jetzt in der Weiterentwicklung des Unternehmens geschieht, um seine Wettbewerbsfähigkeit und Zukunftsfähigkeit zu sichern, dass das auch im Gespräch mit den Mitarbeitern, mit den Mitarbeitervertretungen geschieht, und dass man hier Lösungen finden will, die alle tragen können. Dass nicht alles 100 Prozent so bleiben wird, wie es heute ist, ist klar, denn dann hätte der Konzern gar nicht ans Projekt rangehen müssen. Aber er muss etwas tun, um auch mit seinem großen Mitbewerber Boeing mithalten zu können, und daran müssen letztlich auch die Arbeitnehmer interessiert sein. Denn wenn Airbus seine Wettbewerbsfähigkeit verlieren würde, dann würde es damit auch seine Arbeitsplätze und seine wirtschaftliche Kraft verlieren. Aber ich glaube, dass eine Lösung möglich ist, die doch viele mittragen können.

    Thoma: Das heißt, wie viele Arbeitsplätze werden verloren gehen trotzdem?

    Hintze: Wir müssen das in Ruhe abwarten. Der Konzern hat ja verschiedene Probleme zu lösen. Er will insgesamt etwas schlanker werden. Airbus hat eine viel größere Fertigungstiefe als etwas Boeing, also im Klartext, macht vielmehr Teile und Dinge selbst, die der andere Wettbewerber einkauft. Das Zweite ist: Airbus macht sehr vieles im eigenen Verbund, was der Mitbewerber eher mit Partnern oder auch mit Lieferanten macht, also das ist das Thema Outsourcing, das Thema Partnersuche. Da wird sicherlich noch zu sprechen sein, weil: Ich kann das gut verstehen, dass man als Arbeitnehmer bei Airbus natürlich gerne bei der Muttergesellschaft selbst beschäftigt sein wird. Das wird nicht in allen Punkten so bleiben können.

    Aber wir haben uns als Politik entschieden: Wir warten das Konzept des Unternehmens ab, denn die sind am Zuge. Wir Deutsche sind ja im Unterschied zu Frankreich auch hier in ganz anderer Weise darauf bezogen, weil: Die Franzosen halten einen Anteil an EADS selbst, in Deutschland ist die Situation anders. Aber ich glaube, dass am Ende etwas herauskommt, was die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens sichert, und das ist auch im Interesse aller Arbeitnehmer.

    Thoma: Wie schwierig ist denn diese Gratwanderung, die unternehmerische Eigenverantwortung bei Airbus zu achten, aber eben auch die politischen Grundsatzinteressen zu wahren?

    Hintze: Das ist in der Tat eine Gratwanderung, aber nun muss man mal sehen, Deutschland ist ja der größte Kunde im nichtzivilen Bereich von EADS, das ist die Mutter von Airbus, dieses große europäische Luft- und Raumfahrt- und Verteidigungssystemunternehmen. Und Wirtschaftminister Glos hat zurecht darauf hingewiesen, dass er von EADS erwartet, dass, wenn sie umstrukturieren, sie auch die Interessen ihres größten Kunden schon mit im Blick haben. Und insofern, glaube ich, muss beides geschehen. Das Eine ist, sie müssen natürlich ein wettbewerbsfähiges Unternehmen bleiben und sich entsprechend strukturieren, und sie müssen sehen, dass der Gedanke dieses europäischen Projektes, faire Balance zwischen Deutschland und Frankreich, erhalten bleibt. Und nach dem Signal, was gestern ausgegangen ist bei dem Gipfeltreffen zwischen Angela Merkel und Präsident Chirac, denke ich, das ist auch im Unternehmen auch bei den wirtschaftlich Tätigen angekommen.

    Thoma: Und ist trotzdem Deutschland im Nachteil, weil man anders als Frankreich eben kein direkter Eigentümer von Airbus ist und so weniger Einfluss nehmen kann?

    Hintze: Deutschland hat sich ja in der Vergangenheit stärker aus diesen Fragen herausgehalten. Aber wir haben jetzt die Entscheidung getroffen, bei solchen Schlüsseltechnologien, wie das die Luft- und Raumfahrt ist, da geht es ja nicht nur um die Produktion von Flugzeugen, sondern da werden neue Technologien entwickelt, da geht es um neue Materialien, das hat eine Ausstrahlung auch in andere Technik- und Produktionsbereiche hinein, doch unser Interesse hier stärker zu formulieren. Und so wie das jetzt aussieht, denke ich, dass Deutschland und Frankreich doch zu einem gemeinsamen Ergebnis kommen, obwohl auf der deutschen Seite das ja allein die unternehmerische Entscheidung eines wiederum großen deutschen Unternehmens ist, DaimlerChrysler, und wir hier nicht direkt einwirken können und auch nicht wollen. Aber es geschieht doch vor dem politischen Hintergrund, dass es ein europäisches Projekt ist, was immer von den beiden Staaten sehr stark unterstützt wurde, auf den Weg gebracht wurde, und dass das die wirtschaftlich Verantwortlichen und Handelnden bei ihren wirtschaftlichen Überlegungen auch mit berücksichtigen.

    Thoma: Hört sich ein bisschen so an, als hätten die Kritiker Recht, die gesagt haben, Deutschland hat die Entwicklung da verschlafen in der Luft- und Raumfahrttechnologie?

    Hintze: Im Gegenteil: Wir sind ja in dem Moment, wo die Weichen gestellt werden, doch hellwach dabei. Und Sie sehen, der Bundeswirtschaftsminister Michael Glos hat sich sehr frühzeitig, sehr massiv und, wie sich zeigen wird, erfolgreich eingeschaltet. Die Bundeskanzlerin hat im Gespräch mit dem französischen Staatspräsidenten hier das im Gipfel behandelt, also eine intensivere und bessere Begleitung durch die Politik kann es kaum geben, und wenn dann am Ende ein faires Ergebnis rauskommt, dann wird man auch sagen, Deutschlands und Frankreichs Interesse auch als Länder an diesen Hochtechnologien sind gewahrt worden.

    Thoma: Aber wenn es bisher so gut gelaufen ist, dann bräuchte man ja nicht einen Luftfahrtkoordinator, der Peter Hintze heißt, oder?

    Hintze: Ach, es ist, glaube ich, ganz gut, dass für diese Schlüsseltechnologie auch wieder jemand sich stärker der Sache annimmt, der speziell auch als Gesprächspartner zur Verfügung steht. Luft- und Raumfahrt, das ist ja nicht nur dieser eine große Konzern, sondern das sind ja gerade in Deutschland auch eine ganze Reihe kleiner und mittelgroßer Firmen, sehr viele aus dem mittelständischen Bereich, und für die einen Ansprechpartner in der Politik zu schaffen, sowohl für die großen Unternehmen wie für die mittleren und die kleinen, und auch unserem französischen Partner zu zeigen, wir haben jemanden auf der politischen Ebene, der speziell das politische Gesicht für dieses Thema ist, das ist, glaube ich, schon gut und auch ein sehr bewusster Schritt.

    Thoma: Herr Hintze, natürlich fliegen Sie auch viel wie jeder Politiker, aber ansonsten taucht das Wort Luftfahrt in Ihrem Lebenslauf nicht so oft auf, oder ist man als Pfarrer dem Himmel immer so nah, dass man sich da nicht mehr einarbeiten muss?

    Hintze: Das hat die "Süddeutsche Zeitung" nett so formuliert, und Sie haben es möglicherweise aufgegriffen. Es ist so: Das ist für mich ein neuer Politikbereich, das trifft zu. Was ich mit einbringen kann, ist nicht nur eine sehr qualifizierte Mannschaft im Wirtschaftsministerium, sondern auch meine europapolitische Erfahrung in einem knappen Jahrzehnt, in dem ich schwerpunktmäßig eben auf dem Feld der Europapolitik arbeite, und ich glaube, ich kann diese Verantwortung für den Bereich gut wahrnehmen.

    Thoma: Was heißt das inhaltlich, muss Airbus den A350 bauen, welche Projekte sind für Sie wichtig?

    Hintze: Also ich glaube, dass Airbus sowohl die A350-Entwicklung energisch vorantreiben muss, das fordert der Markt, das ist ganz klar. Airbus wird auch einen Nachfolger für den sehr erfolgreichen A320 und seine Familie bauen. Und jetzt kommt es halt nicht nur darauf an, dass diese Flugzeuge entwickelt und gebaut werden, sondern dass, sowohl was die Produktion angeht wie auch, was die technologischen Kompetenzen angeht, und da gibt es ja eine Reihe von Kernkompetenzen, dass es da zu einem Ausgleich kommt, dass Deutschland und Frankreich in seinen Standorten gerechte Anteile bekommt, dass nicht der eine nur die Werkbank für den anderen ist, sondern dass hier der Verstand der Ingenieure, Entwickler, Planer und Mitarbeiter so optimal eingesetzt wird, dass Airbus das führende Unternehmen im Flugzeugbau auf der Welt bleibt und dort, wo es das zu verlieren droht, wieder wird.

    Thoma: Und wir müssen noch mal sagen, EADS baut ja noch auch ganz andere Sachen, da geht es um zum Teil ja sehr sensible Technologie für Militärgeschichten und anderes auch noch.

    Hintze: EADS ist ein großer Konzern der Luft- und Raumfahrt, der Verteidigungssysteme, aber auch etwa mobile Krankenhäuser, die in Katastrophengebieten eingesetzt werden können. Also das Spektrum des Konzerns ist sehr, sehr breit. Im nichtzivilen Bereich ist Deutschland eben der größte Auftraggeber.

    Thoma: Peter Hintze war das, der Parlamentarische Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium und designierter Koordinator der Bundesregierung für Luft- und Raumfahrt. Vielen Dank für das Gespräch.