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Helmholtz-Forschungspreis
Roboter für den Menschen

Die gebürtige Südkoreanerin Dongheui Lee von der Technischen Universität München bringt Robotern das Lernen bei. Das soll sie befähigen, noch besser mit Menschen zu interagieren. Ihre Arbeit wird jetzt mit dem begehrten Helmholtz-Forschungspreis gefördert.

Von Maximilian Schönherr | 25.01.2016
    Der Roboter "Nao" mit einem Kind
    Ein Kind beugt sich zu einem Roboter herunter. (CITEC/Universität Bielefeld)
    "On this poster down there, we see a woman boxing with a robot. It that you?"
    "That's me and the robot Justin."
    Ich besuche Dongheui Lee in ihrem Büro an der Technischen Universität München. Auf dem Poster an der Wand ist die Professorin aus dem Zentrum Südkoreas mit einem menschengroßen Roboter abgebildet. Es sieht aus, als würde sie mit ihm boxen.
    Tut sie aber nicht. Sie steht direkt vor ihm und bringt ihm mit großen Armbewegungen den Tanz John Travoltas aus dem Film Pulp Fiction bei.
    Die Handbewegung, die durch Pulp Fiction berühmt wurde, geht so: Man hebt den angewinkelten Arm in Augenhöhe, spreizt Zeige- und Ringfinger und fährt mit diesem V horizontal an den Augen vorbei.
    Der humanoide Roboter war mit einem Kopieralgorithmus bestückt.
    "Er machte mir alles nach. Das klappte sehr gut. Aber er hat längere Arme als ich, also führte er die Hand nicht an den Augen vorbei, sondern höher, nämlich vor der Stirn. Ich hatte ihm ja nicht konkret gesagt, dass die Handbewegung etwas mit den Augen zu tun hat. Ihm fehlte das Verständnis für den Zusammenhang."
    Die Roboter werden aus ihren Käfigen gelassen
    Früher wäre man jetzt hingegangen und hätte den Code geändert, der den der Roboter diese Aktion ausführen lässt. Die koreanische Forscherin geht einen ganz anderen Weg:
    "Während der Roboter die zu hohe Handbewegung ausführt, fasse ich seinen Arm an und bewege ihn dezent ein wenig nach unten, sodass seine Hand nicht mehr vor der Stirn, sondern vor den Augen ist. Weil der Roboter neben dem Kopierprogramm mit einem Lernprogramm bestückt ist, schreibt er diese Korrektur in seine Datenbank und führt jetzt das Pulp Fiction-V richtig aus, also mit der Hand vor den Augen."
    Dass das so einfach geht, dass der Arm des Roboters nicht starr, sondern gefügig ist und man ihn wegdrücken kann, hängt mit einer neuen Generation von Software und Hardware zusammen. Diese "Soft Robotics" führen gerade zu einem Paradigmenwechsel, sagt Dongheui Lee: Die Roboter werden aus ihren Käfigen freigelassen.
    Kontrolle, Wahrnehmung und Lernen
    "Sehen Sie sich die klassischen Industrieroboter an. Sie sind groß und schwer und erledigen immer dieselben Aufgaben mit hoher Präzision. Weil sie das abgesperrt tun, gibt es keine Interaktion mit den Menschen. Der Arbeitsbereich des Roboters ist für den Menschen lebensgefährlich."
    Die neue Generation an Robotern ist dazu da, mit dem Menschen zu arbeiten. Die Maschinen arbeiten genauso präzise, aber sie sind leichter, und sie haben ein nachgiebiges, freundliches Grundverhalten dem Menschen gegenüber. Für die begehrte Helmholtz-Professur hat die Wissenschaftlerin vier Konzepte eingereicht, die sich alle um Kontrolle, Wahrnehmung und Lernen drehen:
    "Herkömmliche Roboter sehen zuerst, dann denken sie still vor sich hin, dann bewegen sie sich. Das entspricht dem Klischee von roboterhaftem Verhalten. Menschen sind anders. Alles passiert gleichzeitig und nicht sequenziell hintereinander."
    Nachfrage in der Forschung nach neuen Robotern
    Zur Lösung braucht man paralleles Forschen, nicht parallele Datenverarbeitung, meint die Professorin. Allein die Sensorik und das Maschinenlernen seien so hoch spezialisierte Bereiche, dass sich die Wissenschaftler selten um die Nachbardisziplin kümmern.
    Und sie tritt der Meinung entgegen, Roboter könne man völlig ohne Roboter programmieren, indem man gute Simulationen im Computer aufsetzt.
    "Wir Menschen lernen ja auch mit unserem Körper. Das Wissen steckt oft in unserem Körper, nicht nur im Gehirn. Beim Fahrradfahren müssen wir nicht jedes Mal übers Treten des Pedals nachdenken." Deswegen ist die Nachfrage in der Forschung nach neuen Robotern groß. Man braucht sie, um mit uns Menschen zusammenzuarbeiten und zu lernen.
    Dongheui Lee spricht mit Kollegen und mit uns in Englisch, denn darin ist die thematisch zuhause. Aber mit ihren österreichischen Schwiegereltern müsste Deutsch doch auch gehen? Ein kleiner Lernprozess:
    - "Ich will mit dem Preisgeld ein neues Team aufbauen – is that what you said?"
    - "Yes."
    - "Okay, then say it."
    - "Ich will mit dem Geld, mit dem Preis neues Team ausgebaut."
    - "Aufbauen."
    - "Aufbauen."