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Herbe Sahne
Popmusik mit einem guten Schuss Indierock

Die Köln-Berliner Band "Herbe Sahne" hat nun ihr Debutalbum "Sorry, das Album" veröffentlicht hat. Ihr Sänger und Songschreiber Tobi Christl hat Jazzgesang in Köln und New York studiert und ist inzwischen in ganz Deutschland bekannt.

Tobias Christl im Corsogespräch mit Anja Buchmann |
    Anja Buchmann: Sie selbst schreiben zu ihrer Musik: "Herbe Sahne ist deutschsprachiger Beschwerde- und Hoffnungspop aus Köln/Berlin. Herbe Sahne mag Philosophie, Biertische und Genitivrock."

    Genitivrock. Was soll das sein? Ich habe noch mal die Texte durchgehört und ehrlich gesagt keinen einzigen Genitiv gefunden.
    Tobias Christl: Ja, das ist auch wieder so eine Schnaps-Idee. Wir hatten mal ein Lied, das hieß "Genitiv-Rocker". Der Text ging in etwa so: Sag ruhig noch mal Genitiv-Rocker, that's what we are. Es ist, als würde einer mit der Musik, die wir machen, nichts anfangen können. Und wir sagen aber: Egal. Und bei Herbe Sahne ist es auch so, ich höre oft, dass Leute nach dem Konzert sagen: Ja, es berührt mich jetzt nicht emotional – es stellt mehr Fragezeichen in den Raum hinein, als dass man ne ganz klare Emotion besingt. Das soll aber auch so sein und vielleicht ist deswegen der Begriff Genitiv-Rock gar nicht so unpassend.
    Buchmann: Okay – Genitiv steht dann für das vielleicht etwas Verkopfte...? Das klingt schon wieder negativ, sagen wir mal, das etwas Rationalere?
    Christl: Ich sag‘s mal so: Die Texte sind ziemlich an der bayerischen Mundart dran oder kommen ein bisschen da her.
    Buchmann: Woran erkennt man das?

    Christl: An so bestimmten Redewendungen. "Wie die sich anziehen und wie die reden" - dass dann jemand mit dem Finger auf den anderen zeigt, und dass dann im Text gesagt wird: "Sind die daheim auch so"? Daheim ist ja auch ein Wort, das sagt man im Süden. Da stecken oft in den Texten solche Wörter drin. Ist eher so was Umgangssprachliches. Intellektuell würde ich das gar nicht nennen, eher so umgangssprachlich... z.B. im Café einer guten Unterhaltung zuhören und dann einen schön klingenden interessanten Satz da raus schneiden und für den Text adaptieren. Und das klingt dann oft ein bisschen zusammen geschnitten und zusammen gewürfelt – aber groß intellektuell ist das gar nicht. Ist eher lustig.
    Buchmann: Also das scheint tatsächlich Ihre Herangehensweise zu sein – dass Sie zum Beispiel in einem Cafe einen einprägsamen Satz aufschnappen und aus dieser kleinen Parzelle dann einen ganzen Songtext machen?
    Christl: Ja...Also ein Thema zu finden – mir fällt jetzt gerade "Ihr Mann" ein. Das ist ja eigentlich gar keinen Songtext wert. Aber das ist gerade der Witz dabei. Es geht um einen Künstlertypen, der nicht so recht was auf die Reihe bekommt. Der wohnt mit seiner Frau zusammen und die wird dann über den Gartenzaun von ihrer Nachbarin angesprochen... Ach das ist ihr Mann da drüben, mit dem erleben Sie bestimmt eine Menge. Aber der bekommt ja gar nichts auf die Reihe und wie es so ist für sie, mit diesem Künstler zusammen zu leben. Das ist eigentlich der ganze Text. Dann denkt man beim Zuhören: Was bedeutet das? Aber es bedeutet eigentlich nicht mehr als das. Und was mir gut gefällt in Zusammenarbeit mit dem Willi, dass es so limitierend ist. Mit dem Fokus auf ein Thema. Und eben nicht versucht wird, alles riesengroß aufzublasen.
    Buchmann: Mit diesem Song "Ihr Mann" - dem Opener des Albums, und für mein Gefühl stolpern Sie auch regelrecht in die Musik rein. Es heißt da: "Scheiße, ich wollte doch noch Texte schreiben und dann, wenn Du kommst so tun, als wäre ich mittendrin..". Finde ich einen sehr witzigen Song und auch Album-Anfang. Wie ist Ihnen diese Idee gekommen? So nach dem Motto: Eine angebetete Frau kommt vorbei und eigentlich wollten Sie noch Texte schreiben, um so zu tun als ob Sie ein cooler, wichtiger Songschreiber sind?
    Christl: Gute Frage. Das war auch vom Willi. Ich glaub es gab ein Buch, dem er diese Idee entnommen hat. Da fällt mir der Titel gerade nicht ein. Aber die Situation die gab‘s schon oft – wenn die Tür aufgeht und jemand kommt rein und derjenige denkt, man arbeitet gerade, dann tut man so, als würde man was machen, Das kennen wir glaub ich alle. Das hat ja eine gewisse Komik, das Ganze. Wieso machen wir das, wahrscheinlich wäre uns auch keiner böse, wenn wir nicht arbeiten würden oder vorgeben, es zu tun.
    Buchmann: Der Kollege, von Ihnen als Willi betitelt, heißt eigentlich Willibald, Willibald Spatz, und ist Mittexter, ist das richtig?
    Christl: Genau, der Willibald ist Mittexter. Der schreibt Bücher, Kriminalromane mit lustigem Beigeschmack, hat schon vier geschrieben, der neue heißt "Alpenburger" und er hat auch schon viele Theaterstücke geschrieben.
    Buchmann: Wie schreibt man dann gemeinsam Texte? Ist einer mal von ihm und einer von Ihnen oder wird wirklich zusammen gewürfelt?
    Christl: Nee, das ist meistens, dass einer einen mitbringt und dann sehen wir, was man hat. Oder wenn ich mich mit dem Willi treffe – ich sehe ihn ja nicht so oft, der wohnt bei Augsburg – dann bringt der einen Text mit und ich bastle ganz schnell mal eine Musik dazu. Und er sitzt daneben und sagt "ja das ist gut" oder "nee irgendwie anders" - er kann es nicht so ausdrücken, aber hat ein ganz gutes Gefühl dafür. Ich finde das super, auch mal Sachen von anderen zu vertonen. Das ist eine frische Herangehensweise, ohne dass ich mich dann selbst zu sehr dabei beobachte. Ein bisschen wie Paul McCartney und John Lennon, wo so zwei Welten zusammen kamen. Der Paul war eher so der Liebe und der John der Rebell. Und so sehe ist das ein bisschen.
    Buchmann: Und wer ist wer bei Ihnen?
    Christl: Das kann ich nicht sagen
    Buchmann: Sie haben mal gesagt – das bezog sich mehr auf ihre Jazzbands, wo sie auch Texte schreiben, zum Teil auch deutsche Texte – dass es wichtig ist, nicht so zu klingen, als würde man seine eigenen Tagebücher vertonen. Also man muss das Ganze, auch wenn es Dinge sind, die man persönlich erlebt hat, etwas abstrahieren. Ist das eine ähnliche Herangehensweise auch bei Herbe Sahne?
    Christl:Das klingt ja immer so, als könnte man das besser als andere oder das impliziert das ein bisschen. Ich denke eher, man sollte sich Mühe geben, ein gewisses Niveau in den Texten hinzubekommen. Mir genügt es nicht, wenn ich das Radio aufdrehe... da lange ich mir so oft an den Kopf: "Ich liebe dieses Leben, ich liebe diesen Tag" - ich weiß gar nicht, von wem das ist. Nur so eine Zeile, die mir gerade in den Kopf kommt. Also fast schon Schlager. Das hat Freundschaft, Liebe zum Inhalt und um viel mehr geht es ja nicht. Da werden ja keine Geschichten erzählt. Das geht ja nur um so ein kitschiges, schwammiges Thema, was sich gut an die Jugend verkaufen lässt, anscheinend. Das sind ja gar keine wirklichen Texte. Ich spreche denen das ab!
    Buchmann … was Sie ja auch in einem Song tun. Ich weiß jetzt nicht, ob der Text von Ihnen ist, aber genau darum geht es doch in einem Song von Herbe Sahne...
    Christl:Ja genau, darum geht’s ein bisschen. Ich kann das nicht ernst nehmen, ich schäme mich fremd oft, wenn ich mit Kollegen im Auto sitze, wir hören ein Lied an, unter Musikern, und sagen: Mein Gott, was ist denn da los, im Radio? Das heißt jetzt gar nicht, dass wir es besser können, aber.... Man sieht halt diese Popfalle, man sieht die Kommerzialisierungszwänge und denkt sich: Was wir machen ist mit Sicherheit keine Nummer 1 Musik, aber es ist einfach nur das, was wir machen wollen und mehr ist es nicht. Aber bei andern Leuten hört man: Da haben echt 100 Leute mitgeredet. Und das ist einfach nicht okay. Das ist nicht authentisch und das tut weh, das zu hören. In meinen Ohren.
    Buchmann Wir sprachen gerade schon kurz über den Song "Ihr Mann". Das ist auch das Lieblingslied von Peter Licht, das hat er in einer kleinen Lobhudelei geschrieben. Die ultimative Lobhuldelei, die gibt’s dann wiederum von Tom Liwa. Und der hat nicht nur lobgehudelt, sondern sogar mitgemacht bei einem Song. Nämlich bei "Der beste Schmerz". Wie hat sich diese Zusammenarbeit ergeben?
    Christl: Ich glaub, der Tom, der mag mich. Ich mag ihn auch. Ich hab ihn mal kennengelernt im Jahr 2006, als ich noch studiert habe in Nürnberg, da hab ich einen Texte-Workshop organisiert mit ihm. Und er ist der Einladung tatsächlich gefolgt. Das war ein unkonventioneller Workshop, da kamen auch nicht alle Studenten drauf klar. Ich fand ihn sehr, sehr gut. Wegen dieser Offenheit, die er ausstrahlt, die er mitbringt.
    Der Tom ist so ein Jugendidol von mir gewesen. Ich war ganz allein damit, ihn anzuhören in meinem Dorf, aus dem ich stamme.
    Buchmann Mit den Flowerpornoes in erster Linie dann?
    Christl: Genau, die Flowerpornoes. Richtig, damals hatte er noch gar nicht so viel solo gemacht. Und damit hat er mich immer begleitet und die Zusammenarbeit kam dann so, dass ich ihn gefragt habe, ob er nicht Lust hat, ein Lied zu singen und er dann ganz schnell ja gesagt hat. Und dann ging es nur um einen Termin, da haben wir uns ein bisschen schwer getan und dann hat es zufällig geklappt, als er in Köln ein Konzert gab und hier vorher im Studio vorbei kam.
    Buchmann Das heißt, Tom Liwa hat vielleicht auch auf diesem Sofa hier gesessen, wo ich gerade sitze, im "Tonstudio der Welt" in Köln?
    Christl: Ja so war es!
    Buchmann Unfassbar... "Der beste Schmerz" heißt der Song, wo Tom Liwa mit singt. Die Stimmen passen richtig gut zusammen – also man kann sie gut auseinander halten und trotzdem passen sie auch beim gemeinsamen Singen gut zusammen. Hatten Sie das auch schon im Hinterkopf oder war es einfach: "Er ist ein guter Sänger, den möchte ich gerne dabei haben"?
    Christl: Also ich mag seine Stimme sehr gern. Sie ist sehr schön, sehr weich, strahlt sehr viel Wärme aus. Und ich bin ja jetzt auch nicht der Iron Maiden Shouter, insofern dachte ich mir: Passt das sehr gut zusammen, ja.
    Buchmann "Der beste Schmerz" – da ist schon im Titel eine Art Dichotomie, also "beste" und "Schmerz" ist ja schon ein bisschen was Gegenteiliges. Ich finde, dass in einigen Songs eine Gleichzeitigkeit von Dingen ist, die eigentlich nicht so ganz zusammen gehören. Wie bei "Kein Bock", wo der Typ richtig genervt ist und einfach kein Bock mehr hat, der "Büttel" der anderen zu sein oder der Hampelmann... Und dazu erklingt eine relativ hübsche, sogar gepfiffene Melodie. Ist das eine Arbeitsweise oder eine Philosophie, die Sie gern verfolgen, so eine Gleichzeitigkeit von Ungleichzeitigem?
    Christl: Vielen Dank für diese Frage! Das ist schon beabsichtigt, das suche ich irgendwie. Wenn der Text weich ist oder über Gefühle spricht, dann versuche ich das in der Musik etwas zu brechen. Das gute alte Brechmittel. Zum Beispiel beim besten Schmerz ist es so – der Text hat das auch schon in sich, dieses "bleib ruhig da, wo der Teufel ist". Man wünscht die Person dann gleich zum Teufel, und trotzdem hört man heraus, dass es einem sehr sehr weh tut, und dass es einem sehr viel bedeutet. Der beste Schmerz, das ist ja quasi wie eine Auszeichnung für jemand. Wenn man sagt: Vielen Dank, du hast es geschafft, mich richtig runter zu ziehen. Das impliziert ja gleichzeitig auch ein Maß an Liebe oder eben diesen Schmerz. So ist das in diesem Lied. Das geht los mit Gitarren und am Schluss wird’s dann auch ein bisschen weicher, flächiger. Also, da denke ich mir schon was dabei. Und es gehen auch immer die Alarmlampen an, wenn etwas zu kitschig wird oder zu abgeschleckt oder zu klar. Und dann versuche ich das immer wieder zu brechen. Das macht es nicht immer ganz einfach für die Zuhörer.
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