Auf dem Computerschirm ruft der Krankenpfleger für jeden Patienten die persönlichen Daten auf: Heroinvergabe morgens um acht im Frankfurter Ostend.
Sicherheitskontrolle wie am Flughafen. Die individuell dosierte Spritze gibt es in der Frankfurter Heroinambulanz für nur 100 registrierte Schwerstabhängige, die durch den Drogenkonsum körperlich oder psychisch erkrankt sind.
Mindestens 23 Jahre müssen sie sein und mehrere gescheiterte Drogentherapien hinter sich haben. Die Spritze bekommen sie bis zu dreimal am Tag, nur zu bestimmten Zeiten und nur wenn sie nüchtern sind. Ein strenges Regiment, an das sich viele erst gewöhnen müssen, die bis dato völlig ohne Zeiteinteilung lebten. Das allerdings ist schon der erste Schritt in ein neues Leben.
"Wir haben doch schon einige, die wieder Arbeit gefunden haben, die haben ihre Termine und müssen schnell hier durch,"
sagt der Pfleger am Empfang. Uwe hat einen Job und genießt deshalb Vorfahrt. Der Pfleger reicht ihm das Alkoholtestgerät.
"So muss es sein."
"So muss es sein, genau."
0,0 Promille.
Mit einem Knopfdruck öffnet der Pfleger die automatische Tür: zu einem Raum mit Zweiertischen. Am Abgabeschalter holt sich Uwe ein Plastiktablett samt Spritze, Tupfer und einem Desinfektionsmittel für die Haut.
Uwe rollt seinen Pulloverärmel hoch, klatscht gegen den Oberarm, setzt sich die Heroinspritze. Der sogenannte "Druckraum" füllt sich, alle Tische sind besetzt, ein Arzt ist als Aufsichtsperson dabei. Kurzes Gespräch mit seinem Gegenüber, Uwe verpflastert den Einstich. Der hagere Mann im schwarzen Rolli macht einen müden Eindruck. Manchmal senken sich die Lider kurz über seine Augen. Aber hellwach erzählt er, wie weit er sich aus der Droge schon "rausgeschlichen" hat:
"Ich habe früher am Tag ungefähr eine Dosis von knapp 1000 Milligramm bekommen und bin jetzt mittlerweile auf 360 Milligramm, also fast n Drittel von der Anfangsdosis von vor drei Jahren, und so machen's die meisten. Die dosieren sich langsam, aber sicher runter."
Fünf Jahre lang, von 2002 bis 2006, war die Behandlung in der Frankfurter Heroinambulanz Teil eines wissenschaftlich begleiteten Modellversuchs. Sieben deutsche Großstädte haben sich an der Studie beteiligt. Das Ergebnis: Für eine kleine Gruppe Schwerstabhängiger - für 2000 bis 3000 Menschen - wirkt Diamorphin, künstlich hergestelltes Heroin, wie ein Medikament. Bekommen die Abhängigen es unter ärztlicher und sozialpsychologischer Aufsicht, haben sie die Chance, aus ihrem Elend herauszufinden.
Für nicht wenige ein Erfolg. Die Befürworter des Projektes argumentieren: Durch den kontrollierten Zugang zu Diamorphin erhalten Heroinabhängige die Möglichkeit, in die Gesellschaft zurückzukehren. Sie gewöhnen sich wieder an einen geregelten Tagesablauf. Bevor sie in das Programm aufgenommen wurden, mussten sie sich prostituieren und stehlen, um den nächsten Schuss zu sichern. Das hat sich durch das Modellprojekt erledigt.
Sie können sich eine Wohnung suchen, möglicherweise sogar Arbeit finden. Diamorphin sollte daher als Medikament anerkannt werden, fordern die Sozialdemokraten im Deutschen Bundestag. Die SPD-Gesundheitsexpertin Carola Reimann:
"Unsere Forderung ist, dass das, was jetzt in den Einrichtungen gemacht wird, dass das auch so weitergeführt werden kann und dass die gesetzliche Krankenkasse eben diesen Diamorphin-Anteil übernimmt. Dass also quasi der Arzneimittelanteil von den gesetzlichen Krankenkassen getragen wird an der Stelle."
Ursprünglich war Heroin ein Medikament - eines gegen Husten und Schmerzen, vor 100 Jahren auf den Markt gebracht - von der Firma Bayer. Doch Heroin bundesweit auf Rezept - für die Gegner des Vorhabens eine schwer zu ertragende Vorstellung. Der Staat dürfe nicht zum Dealer werden. Besonders die Unions-Fraktion im Bundestag tut sich schwer damit - und lehnt den SPD-Vorschlag rundweg ab.
Aus gutem Grund, findet die Unions-Politikerin Maria Eichhorn:
"Wir sagen, die Zeit ist nicht reif dafür. Wir brauchen erst noch Erkenntnisse, um zu sehen, ob Heroin auf Krankenschein, also Diamorphin auf Krankenschein, wirklich diese nachhaltige Verbesserung hat. Im Modellprojekt konnte das nicht bewiesen werden. Wir sind der Meinung, dass die Ergebnisse des Modellprojektes, das unter Rot-Grün gelaufen ist, zur Übernahme von Diamorphin auf Krankenschein, dass diese Erkenntnisse nicht ausreichen und dass daher ein weiteres Modellvorhaben notwendig ist, um die offenen Fragen zu klären."
Doch für die SPD-Gesundheitsexperten im Bundestag sind alle Fragen geklärt. Sie halten nichts von weiteren Modellvorhaben. Sie dringen auf eine Entscheidung noch in dieser Legislaturperiode, haben mit Abgeordneten aller drei Oppositionsparteien einen Gruppenantrag formuliert. Der wird übermorgen in den Bundestag eingebracht.
Die Union reagiert mit einem eigenen Antrag. Die beiden Koalitionsparteien gehen - entgegen der Abmachungen im Koalitionsvertrag - mit unterschiedlichen Gesetzentwürfen in das parlamentarische Verfahren. Die Unions-Abgeordnete Maria Eichhorn:
"Es ist auf jeden Fall ein Bruch des Übereinkommens. Dem geht voraus und in dem Zusammenhang, obwohl es nicht direkt zusammenhängt, rein vom Taktischen her, ist es so zu sehen, dass wir im Koalitionsvertrag hatten, dass wir gemeinsam mit dem Koalitionspartner eine Regelung zur Spätabtreibung finden. Diese gemeinsame Regelung konnten wir nicht finden. Es gab keine gemeinsame Meinung. Deswegen hat die Union dann einen Gruppenantrag zur Spätabtreibung initiiert, weil wir das als ganz wichtiges Anliegen erachten. Und aus diesem Grund wohl hat die SPD gesagt: Wenn ihr hier einen Gruppenantrag macht, dann machen wir hier einen Gruppenantrag. Hat zwar nichts miteinander zu tun, denn die Dinge sind natürlich ganz unterschiedlicher Art, aber es ist so, ich kann das nur feststellen und bedauere das sehr."
So hat die Union jetzt auch einen eigenen Antrag eingebracht und fordert neue Modellversuche, um noch offene Fragen zu klären. Doch für die SPD-Gesundheitspolitikerin Carola Reimann gibt es diese offenen Fragen nicht. Sie verweist auf die bereits durchgeführten Studien.
Die Sozialdemokraten im Bundestag sind nicht die ersten, die einen solchen Gesetzentwurf vorlegen - er ist eng angelehnt an einen bereits bestehenden Gesetzentwurf aus dem Bundesrat. Unter strenger ärztlicher Aufsicht soll es danach Schwerst-Heroinabhängigen erlaubt werden, das synthetische Heroin Diamorphin zu konsumieren. Das hat der Bundesrat bereits im September 2007 so beschlossen, ohne dass das Gesetz bisher rechtskräftig geworden ist. Initiiert worden war es von den vier unionsgeführten Ländern Hamburg, Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Aus den Reihen der Bundestagsfraktion gibt es heftige Kritik, doch Unions-Kommunalpolitiker vor Ort unterstützen die Ausgabe des Ersatzstoffes. Für die Sozialdemokratin Carola Reimann ist klar, warum.
"Ich glaube, die Städte und die Kommunalpolitiker haben alle sehr positive Erfahrungen gemacht, was das Umfeld angeht. Man kann zum Beispiel zeigen, dass die in Diamorphinbehandlung befindlichen Leute weniger Kontakt zur Szene haben und damit stabiler sind, was die Rückfallgeschichten angeht, aber auch so, dass die Szene kleiner wird. Die haben weniger Prostitution, weniger Kriminalität an der Stelle und das ist für die dann auch in dem Bereich ein echtes Präventionsprojekt."
Doch Bundespolitiker der Union fürchten: Durch die bequeme Versorgung mit Heroin fehle den Süchtigen der Anreiz, um ganz von der Droge loszukommen. Das sehen nicht alle in der Partei so.
Der Frankfurter CDU-Landtagsabgeordnete Ralf-Norbert Bartelt kennt die Heroinambulanz als langjähriger Kommunalpolitiker aus eigener Anschauung. Dem Wunsch seiner Parteifreunde, die Abstinenz als verbindliches Ziel vorzugeben, steht der Mediziner zurückhaltend gegenüber:
"Es ist ein Idealziel, das aber nicht immer erreichbar ist. Die Menschen, die an dem Projekt teilnehmen, werden nicht mehr kriminell. Die Beschaffungskriminalität kann deutlich gesenkt werden und der Gesundheitszustand der Betroffenen stabilisiert werden. Also insgesamt ein sehr positives Ergebnis über einen doch jetzt längeren Erfahrungszeitraum."
Auch die Frankfurter Oberbürgermeisterin und der hessische Ministerpräsident Koch, beide CDU, setzen sich für die Vergabe von Diamorphin ein. Das Land Hessen beteiligt sich finanziell an der Frankfurter Heroinambulanz.
Die kostet jährlich anderthalb Millionen Euro einschließlich psychosozialer Betreuung durch einen freien Träger. Frankfurts grüne Gesundheitsdezernentin Manuela Rottmann hält fest:
"Wir haben bundesweit von Unions-Politikern enorme Unterstützung für diese Therapieform. Das gilt nicht nur für Frankfurt, das gilt nicht nur für viele Ministerpräsidenten. Das gilt für die Mehrheit der Länderkammer, das gilt auch für kirchennahe Verbände, mit denen wir im engen Kontakt sind, die sich sehr, sehr stark einsetzen. Die Caritas Köln hatte da jetzt wieder eine Initiative, dass es diese Behandlungsform gibt. Also es gibt auch in der kirchennahen politischen Landschaft große, große Unterstützung für diese Therapieform. Es gibt eine - meiner Wahrnehmung nach - auch Minderheit in der Union, die es schafft, das im Deutschen Bundestag zu blockieren. Und deshalb ist meine Hoffnung, dass auch die Union sich mal klar darüber wird, dass es sich hier um eine Minderheit handelt, die von den großstädtischen Realitäten und auch von der Realität dieser Behandlungsform sehr, sehr weit entfernt ist."
Manche in der Union behaupten, die Verantwortlichen der Diamorphin-Studie hätten die Möglichkeiten zum Ausstieg aus der Droge nicht ausreichend unter die Lupe genommen. Untersucht worden sei nur, wie sich Schwerstabhängige entwickeln, die das Opiat dauerhaft hoch dosiert erhalten. Die grüne Gesundheitsdezernentin wehrt ab:
"Das stimmt nicht. Die Studien haben auch die Ausstiegsorientierung mit untersucht, einmal die sinkenden Dosen im Diamorphin, aber auch den Anteil an Teilnehmern, circa 12 bis 13 Prozent, die direkt in ausstiegsorientierte Therapien wechseln und den Ausstieg aus jeder Behandlung, also auch aus der Methadon-Substitution, schaffen."
Über Bernds Bauch spannt eine weiße Maler-Latzhose. Der Mann mit dem Stoppelschnitt und der gesunden Gesichtsfarbe sieht aus, als hätte er sich irrtümlich in die Frankfurter Heroinambulanz verirrt. Doch auch der bieder wirkende Handwerker holt am Schalter sein "Spritzbesteck" und drückt sich das Diamorphin als klare Flüssigkeit in den kräftigen Oberarm.
Im benachbarten Aufenthaltsraum schlürft er schnell einen Kaffee, dann geht er "malern", regelmäßig. Das hatte er nach sieben Jahren Methadon-Therapie zuletzt nicht mehr geschafft.
Bernd: "Weil mein Magen total ... und mein Arzt hat gesagt: geh hierher! ""
Uwe: ""95 Prozent haben sich stabilisiert, können arbeiten gehen, haben alle wieder eine eigene Wohnung. Die haben das alle schon mal versucht mit Methadon und das hat alles nicht funktioniert. ""
Lutz schaltet sich in das Gespräch ein:
""Am schlimmsten war's die letzten drei Jahre, da war ich auch noch obdachlos. Am Anfang waren hier 50 Prozent obdachlos. Jetzt hat jeder eine Wohnung. Auf der Gasse, da fühlt man sich halt nicht besonders wohl. Und da habe ich dann jeden Tag Gas gegeben. Ich war ziemlich am Ende, körperlich. Ich hatte 68 Kilo."
Jetzt wiegt der 1,85 m große Mitfünfziger zwar 84 Kilo, wirkt jedoch immer noch irgendwie hager. Methadon hatte bei Lutz nicht angeschlagen, er wurde rückfällig. Damit gehört er zu dem kleinen Kreis von Schwerstabhängigen, bei denen Methadon und andere Ersatzopiate nicht wie ein stabilisierendes Psychopharmakon wirken. Diamorphin hingegen schon. Ein wirksames Medikament also - im Langzeitversuch wissenschaftlich nachgewiesen. Die grüne Frankfurter Gesundheitsdezernentin leitet daraus ab, dass synthetisches Heroin auch als Arzneimittel anerkannt werden und in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen werden müsse.
"Das würde uns nicht von allen Kosten entlasten. Wir hätten immer noch die sozialpsychiatrische Betreuung zu leisten, würden die Einrichtung stellen, aber dass wir eine faire Teilung kriegen zwischen Kostenträgern. Denn die Menschen sind alle versichert, die haben Anspruch, dass eine wirksame Therapie für sie finanziert wird."
So Manuela Rottman. Ohne Diamorphin hätte er seinen Fünfzigsten nicht erlebt, vermutet Lutz. Während der Methadon-Therapie hatte der Mann mit Schnäuzer und Baseballkappe nebenbei noch andere Drogen konsumiert. Seit zweieinhalb Jahren kommt er nun schon ohne zusätzliche Rauschmittel aus.
"Kein Kokain, kein Alkohol, keine Rohypnol. Bei Methadon hatte ich vorher immer drei Substanzen im Beigebrauch, jetzt habe ich null. Ich hab mich dadurch erholt - die Leber - ich bin nicht mehr laufend müde. Psychisch bin ich besser drauf. Ich war total depressiv, als ich hier rein kam. Total fertig. Ich hatte Angstzustände, aber ganz schlimm. Das ist weitgehend weg. Ich fühl mich halt wohl, ne."
Für 2000 bis 3000 Schwerstabhängige bundesweit, so schätzen Experten, ist Diamorphin der Notausgang. Hamid Zokai, Oberarzt beim Frankfurter Heroinprojekt:
"Das sind diejenigen, die meistens im Krankenhaus landen, wegen Bewusstlosigkeit, Abszessen, Hepatitis, die fast alle haben. HIV-Erkrankungen im fortgeschrittenen Stadium, die nicht behandelt worden sind. Das sind diese Gruppe der Patienten. Wenn man aufsummiert: Krankenhaus, öffentliche Ordnung, dass sie jedes Mal klauen müssen, Justiz, Polizei - all diese Sachen würden mehr kosten, als diese Patienten in diesem Rahmen zu behandeln und zu behalten."
Und zwar auf Krankenschein, wie es der Gruppenantrag von SPD, FDP, Grünen und Linken im Bundestag vorsieht. Würde die Diamorphinbehandlung nur als Modellversuch fortgeführt, wie die Unions-Fraktion das wünscht, blieben die sieben Großstädte weiter auf den Kosten sitzen. Und es könnten nicht so viele Teilnehmer aufgenommen werden wie erforderlich, klagen die betroffenen Kommunen.
"Eine Mogelpackung", schimpft Birgit Gorgas, Leiterin der städtischen Drogenbratung München in der "Süddeutschen Zeitung". Die Frankfurter Gesundheitsdezernentin Manuela Rottmann pflichtet ihr bei.
"In dieser Auseinandersetzung geht es ganz wesentlich darum zu verhindern von Seiten der Unions-Fraktion im Bundestag, dass diese Therapie in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen übernommen wird. Und da versucht man mit solchen Mogelpackungen - das ist schon das richtige Wort - das zu erreichen. Es gibt dafür aber kein Argument. Es gibt, glaube ich, keine andere Therapieform, weder streng abstinenzorientierte Therapie noch die Methadonvergabe, die da erfolgreicher wäre als die Heroinvergabe. Im Vergleich zur Methadonvergabe ist die Heroinvergabe erfolgreicher, was die Stabilisierung und was die Ausstiegsorientierung angeht. Wir sind damit im Vergleich zu anderen Therapieformen bei einer bestimmten Zielgruppe erfolgreicher und die Chance muss man nutzen."
Doch die Gesundheitspolitiker der Union halten die Kosten für nicht kalkulierbar. Experten rechnen mit etwa 3000 bis 5000 Schwerstabhängigen in Deutschland, die Union fürchtet ein Heer von bis zu 80.000 Heroinabhängigen, die dauerhaft Stoff auf Kassenkosten erhalten würden.
Maria Eichhorn.
"Die Bundespolitiker haben natürlich die Verantwortung für das Gesundheitswesen insgesamt. Und wenn wir die derzeitige Situation im Gesundheitswesen betrachten, dann weiß jeder, dass es hier sehr schwierig ist mit der Finanzierung. Dass wir versuchen, Kosten zu sparen. Und wir wissen auf der anderen Seite, dass eine Behandlung mit Diamorphin mindestens dreimal so viel kostet als eine Behandlung mit Methadon."
Zunächst einmal müsse all das ausgelotet werden, was mit einer Methadonbehandlung möglich sei. Doch viele kommen trotz Methadon nicht vom Heroin los. Denn Methadon sei ein Ersatzstoff, argumentieren Suchtmediziner.
Er dämpfe zwar die Entzugserscheinungen, erzeuge aber kein künstliches Glück. Viele Abhängige, denen der Arzt Methadon verschreibe, wollten sich das verlorene Glück mit Alkohol, Tabletten oder Heroin zurückholen. Und schafften so den Absprung nicht.
Bei dem größten Teil der Probanden, die Diamorphin konsumierten, nehme der sogenannte Beikonsum anderer Drogen, die Beschaffungskriminalität und der Kontakt zur Szene deutlich ab.
Bei Heroinabhängigen habe man es mit Schwerkranken zu tun. Die Sozialdemokratin Carola Reimann.
"Es ist richtig: Heroin ist teurer als Methadon. Man muss aber auch klar sagen: Es ist ja die allerletzte Therapieoption, die wir für diese Menschen zur Verfügung stellen können."
Zeit zu handeln - diese Meinung teilt auch die Drogenbeauftragte der Regierung, die Sozialdemokratin Sabine Bätzing. Anfang des Monats stellte sie die neueste Drogenbilanz vor. Das ernüchternde Ergebnis: Die Zahl der Drogentoten in Deutschland ist um 55 auf 1449 gestiegen und hat damit den höchsten Stand seit fünf Jahren erreicht.
Sicherheitskontrolle wie am Flughafen. Die individuell dosierte Spritze gibt es in der Frankfurter Heroinambulanz für nur 100 registrierte Schwerstabhängige, die durch den Drogenkonsum körperlich oder psychisch erkrankt sind.
Mindestens 23 Jahre müssen sie sein und mehrere gescheiterte Drogentherapien hinter sich haben. Die Spritze bekommen sie bis zu dreimal am Tag, nur zu bestimmten Zeiten und nur wenn sie nüchtern sind. Ein strenges Regiment, an das sich viele erst gewöhnen müssen, die bis dato völlig ohne Zeiteinteilung lebten. Das allerdings ist schon der erste Schritt in ein neues Leben.
"Wir haben doch schon einige, die wieder Arbeit gefunden haben, die haben ihre Termine und müssen schnell hier durch,"
sagt der Pfleger am Empfang. Uwe hat einen Job und genießt deshalb Vorfahrt. Der Pfleger reicht ihm das Alkoholtestgerät.
"So muss es sein."
"So muss es sein, genau."
0,0 Promille.
Mit einem Knopfdruck öffnet der Pfleger die automatische Tür: zu einem Raum mit Zweiertischen. Am Abgabeschalter holt sich Uwe ein Plastiktablett samt Spritze, Tupfer und einem Desinfektionsmittel für die Haut.
Uwe rollt seinen Pulloverärmel hoch, klatscht gegen den Oberarm, setzt sich die Heroinspritze. Der sogenannte "Druckraum" füllt sich, alle Tische sind besetzt, ein Arzt ist als Aufsichtsperson dabei. Kurzes Gespräch mit seinem Gegenüber, Uwe verpflastert den Einstich. Der hagere Mann im schwarzen Rolli macht einen müden Eindruck. Manchmal senken sich die Lider kurz über seine Augen. Aber hellwach erzählt er, wie weit er sich aus der Droge schon "rausgeschlichen" hat:
"Ich habe früher am Tag ungefähr eine Dosis von knapp 1000 Milligramm bekommen und bin jetzt mittlerweile auf 360 Milligramm, also fast n Drittel von der Anfangsdosis von vor drei Jahren, und so machen's die meisten. Die dosieren sich langsam, aber sicher runter."
Fünf Jahre lang, von 2002 bis 2006, war die Behandlung in der Frankfurter Heroinambulanz Teil eines wissenschaftlich begleiteten Modellversuchs. Sieben deutsche Großstädte haben sich an der Studie beteiligt. Das Ergebnis: Für eine kleine Gruppe Schwerstabhängiger - für 2000 bis 3000 Menschen - wirkt Diamorphin, künstlich hergestelltes Heroin, wie ein Medikament. Bekommen die Abhängigen es unter ärztlicher und sozialpsychologischer Aufsicht, haben sie die Chance, aus ihrem Elend herauszufinden.
Für nicht wenige ein Erfolg. Die Befürworter des Projektes argumentieren: Durch den kontrollierten Zugang zu Diamorphin erhalten Heroinabhängige die Möglichkeit, in die Gesellschaft zurückzukehren. Sie gewöhnen sich wieder an einen geregelten Tagesablauf. Bevor sie in das Programm aufgenommen wurden, mussten sie sich prostituieren und stehlen, um den nächsten Schuss zu sichern. Das hat sich durch das Modellprojekt erledigt.
Sie können sich eine Wohnung suchen, möglicherweise sogar Arbeit finden. Diamorphin sollte daher als Medikament anerkannt werden, fordern die Sozialdemokraten im Deutschen Bundestag. Die SPD-Gesundheitsexpertin Carola Reimann:
"Unsere Forderung ist, dass das, was jetzt in den Einrichtungen gemacht wird, dass das auch so weitergeführt werden kann und dass die gesetzliche Krankenkasse eben diesen Diamorphin-Anteil übernimmt. Dass also quasi der Arzneimittelanteil von den gesetzlichen Krankenkassen getragen wird an der Stelle."
Ursprünglich war Heroin ein Medikament - eines gegen Husten und Schmerzen, vor 100 Jahren auf den Markt gebracht - von der Firma Bayer. Doch Heroin bundesweit auf Rezept - für die Gegner des Vorhabens eine schwer zu ertragende Vorstellung. Der Staat dürfe nicht zum Dealer werden. Besonders die Unions-Fraktion im Bundestag tut sich schwer damit - und lehnt den SPD-Vorschlag rundweg ab.
Aus gutem Grund, findet die Unions-Politikerin Maria Eichhorn:
"Wir sagen, die Zeit ist nicht reif dafür. Wir brauchen erst noch Erkenntnisse, um zu sehen, ob Heroin auf Krankenschein, also Diamorphin auf Krankenschein, wirklich diese nachhaltige Verbesserung hat. Im Modellprojekt konnte das nicht bewiesen werden. Wir sind der Meinung, dass die Ergebnisse des Modellprojektes, das unter Rot-Grün gelaufen ist, zur Übernahme von Diamorphin auf Krankenschein, dass diese Erkenntnisse nicht ausreichen und dass daher ein weiteres Modellvorhaben notwendig ist, um die offenen Fragen zu klären."
Doch für die SPD-Gesundheitsexperten im Bundestag sind alle Fragen geklärt. Sie halten nichts von weiteren Modellvorhaben. Sie dringen auf eine Entscheidung noch in dieser Legislaturperiode, haben mit Abgeordneten aller drei Oppositionsparteien einen Gruppenantrag formuliert. Der wird übermorgen in den Bundestag eingebracht.
Die Union reagiert mit einem eigenen Antrag. Die beiden Koalitionsparteien gehen - entgegen der Abmachungen im Koalitionsvertrag - mit unterschiedlichen Gesetzentwürfen in das parlamentarische Verfahren. Die Unions-Abgeordnete Maria Eichhorn:
"Es ist auf jeden Fall ein Bruch des Übereinkommens. Dem geht voraus und in dem Zusammenhang, obwohl es nicht direkt zusammenhängt, rein vom Taktischen her, ist es so zu sehen, dass wir im Koalitionsvertrag hatten, dass wir gemeinsam mit dem Koalitionspartner eine Regelung zur Spätabtreibung finden. Diese gemeinsame Regelung konnten wir nicht finden. Es gab keine gemeinsame Meinung. Deswegen hat die Union dann einen Gruppenantrag zur Spätabtreibung initiiert, weil wir das als ganz wichtiges Anliegen erachten. Und aus diesem Grund wohl hat die SPD gesagt: Wenn ihr hier einen Gruppenantrag macht, dann machen wir hier einen Gruppenantrag. Hat zwar nichts miteinander zu tun, denn die Dinge sind natürlich ganz unterschiedlicher Art, aber es ist so, ich kann das nur feststellen und bedauere das sehr."
So hat die Union jetzt auch einen eigenen Antrag eingebracht und fordert neue Modellversuche, um noch offene Fragen zu klären. Doch für die SPD-Gesundheitspolitikerin Carola Reimann gibt es diese offenen Fragen nicht. Sie verweist auf die bereits durchgeführten Studien.
Die Sozialdemokraten im Bundestag sind nicht die ersten, die einen solchen Gesetzentwurf vorlegen - er ist eng angelehnt an einen bereits bestehenden Gesetzentwurf aus dem Bundesrat. Unter strenger ärztlicher Aufsicht soll es danach Schwerst-Heroinabhängigen erlaubt werden, das synthetische Heroin Diamorphin zu konsumieren. Das hat der Bundesrat bereits im September 2007 so beschlossen, ohne dass das Gesetz bisher rechtskräftig geworden ist. Initiiert worden war es von den vier unionsgeführten Ländern Hamburg, Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Aus den Reihen der Bundestagsfraktion gibt es heftige Kritik, doch Unions-Kommunalpolitiker vor Ort unterstützen die Ausgabe des Ersatzstoffes. Für die Sozialdemokratin Carola Reimann ist klar, warum.
"Ich glaube, die Städte und die Kommunalpolitiker haben alle sehr positive Erfahrungen gemacht, was das Umfeld angeht. Man kann zum Beispiel zeigen, dass die in Diamorphinbehandlung befindlichen Leute weniger Kontakt zur Szene haben und damit stabiler sind, was die Rückfallgeschichten angeht, aber auch so, dass die Szene kleiner wird. Die haben weniger Prostitution, weniger Kriminalität an der Stelle und das ist für die dann auch in dem Bereich ein echtes Präventionsprojekt."
Doch Bundespolitiker der Union fürchten: Durch die bequeme Versorgung mit Heroin fehle den Süchtigen der Anreiz, um ganz von der Droge loszukommen. Das sehen nicht alle in der Partei so.
Der Frankfurter CDU-Landtagsabgeordnete Ralf-Norbert Bartelt kennt die Heroinambulanz als langjähriger Kommunalpolitiker aus eigener Anschauung. Dem Wunsch seiner Parteifreunde, die Abstinenz als verbindliches Ziel vorzugeben, steht der Mediziner zurückhaltend gegenüber:
"Es ist ein Idealziel, das aber nicht immer erreichbar ist. Die Menschen, die an dem Projekt teilnehmen, werden nicht mehr kriminell. Die Beschaffungskriminalität kann deutlich gesenkt werden und der Gesundheitszustand der Betroffenen stabilisiert werden. Also insgesamt ein sehr positives Ergebnis über einen doch jetzt längeren Erfahrungszeitraum."
Auch die Frankfurter Oberbürgermeisterin und der hessische Ministerpräsident Koch, beide CDU, setzen sich für die Vergabe von Diamorphin ein. Das Land Hessen beteiligt sich finanziell an der Frankfurter Heroinambulanz.
Die kostet jährlich anderthalb Millionen Euro einschließlich psychosozialer Betreuung durch einen freien Träger. Frankfurts grüne Gesundheitsdezernentin Manuela Rottmann hält fest:
"Wir haben bundesweit von Unions-Politikern enorme Unterstützung für diese Therapieform. Das gilt nicht nur für Frankfurt, das gilt nicht nur für viele Ministerpräsidenten. Das gilt für die Mehrheit der Länderkammer, das gilt auch für kirchennahe Verbände, mit denen wir im engen Kontakt sind, die sich sehr, sehr stark einsetzen. Die Caritas Köln hatte da jetzt wieder eine Initiative, dass es diese Behandlungsform gibt. Also es gibt auch in der kirchennahen politischen Landschaft große, große Unterstützung für diese Therapieform. Es gibt eine - meiner Wahrnehmung nach - auch Minderheit in der Union, die es schafft, das im Deutschen Bundestag zu blockieren. Und deshalb ist meine Hoffnung, dass auch die Union sich mal klar darüber wird, dass es sich hier um eine Minderheit handelt, die von den großstädtischen Realitäten und auch von der Realität dieser Behandlungsform sehr, sehr weit entfernt ist."
Manche in der Union behaupten, die Verantwortlichen der Diamorphin-Studie hätten die Möglichkeiten zum Ausstieg aus der Droge nicht ausreichend unter die Lupe genommen. Untersucht worden sei nur, wie sich Schwerstabhängige entwickeln, die das Opiat dauerhaft hoch dosiert erhalten. Die grüne Gesundheitsdezernentin wehrt ab:
"Das stimmt nicht. Die Studien haben auch die Ausstiegsorientierung mit untersucht, einmal die sinkenden Dosen im Diamorphin, aber auch den Anteil an Teilnehmern, circa 12 bis 13 Prozent, die direkt in ausstiegsorientierte Therapien wechseln und den Ausstieg aus jeder Behandlung, also auch aus der Methadon-Substitution, schaffen."
Über Bernds Bauch spannt eine weiße Maler-Latzhose. Der Mann mit dem Stoppelschnitt und der gesunden Gesichtsfarbe sieht aus, als hätte er sich irrtümlich in die Frankfurter Heroinambulanz verirrt. Doch auch der bieder wirkende Handwerker holt am Schalter sein "Spritzbesteck" und drückt sich das Diamorphin als klare Flüssigkeit in den kräftigen Oberarm.
Im benachbarten Aufenthaltsraum schlürft er schnell einen Kaffee, dann geht er "malern", regelmäßig. Das hatte er nach sieben Jahren Methadon-Therapie zuletzt nicht mehr geschafft.
Bernd: "Weil mein Magen total ... und mein Arzt hat gesagt: geh hierher! ""
Uwe: ""95 Prozent haben sich stabilisiert, können arbeiten gehen, haben alle wieder eine eigene Wohnung. Die haben das alle schon mal versucht mit Methadon und das hat alles nicht funktioniert. ""
Lutz schaltet sich in das Gespräch ein:
""Am schlimmsten war's die letzten drei Jahre, da war ich auch noch obdachlos. Am Anfang waren hier 50 Prozent obdachlos. Jetzt hat jeder eine Wohnung. Auf der Gasse, da fühlt man sich halt nicht besonders wohl. Und da habe ich dann jeden Tag Gas gegeben. Ich war ziemlich am Ende, körperlich. Ich hatte 68 Kilo."
Jetzt wiegt der 1,85 m große Mitfünfziger zwar 84 Kilo, wirkt jedoch immer noch irgendwie hager. Methadon hatte bei Lutz nicht angeschlagen, er wurde rückfällig. Damit gehört er zu dem kleinen Kreis von Schwerstabhängigen, bei denen Methadon und andere Ersatzopiate nicht wie ein stabilisierendes Psychopharmakon wirken. Diamorphin hingegen schon. Ein wirksames Medikament also - im Langzeitversuch wissenschaftlich nachgewiesen. Die grüne Frankfurter Gesundheitsdezernentin leitet daraus ab, dass synthetisches Heroin auch als Arzneimittel anerkannt werden und in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen werden müsse.
"Das würde uns nicht von allen Kosten entlasten. Wir hätten immer noch die sozialpsychiatrische Betreuung zu leisten, würden die Einrichtung stellen, aber dass wir eine faire Teilung kriegen zwischen Kostenträgern. Denn die Menschen sind alle versichert, die haben Anspruch, dass eine wirksame Therapie für sie finanziert wird."
So Manuela Rottman. Ohne Diamorphin hätte er seinen Fünfzigsten nicht erlebt, vermutet Lutz. Während der Methadon-Therapie hatte der Mann mit Schnäuzer und Baseballkappe nebenbei noch andere Drogen konsumiert. Seit zweieinhalb Jahren kommt er nun schon ohne zusätzliche Rauschmittel aus.
"Kein Kokain, kein Alkohol, keine Rohypnol. Bei Methadon hatte ich vorher immer drei Substanzen im Beigebrauch, jetzt habe ich null. Ich hab mich dadurch erholt - die Leber - ich bin nicht mehr laufend müde. Psychisch bin ich besser drauf. Ich war total depressiv, als ich hier rein kam. Total fertig. Ich hatte Angstzustände, aber ganz schlimm. Das ist weitgehend weg. Ich fühl mich halt wohl, ne."
Für 2000 bis 3000 Schwerstabhängige bundesweit, so schätzen Experten, ist Diamorphin der Notausgang. Hamid Zokai, Oberarzt beim Frankfurter Heroinprojekt:
"Das sind diejenigen, die meistens im Krankenhaus landen, wegen Bewusstlosigkeit, Abszessen, Hepatitis, die fast alle haben. HIV-Erkrankungen im fortgeschrittenen Stadium, die nicht behandelt worden sind. Das sind diese Gruppe der Patienten. Wenn man aufsummiert: Krankenhaus, öffentliche Ordnung, dass sie jedes Mal klauen müssen, Justiz, Polizei - all diese Sachen würden mehr kosten, als diese Patienten in diesem Rahmen zu behandeln und zu behalten."
Und zwar auf Krankenschein, wie es der Gruppenantrag von SPD, FDP, Grünen und Linken im Bundestag vorsieht. Würde die Diamorphinbehandlung nur als Modellversuch fortgeführt, wie die Unions-Fraktion das wünscht, blieben die sieben Großstädte weiter auf den Kosten sitzen. Und es könnten nicht so viele Teilnehmer aufgenommen werden wie erforderlich, klagen die betroffenen Kommunen.
"Eine Mogelpackung", schimpft Birgit Gorgas, Leiterin der städtischen Drogenbratung München in der "Süddeutschen Zeitung". Die Frankfurter Gesundheitsdezernentin Manuela Rottmann pflichtet ihr bei.
"In dieser Auseinandersetzung geht es ganz wesentlich darum zu verhindern von Seiten der Unions-Fraktion im Bundestag, dass diese Therapie in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen übernommen wird. Und da versucht man mit solchen Mogelpackungen - das ist schon das richtige Wort - das zu erreichen. Es gibt dafür aber kein Argument. Es gibt, glaube ich, keine andere Therapieform, weder streng abstinenzorientierte Therapie noch die Methadonvergabe, die da erfolgreicher wäre als die Heroinvergabe. Im Vergleich zur Methadonvergabe ist die Heroinvergabe erfolgreicher, was die Stabilisierung und was die Ausstiegsorientierung angeht. Wir sind damit im Vergleich zu anderen Therapieformen bei einer bestimmten Zielgruppe erfolgreicher und die Chance muss man nutzen."
Doch die Gesundheitspolitiker der Union halten die Kosten für nicht kalkulierbar. Experten rechnen mit etwa 3000 bis 5000 Schwerstabhängigen in Deutschland, die Union fürchtet ein Heer von bis zu 80.000 Heroinabhängigen, die dauerhaft Stoff auf Kassenkosten erhalten würden.
Maria Eichhorn.
"Die Bundespolitiker haben natürlich die Verantwortung für das Gesundheitswesen insgesamt. Und wenn wir die derzeitige Situation im Gesundheitswesen betrachten, dann weiß jeder, dass es hier sehr schwierig ist mit der Finanzierung. Dass wir versuchen, Kosten zu sparen. Und wir wissen auf der anderen Seite, dass eine Behandlung mit Diamorphin mindestens dreimal so viel kostet als eine Behandlung mit Methadon."
Zunächst einmal müsse all das ausgelotet werden, was mit einer Methadonbehandlung möglich sei. Doch viele kommen trotz Methadon nicht vom Heroin los. Denn Methadon sei ein Ersatzstoff, argumentieren Suchtmediziner.
Er dämpfe zwar die Entzugserscheinungen, erzeuge aber kein künstliches Glück. Viele Abhängige, denen der Arzt Methadon verschreibe, wollten sich das verlorene Glück mit Alkohol, Tabletten oder Heroin zurückholen. Und schafften so den Absprung nicht.
Bei dem größten Teil der Probanden, die Diamorphin konsumierten, nehme der sogenannte Beikonsum anderer Drogen, die Beschaffungskriminalität und der Kontakt zur Szene deutlich ab.
Bei Heroinabhängigen habe man es mit Schwerkranken zu tun. Die Sozialdemokratin Carola Reimann.
"Es ist richtig: Heroin ist teurer als Methadon. Man muss aber auch klar sagen: Es ist ja die allerletzte Therapieoption, die wir für diese Menschen zur Verfügung stellen können."
Zeit zu handeln - diese Meinung teilt auch die Drogenbeauftragte der Regierung, die Sozialdemokratin Sabine Bätzing. Anfang des Monats stellte sie die neueste Drogenbilanz vor. Das ernüchternde Ergebnis: Die Zahl der Drogentoten in Deutschland ist um 55 auf 1449 gestiegen und hat damit den höchsten Stand seit fünf Jahren erreicht.