Dienstag, 30. April 2024

Archiv

Herräng in Schweden
Das swingende Dorf

Das schwedische Dorf Herräng hat 300 Einwohner und ist ein dementsprechend ruhiger Ort. Im Sommer macht das Dorf allerdings fünf Wochen Pause von der Ruhe: Dann hält das weltweit größte Lindy-Hop-Festival Einzug und Herräng wird zur Swingtanz-Weltmetropole.

Von Bettina Ritter | 02.07.2015
    Eine Swing-Tanzgruppe übt am 29.11.2012 im "Tanzraum Frankfurt" in Frankfurt am Main (Hessen) ihre Schritte.
    Die Swing-Kultur wird immer beliebter - und füllt die Tanzschulen (picture alliance / dpa / Nicolas Armer)
    "Wir kommen aus Seoul, Korea. Viele Lindy Hopper haben uns von Herräng erzählt, dass das ein Lindy-Hop-Himmel ist. Und das ist es tatsächlich: Wir können den ganzen Monat tanzen, den ganzen Tag und die ganze Nacht. Und wir treffen Tänzer aus aller Welt. Das ist super."
    Korea, Sibirien, Indonesien, Mozambique, Mexiko oder Island: In Herräng treffen sich im Sommer Tänzer aus mehr als 50 Nationen. Schule und Turnhalle werden zum Schlaflager mit insgesamt 400 Stockbetten. Auf den Wiesen stehen Zelte und Wohnwagen.
    "Wir haben jede Woche 500 bis 700 Leute, die Unterricht nehmen. Viele kommen aber auch einfach für die Partys, und dann gibt es noch ungefähr 100 Freiwillige, die hier in den Küchen oder in der Organisation arbeiten. Also, pro Woche haben wir hier bis zu 1.000 Menschen."
    1.000 Menschen, die rund um die Uhr tanzen, sagt die Miteigentümerin des Camps, Frida Segerdahl. Tagsüber nehmen sie Unterricht bei den internationalen Größen der Szene. Nachts steigen die Partys. Sie sind der eigentliche Höhepunkt des Tanzcamps, findet Thomas aus Köln:
    "Das geht ja immer super lang. Sieben Uhr ist ja Usus. Das passiert ja eigentlich jeden Tag. Und weil das um 3 Uhr schon wieder taghell ist, kriegst du das gar nicht mit, wie spät das ist. Naja, und dann gehe ich wieder ins Bett so um 6, 7, 8. Je nachdem."
    "Eine enorm große Gemeinschaft"
    Thomas ist bereits zum vierten Mal in Herräng, volle fünf Wochen. Und er ist nicht der Einzige, der seinen gesamten Jahresurlaub für das Tanzcamp reserviert. Hier gibt es eine Menge Tanzverrückte, die ihr Leben rund um den Swing organisieren. Das sagt der Mann, der den Swing in den 80er-Jahren wieder nach Europa brachte und der das Tanzcamp vor 33 Jahren gründete - Lennart Westerlund:
    "Diese Szene ist eine Subkultur. Viele Menschen leben ihr Leben auf der Grundlage des Lindy Hop. Das heißt, es ist die größte Priorität in ihrem Leben. Sie gehen zu Veranstaltungen, arbeiten ein bisschen, und finden neue Veranstaltungen. Es ist heutzutage eine enorm große Gemeinschaft von Leuten aus 50, 55 Ländern weltweit."
    "Die Musik mag ich nicht. Aber nach ein paar Tagen höre ich sie gar nicht mehr."
    Rolf Carlsson ist 77 und in Herräng geboren. Er ist kein Swing-Fan, hat aber in 33 Jahren gelernt, sich mit den Besuchern und dem Camp zu arrangieren. Und sogar davon zu profitieren. Stolz präsentiert er seinen Keller, den er zur Ferienwohnung ausgebaut hat:
    "Hier habe ich ein Zimmer für zwei Personen, eine Toilette, Dusche und einen Kühlschrank für die Gäste."
    60 Prozent des Jahresumsatzes in fünf Wochen
    Etwa 250 Euro nimmt er für ein Zweibettzimmer pro Woche. Da es in Herräng weder ein Hotel noch eine Jungendherberge gibt, machen es ihm andere nach, bauen ihre Garagen zu Gästezimmern aus oder fahren einfach fünf Wochen in Urlaub und überlassen den Tänzern komplett ihre Häuser. Auch der Besitzer des einzigen Supermarktes am Ort macht das Geschäft des Jahres.
    "Wir machen etwa 60 Prozent des Jahresumsatzes in diesen fünf Wochen. Normalerweise schließen wir um sechs, aber wenn das Tanz-Camp läuft, haben wir bis acht auf, manchmal auch bis zehn."
    Wie ein freundlicher Wirbelwind verändert das Tanzcamp Herräng. Wenn die Tänzer gehen, ist der Sommer auch schon bald vorbei. Dann wird Herräng wieder das stille 300-Seelen-Dorf, in dem man statt Swing Musik nur den Wind in den Bäumen hört.