Abstoßend und anziehend zugleich findet Familienvater Ez dieses Schauspiel. Soll man diese Männer vertreiben oder tolerieren? eine Gewissensfrage, von der am Ende auch der frischgewonnene Arbeitsplatz abhängen wird.
"Herren"Autor Warwick Collins gehört nicht zur hippen Garde der sogenannten NewBritLit. Anders als die PopLiteraten Sutcliffe, Garland & Co erzählt der 52jährige keine coolen Zeitgeistgeschichten. Ihm geht es um Ideen von grundlegender Bedeutung, sagt er:
"Ich sehe mich als philosophischen Schriftsteller. Jedes meiner Bücher beruht auf einem Gedankengebäude, einer philosophischen Struktur, an der sich die Geschichten entlanghangeln. Auch mein Buch "Herren" entspricht dieser Tradition. Deswegen hat es sich wahrscheinlich in Frankreich so viel besser verkauft die Franzosen lieben Philosophie."
Reich und berühmt geworden ist Collins mit seinen Gedankengebäuden bislang nicht. Trotz Nominierung für den BookerPrize lag sein Roman "The Rationalist" in Groß Britannien wie Blei in den Regalen, der Nachfolger "Gents" so heißt "Herren" im Original ging auch nur 5.000 mal über die heimische Ladentheke. Aber wie gesagt, im Ausland ist Collins beliebter. Seine Bücher sind in elf Sprachen übersetzt. In Frankreich war "The Rationalist" ein Roman über das Geschlechterverhältnis im 18. Jahrhundert wochenlang in den Bestsellerlisten.
In "Herren", das jetzt auch auf Deutsch erscheint, geht's um den Krieg der Underdogs im Untergrund. Warwick Collins hat das Schicksal der Schwarzen, den Weißen das Klo zu putzen, mit dem Schicksal der Schwulen verknüpft, deren Sexpraktiken als abartig gelten. Heraus kam eine Fabel über Toleranz. Und was will der Autor uns damit sagen? Warwick Collins:
"Man sollte von Leuten mit unterschiedlichen Ansichten oder Lebensstilen nicht verlangen, dass sie sich lieben. Es gibt gute Gründe, Andersartige nicht zu mögen. Aber wir müssen lernen, Unterschiede zu akzeptieren. Was wir in der MultiKultiGesellschaft brauchen, ist nicht Symphatie, sondern Toleranz. Denn wer uns heute symphatisch ist, ist es morgen vielleicht nicht mehr darauf kann man doch keine Gesellschaft bauen. Aber Toleranz ist ein philosophisches System, mit festen Verhaltensregeln für ein friedliches Zusammenleben. So können unterschiedlichste Gesellschaftsgruppen nebeneinander in Frieden leben."
Was Intoleranz bedeutet, hat Warwick Collins schon als Kind erfahren, erzählt er und knetet dabei seine brüchige Collegemappe durch. Als Junge musste er die Heimat Südafrika verlassen, weil sein Vater, ein weißer Schriftsteller, gegen die Apartheid anschrieb. Die Familie zog nach England. Collins studierte Biologie, allerdings nur mit mäßigem Erfolg, weil er sich gewissen Glaubensgrundsätzen dieses Faches nicht anschließen wollte, z.B. dem Dogma der natürlichen Auslese. Er ließ die wissenschaftliche Karriere fahren, schrieb stattdessen Gedichte für den "Encounter" und jobbte als Buchverkäufer. Wenn er nicht gerade über den Atlantik segelte. "Die See ist meine große Liebe. Schön und furchteinflößend", sagt er beim Interview und blickt, als wolle er sich entschuldigen. Aber in seinen Augen liegt auch etwas fuchsartig Schlaues. Warwick Collins ist ein Mann der Widersprüche. Obwohl er sich politisch "eher links" einordnet, gehörte er Ende der 70er Jahre zum "Think Tank" Margret Thatchers und brütete Pläne aus für die Privatisierung von Bahn, Post und Krankenhäusern.
"Ich glaube an die Kraft des Marktes, an den freien Austausch von Gütern und Ideen, ohne staatliche Lenkung. Das bringt nicht nur Wohlstand, sondern auch mehr Toleranz. In Südafrika, zum Beispiel, war es so, dass die liberalisierte Wirtschaft viel zur Überwindung der Apartheid beigetragen hat. Die Manager sagten: Wir wollen die Leute anstellen, die für die Arbeit am besten geeignet sind, unabhängig von der Hautfarbe. So fielen die ersten Apartheidgesetze. Das zeigt: Kapitalismus ist gut für Verwirklichung linker Ideale. 4.2.15 Ich persönlich bin für einen minimalen Staat. Ich vertraue den Menschen, dass sie das Beste aus ihrem Leben machen ohne die harte Hand des Staates. Und ein freier Markt bringt eine liberale Gesellschaft."
Nach dem Tod des Vaters zog Warwick Collins zurück zur Mutter nach Lymington, einem Badeort an der englischen Südküste. Und widmete sich dort wieder seiner unheimlichen Liebe, dem Meer. Er wurde YachtDesigner. Für ihn war das eher eine ästhetische Herausforderung als eine technische. Schönheit siegt: Sein 25MeterBoot "Ocean Leopard", ausgestattet mit einem radikal neuen Kiel, segelte der Konkurrenz bei zahlreichen Rennen davon. Anschließend entwickelte Multitalent Collins im Auftrag der British Army ein Kriegsflugzeug, daß im Falle des Krieges sowjetische Tanker versenken sollte.
1988 dann, Gorbatschow war jetzt an der Macht und Collins mittlerweile Vierzig, fing er an, Romane zu schreiben. "The Challenge", eine Trilogie über das Leben auf dem Meer, brachte ihm genug Geld, um sich fortan gänzlich seiner neuen Leidenschaft widmen zu können. Sechs weitere Romane hat er bislang veröffentlicht, und nach Ansicht der Literaturpäbste übertrifft er sich von Mal zu Mal selbst.
Die renommierte Zeitung The Times lobte an "Gents" so heißt "Herren" im Original vor allem die Direktheit der Sprache. Tatsächlich gibt es in "Herren" kein überflüssiges Wort. Das Buch gleicht einem Haiku, wo jedes Komma zählt. Collins schreibt wie einer dieser japanischen Schriftsteller, die die Welt im Glanze eines am Strand hingeworfenen Pausenbrotes betrachten: Indem er den Mikrokosmos eines Pissoirs für Männer beobachtet, sieht er, was menschliches Zusammenleben bedeutet. Und beschreibt seine Sicht ohne Furcht vor Kontroversen. Heldin seines allerneuesten Buches
"F(uck)Woman" ist eine Emanze, die es liebt, Männer zu quälen. Ein immer wiederkehrendes Thema in den Romanen des 52jährigen Briten ist unterdrückte Sexualität, die letztlich zu Gewalt führt. Warwick Collins:
"In den meisten westlichen Kulturen ist Sex immer mit Schuldgefühlen verbunden. Ich versuche herauszufinden, ob das aus dem Christentum heraus entstanden ist, oder welche anderen Mechanismen dahinter stehen. Besonders verklemmt sind übrigens wir Angelsachsen. Deshalb mag ich wenn es um Sex geht lieber die Literatur anderer Länder. In Deutschland und Frankreich, zum Beispiel, geht man mit diesem Thema viel freier um. Ich würde gern wissen, wie Sex sich anfühlt ohne Schuldgefühle."
Auch für die Männer im Roman "Herren" bleibt Sex ohne Reue eine Illusion. Allerdings, der Krieg der Kloputzer gegen die "Perversen" ist schlecht für's Geschäft. Die Kunden ziehen den Schwanz ein, die Münzbox bleibt leer. Bedroht von Arbeitslosigkeit lassen die Aufseher am Ende die Moral fahren und paktieren mit dem Laster. Die allheilenden Kräfte der freien Marktwirtschaft bringen Befriedigung für alle Beteiligten.
"Herren" von Warwick Collins ist eine ziemlich schräge Geschichte. Ein Lehrstück und ein Lob auf die Freizügigkeit. Am Ende mit vielleicht ein bißchen viel FriedeFreudeMultikulti. Und wenn wir schon bei den Schönheitsfehlern sind in der deutschen Übersetzung geht der Slang der drei Putzfreunde, deren Caribean English völlig flöten. Hier reden sie halt gepflegtes Hochdeutsch. Trotzdem: Herren ist ein klasse Buch, kurz und würzig für ungefähr 2 erfreuliche Lesestunden.