"Was da auf uns zukommt – die Kulturpolitik ist in einem Niedergang begriffen, nicht nur hier in Bremen. Das ist eine Form des Managertums und der Politikgestaltung, die meint, ohne intellektuelle Auseinandersetzung, ohne Ästhetik und Bildung auskommen zu können – das ist sozusagen im Gewande der Fortschrittlichkeit eine Form der neuen Barbarei. "
Der Bremer Intendant Klaus Pierwoß lässt es nicht bei der Diagnose bewenden. Da das Theater aber keine therapeutische Anstalt ist, sondern besterdings (oder schlimmstenfalls) eine moralische, ließ er den Regisseur Anthony Pilavachi die neue Barbarei im Gewand der Fortschrittlichkeit kommentieren. Er aktualisierte Albert Lortzings "Zar und Zimmermann". Pilavachis Inszenierung ist im besten Sinn "Theater für die Stadt": das Saardamer Werft-Milieu des 17. oder 19. Jahrhunderts und der Bürgermeister van Bett nehmen unverkennbar Bremer Züge an. Das Firmengelände der Witwe Browe mutiert auf witzige Weise zum Gemeinderatsaal.
Wie Karsten Küsters den Präses der Bürgerschaft gibt, das empfiehlt seinen unverzüglichen Wechsel in die Landespolitik. Der Holzschuhtanz wird von den zum Singen vergatterten Ratsherrn- und Damen mit den Mineralwasserflaschen auf den Parlamentsbänken und den aufgeblasenen Backen bestritten. Das Unsägliche, das Lorzings Zaren-Oper bei so mancher neuerer Realisierung nicht abzustreifen vermag, wird im Theater am Goetheplatz spielerisch überwunden. Es triumphiert Armin Kolarczyk als der eigentliche Kaiser aller Russen: sein Schlusswort singt er vorm Einstieg in den bereitstehenden Jet und via Großbildleinwand. Der Mann, der sich inkognito im Westen Know-how holte, entpuppt sich als einer von der Sorte Putin: entschieden machtwillig und rachedurstig.
Pierwoß: "Das ist eine Situation, mit der sich die Theater zunehmend auseinandersetzen müssen. "
Auf Episoden des Unterwegs-Seins basiert auch eine Gruppenarbeit der Bremer Kompositionsklasse von Younghi Pagh-Paan: Ein halbes Dutzend junger Komponisten aus fünf Ländern, vornehmlich des ferneren und mittleren Ostens, setzten jeweils ein, zwei oder drei Szenen eines Librettos von Angela Delissen in neue Kammermusik.
Das Pasticcio "Unterwegs" zeigt einen Anflug von "Zeitoper" mit fast unmerklichen Anspielungen auf die härter werdenden gesellschaftlichen Verteilungskämpfe: Der zum Manager stilisierte junge Mann hadert mit dem übermächtigen Vater; seine Frau wartet vor allem; eine andere, soziokulturell niedriger angesiedelte junge Frau zeigt sich von allem euphorisch begeistert; zwei Passanten werden wohl Zeugen des Selbstmords des erfolglosen Schreibtisch-Hengstes, dessen Geist weiter durch die Produktion geistert: "Wie auch immer – nichts zu machen"...
Rosamund Gilmore stellt die Episoden und höhere oder tiefere Ambition als unscharfe Annäherung an sozialpolitisch Virulentes vor: Ein Wartender wirkt ebenso wie Stuhl und Treppe, als sei er aus Buchsbaum geschnitten – auch der seitwärts postierte Bär, eine Anspielung womöglich auf jj1. "Ich gehe, aber ich weiß nicht wohin" – diese Bemerkung eines der singenden Passanten ist so etwas wie der Schlüssel zu dem aus Einzelteilen montierten Ganzen, das bei aller individueller Ausprägung einzelner Sequenzen für das 13-köpfige Instrumentalensemble eine bemerkenswerte Homogenität des Klangs auszeichnet.
Auch Don Quijote ist unterwegs. Unter den Händen von Stefan Klingele erblüht Jules Massenets teils historizierende Musik aus der experimentierfreudigen Zeit um 1910; getragen von ihr reitet der Ritter von der traurigen Gestalt mit seinem Knappen Sancho Pansa durch den Theaterbodennebel aus Hermann Feuchters grellbunten Dulcinea-Welt einem fahlen Windmühlen-Horizont zu. Philipp Himmelmann gelang eine genaue, gediegen moderne Inszenierung mit turbulenter Bordellszene und feinem Gespür für die tiefen Melancholien des Stücks – "magnificent" und anrührend zugleich. Ganz angemessen jedenfalls dem Sujet und der Nostalgie der delikaten Musik.
Die Musiktheatersparte des Bremer Theaters hätte verdient, zum "Opernhaus des Jahres" gekürt zu werden. Damit es aber dahin käme, müssten zum Beispiel die bevorzugt rudelweise abstimmenden Berliner Kritiker sich an die ferne Wasserkante bemühen. Sie könnten dort, auf einem sehr viel niedrigeren Kostenniveau, ein sehr viel besseres Musiktheater erleben als in ihrer dahindümpelnden Hauptstadt.
Der Bremer Intendant Klaus Pierwoß lässt es nicht bei der Diagnose bewenden. Da das Theater aber keine therapeutische Anstalt ist, sondern besterdings (oder schlimmstenfalls) eine moralische, ließ er den Regisseur Anthony Pilavachi die neue Barbarei im Gewand der Fortschrittlichkeit kommentieren. Er aktualisierte Albert Lortzings "Zar und Zimmermann". Pilavachis Inszenierung ist im besten Sinn "Theater für die Stadt": das Saardamer Werft-Milieu des 17. oder 19. Jahrhunderts und der Bürgermeister van Bett nehmen unverkennbar Bremer Züge an. Das Firmengelände der Witwe Browe mutiert auf witzige Weise zum Gemeinderatsaal.
Wie Karsten Küsters den Präses der Bürgerschaft gibt, das empfiehlt seinen unverzüglichen Wechsel in die Landespolitik. Der Holzschuhtanz wird von den zum Singen vergatterten Ratsherrn- und Damen mit den Mineralwasserflaschen auf den Parlamentsbänken und den aufgeblasenen Backen bestritten. Das Unsägliche, das Lorzings Zaren-Oper bei so mancher neuerer Realisierung nicht abzustreifen vermag, wird im Theater am Goetheplatz spielerisch überwunden. Es triumphiert Armin Kolarczyk als der eigentliche Kaiser aller Russen: sein Schlusswort singt er vorm Einstieg in den bereitstehenden Jet und via Großbildleinwand. Der Mann, der sich inkognito im Westen Know-how holte, entpuppt sich als einer von der Sorte Putin: entschieden machtwillig und rachedurstig.
Pierwoß: "Das ist eine Situation, mit der sich die Theater zunehmend auseinandersetzen müssen. "
Auf Episoden des Unterwegs-Seins basiert auch eine Gruppenarbeit der Bremer Kompositionsklasse von Younghi Pagh-Paan: Ein halbes Dutzend junger Komponisten aus fünf Ländern, vornehmlich des ferneren und mittleren Ostens, setzten jeweils ein, zwei oder drei Szenen eines Librettos von Angela Delissen in neue Kammermusik.
Das Pasticcio "Unterwegs" zeigt einen Anflug von "Zeitoper" mit fast unmerklichen Anspielungen auf die härter werdenden gesellschaftlichen Verteilungskämpfe: Der zum Manager stilisierte junge Mann hadert mit dem übermächtigen Vater; seine Frau wartet vor allem; eine andere, soziokulturell niedriger angesiedelte junge Frau zeigt sich von allem euphorisch begeistert; zwei Passanten werden wohl Zeugen des Selbstmords des erfolglosen Schreibtisch-Hengstes, dessen Geist weiter durch die Produktion geistert: "Wie auch immer – nichts zu machen"...
Rosamund Gilmore stellt die Episoden und höhere oder tiefere Ambition als unscharfe Annäherung an sozialpolitisch Virulentes vor: Ein Wartender wirkt ebenso wie Stuhl und Treppe, als sei er aus Buchsbaum geschnitten – auch der seitwärts postierte Bär, eine Anspielung womöglich auf jj1. "Ich gehe, aber ich weiß nicht wohin" – diese Bemerkung eines der singenden Passanten ist so etwas wie der Schlüssel zu dem aus Einzelteilen montierten Ganzen, das bei aller individueller Ausprägung einzelner Sequenzen für das 13-köpfige Instrumentalensemble eine bemerkenswerte Homogenität des Klangs auszeichnet.
Auch Don Quijote ist unterwegs. Unter den Händen von Stefan Klingele erblüht Jules Massenets teils historizierende Musik aus der experimentierfreudigen Zeit um 1910; getragen von ihr reitet der Ritter von der traurigen Gestalt mit seinem Knappen Sancho Pansa durch den Theaterbodennebel aus Hermann Feuchters grellbunten Dulcinea-Welt einem fahlen Windmühlen-Horizont zu. Philipp Himmelmann gelang eine genaue, gediegen moderne Inszenierung mit turbulenter Bordellszene und feinem Gespür für die tiefen Melancholien des Stücks – "magnificent" und anrührend zugleich. Ganz angemessen jedenfalls dem Sujet und der Nostalgie der delikaten Musik.
Die Musiktheatersparte des Bremer Theaters hätte verdient, zum "Opernhaus des Jahres" gekürt zu werden. Damit es aber dahin käme, müssten zum Beispiel die bevorzugt rudelweise abstimmenden Berliner Kritiker sich an die ferne Wasserkante bemühen. Sie könnten dort, auf einem sehr viel niedrigeren Kostenniveau, ein sehr viel besseres Musiktheater erleben als in ihrer dahindümpelnden Hauptstadt.