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Herz am rechten Fleck

Entwicklungsbiologie. - Auf der Cellbid in Bonn treffen sich zum ersten Mal Wissenschaftler aus den Disziplinen der molekularen Zellbiologie und der Entwicklungsbiologie zu einer gemeinsamen Jahrestagung. Damit tragen sie der Tatsache Rechnung, dass die beiden Wissenschaftszweige sich in den letzten Jahren immer stärker angenähert haben. Ein Thema ist dabei die molekulare Kontrolle der Herzmuskelentwicklung.

    Von Verena von Keitz

    Ob das Herz am rechten Fleck - also links - schlägt, hängt von vielen Faktoren ab. Bei allen Wirbeltieren gibt es diese Asymmetrie der Organe. und so liegen auch beim Menschen Herz und Magen links, die Leber aber rechts. Doch nicht nur die Anordnung, auch die Ausprägung der Organe ist oft ungleichmäßig - etwa beim Herzen. Die Arbeitsgruppe von Thomas Brand vom Institut für Biochemie der Technischen Universität Braunschweig versucht die molekularen Ursachen dieser Asymmetrie bei Hühnerembryonen und Mäusen aufzuspüren.

    Im Herzmuskel gibt es also verschiedenen Bestandteile, die also auf der linken oder auf der rechten Seite recht unterschiedlich sind. Warum es überhaupt eine Links-Rechts-Asymmetrie gibt im Wirbeltierkörper, ist bislang recht unverstanden, und auch die fundamental erste Entscheidung, wo die linke und die rechte Seite entsteht, ist nicht klar, man kennt sozusagen nur die späteren weiteren Prozesse.

    Jedes Wirbeltier fängt eigentlich als symmetrischer Embryo an. Doch ab einem bestimmten Punkt läuft die Entwicklung verquer - und an der Differenzierung des Herzens ist dies als Erstes zu sehen. Durch die Krümmung des embryonalen Herzschlauches entsteht eine Schleife - in der Folge entwickeln sich zwei ungleich große Hälften, die zwei verschiedene Pumpsysteme bedienen. Die rechte Herzhälfte pumpt das Blut in den kleinen Lungenkreislauf, die stärkere linke Herzhälfte versorgt den übrigen Körper. Damit die Krümmung des Herzschlauches auf korrekte Weise zustande kommt, müssen bestimmte Molekülen im richtigen Moment aktiv werden. Brand:

    Konkret beschäftigen wir uns mit einem Molekül, das sich CFC nennt und dieses CFC-Molekül ist also ein Faktor, der andere Signalmolekülen hilft, an die Zellmembran binden zu können, und wir versuchen diesen Faktor auch auszuschalten, um seine jeweiligen Funktionen in dem Prozess, oder eben auch die morphologischen Veränderungen studieren.

    Durch das lahmgelegte CFC-Molekül wird die Krümmung des Herzens bei nahezu allen untersuchten Hühnerembryonen unterdrückt. Die Folgen einer solchen Fehlentwicklung der Asymmetrie sind auch beim Menschen bekannt. Brand:

    Es gibt glückliche Menschen, die eine vollständige Umdrehung der Asymmetrie haben, das ist ein sehr seltenes Ereignis, aber ein so genannter Sidus inversus ist klinisch völlig unbedeutend, also diese Person kann normal leben, nur das Problem ist, dass dann vielleicht bei einem Unfall das Herz auf der falschen Seite gesucht wird vom Arzt. Aber es gibt eben sehr viele unglückliche Fälle, wo Organe auf falschen Seiten zu liegen kommen, und da funktioniert natürlich das Zusammenspiel von den verschiedenen Organen nicht mehr und daraus resultieren dann natürlich schwerwiegende klinische Probleme, die nur zum Teil operativ geheilt werden können.

    Eine spiegelbildliche Verkehrung der Organe scheint also kein Problem zu sein - solange ihre Position zueinander gleich bleibt. Wenn aber nur ein Organ aus der ursprünglichen Ordnung ausschert, kommt es zu schweren Komplikationen. Manche Menschen besitzen sogar zwei linke oder zwei rechte Körperhälften - sie haben dann beispielsweise keine Milz oder gleich zwei. Auch ein falsch gewachsenes Herz stellt für Mediziner ein großes Problem dar, erläutert Thomas Brand:

    Man kann zum Teil dann aufwändige operative Maßnahmen durchführen, zum Beispiel die Gefäßanschlüsse wieder zu normalisieren, dass die rechte und die linke Herzkammer zum Beispiel in den kleinen und großen Körperkreislauf wieder pumpt, solche operativen Maßnahmen können zum Teil durchgeführt werden, aber bei sehr schwerwiegenden Fällen ist dieses eben dann tödlich. Was man auch sagen muss, ist natürlich, dass diese gleichen Moleküle, die für diese Links-Rechts-Entscheidung zuständig sind, auch für andere Prozesse eine Rolle spielen, sodass ein Mensch gar nicht erst geboren wird, weil viele Prozesse gleichzeitig gestört sind und es eben dann zu einem Schwangerschaftsabbruch kommt.

    Der Embryo wird also abgestoßen, weil er nicht lebensfähig ist. Wenn sich die Asymmetrie im Laufe der Evolution derart durchsetzen konnte, muss sie für den Organismus auch Vorteile haben: So nimmt das oft ungleichmäßig verschlungene Verdauungssystem vieler Tiere im Bauch weniger Platz weg, und ein asymmetrisches Herz kann das Blut im Körper möglicherweise günstiger verteilen.