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Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Neue Erkenntnisse belegen: jede noch so geringe Einschränkung der Nierenfunktion erhöht das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Schlaganfall. Was im ersten Moment überraschend klingt, rückt durch wissenschaftliche Untersuchungen immer mehr ins Bewusstsein der Ärzte. Auf dem Weltkongress der Nephrologie, diese Woche in Berlin, stehen deshalb die unterschätzen Folgen von Nierenerkrankungen im Mittelpunkt.

William Vorsatz |
    180 Liter Flüssigkeit passieren täglich das körpereigene Klärwerk. Dabei werden Salz, Zucker und Gifte herausgefiltert, Blutzellen und Eiweiße zurückgehalten. Die Nieren sorgen dafür, dass die richtige Menge Kochsalz, Zucker und Wasser zurück in den Blutkreislauf geführt wird. Das heimtückische: sie lassen es sich lange nicht anmerken, wenn sie krank sind. Hinter verschieden Symptomen stecken oft unerkannt die Nieren: Dr. Wanja Grietke vom Virchow-Klinikum der Berliner Charité:

    Die Leute werden überwässert, sie kriegen, wenn dann Wasser in der Lunge ist, z. B. schlecht Luft, wenn sie vergiftet sind, treten Vergiftungssymptome auf wie Schläfrigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, und wenn die Patienten dann einem speziellen Spezialisten, einem sogenannten Nephrologen zugeleitet werden, ist meistens schon fast alles zu spät, da haben die meisten schon ein endgültiges Nierenversagen entwickelt.

    Was aber können Betroffene tun, um Fehlfunktionen der Nieren rechtzeitig zu erkennen? Bluthochdruck ist ein Alarmzeichen. Bei jedem zwanzigsten Patienten immerhin sind die Nieren schuld.

    Es besteht ein Teufelskreis. Wenn die Niere geschädigt wird, wird der Blutdruck hoch, aber ein hoher Blutdruck schädigt auch die Niere. Und dann wenn der Blutdruck die Niere schädigt, wird der weiter erhöht, und die Nierenschädigung geht schneller voran etc.

    Heute gelten bereits Blutdruckwerte als riskant, die noch vor ein paar Jahren locker toleriert wurden. Denn ab Spitzen über 120 wird zuallererst das Nierengewebe geschädigt. Es ist nämlich noch empfindlicher als das Herzgewebe oder die Gehirn-Arterien. So kommt der Blutdrucksenkung durch veränderte Lebensweise und, wenn das nicht reicht, konsequente medikamentöse Behandlung, am besten mit sogenannten ACE-Hemmern und AT2-Blockern, eine besondere Bedeutung für den Schutz der Niere zu. Ebenfalls eng ist die Verbindung von Nierenerkrankungen und Diabetes. Ein Drittel bis die Hälfte aller Patienten, die zur Dialyse müssen, also zur Blutwäsche mit einer künstlichen Niere, sind zuckerkrank. Prof. Thomas Phillip vom Universitätsklinikum in Essen:

    Ein ganz erheblicher Risikofaktor: der Diabetiker hat das Hauptrisiko, gefäßkrank zu werden und nierenkrank zu werden. Und beides mündet dann darin, dass der Diabetiker in noch deutlich gesteigerterem Ausmaß Herzinfarkt und Schlaganfall bekommt. Das verdoppelt sich. Ich will jetzt mal das Beispiel sagen: Ein Diabetiker , der Nierenkrank ist, sogar Dialysepatient wird, hat nur noch ganz geringe Chancen, drei bis fünf Jahre ohne eine Komplikation überhaupt zu überleben. Weil seine allgemeinen Gefäßschäden so fortgeschritten sind, wenn er bereits dialysepflichtig ist, wird das Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko 70, 80 90 Prozent innerhalb von 5 Jahren betragen.

    Die Experten sprechen von einer "unerkannten Epidemie". Insbesondere bei Patienten mit Altersdiabetes wird das Risiko einer zunehmenden Nierenschädigung noch immer vollkommen unterschätzt. Ob die Niere noch gesund ist oder schon nicht mehr richtig funktioniert: die Messung des Kreatininspiegels im Blut gibt darüber Aufschluss.

    Das Kreatinin wird kontinuierlich aus der Muskulatur frei gesetzt und durch die Niere ausgeschieden. Wir können also, wenn wir im Blut das Kreatinin messen, merken, wie viel die Nieren ausscheiden, und wie viel nicht. Das ist also der Parameter, mit dem wir feststellen können, ob Nieren ausreichend funktionieren oder nicht. Ein normaler Kreatininwert liegt bei eins. Bis 1,2 Milligrammprozent als Obergrenze. Wenn das überstiegen wird, dann liegt bereits ein Nierenschaden vor. Der kann klein sein, beispielsweise 1,5, der kann aber auch groß sein, ohne dass man es sehr spürt: 2, 3 und 4 Milligrammprozent sind schon ganz ganz deutliche Einschränkungen der Nierenfunktion, zum Teil unter 25 Prozent, ohne das Sie etwas spüren.

    Ein paar Tropfen Blut, und schon kann der einfache Test auf Kreatinin durchgeführt werden. Dazu muss der Arzt die Nieren zunächst aber überhaupt erst mal in Verdacht haben. Es klingt makaber, aber bei jährlichen Steigerungsraten von acht Prozent wird kranken Nieren künftig garantiert immer mehr Aufmerksamkeit zuteil werden. Hoffentlich rechtzeitig. Heute leben zwei bis fünf Prozent aller Deutschen mit einer unerkannten Schädigung, gibt Professor Phillip zu bedenken.

    Wenn sie einen hohen Blutdruck haben, dann sollten sie unbedingt die Nierenfunktion prüfen, und das Jahr für Jahr. Wenn sie glücklicherweise keinen Bluthochdruck haben, dann wäre es im Rahmen der Prophylaxe ab dem 40 Lebensjahr ohnehin sinnvoll, alle drei Jahre den Kreatininwert zu bestimmen, und den Urin zu untersuchen.

    Ist der Spiegel normal, im Urin kein Eiweiß und auch keinen roten Blutkörperchen, der Blutdruck dazu niedrig, dann besteht keine Gefahr. Noch nicht.

    Sie können als Faustregel sagen, die Nierenfunktion ist am besten im 20. Lebensjahr, und nimmt mit jedem Lebensjahr um ein Prozent normalerweise ab. So dass also ein 70jähriger nur noch 50 Prozent einer Nierenfunktion hat.

    Deshalb gilt im Alter ganz besonders, was schon in jungen Jahren wichtig ist: genug trinken, mindestens anderthalb, besser bis 2-3 Liter täglich: aber möglichst wenig Kaffee oder schwarzen Tee. Und alles tun, um den Körper fit zu halten: durch ausgewogene Ernährung und genug Bewegung.

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