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Herz-OP belastet die Psyche

"Das Herz ist unser Motor und wenn das nicht mehr funktioniert, ist das Leben zu Ende", sagt die Patientin. Chirurgen weisen darauf hin, dass eine Operation deswegen auch eine psychologische Belastung sei. Sie fordern mehr Therapeuten in den Krankenhäusern.

Von Anna-Lena Dohrmann |
    "Und Sie bitte? Ich würde gerne eine Graubrotschnitte nehmen, ein paar Möhrenstückchen, einmal Butter …"

    Die Patientin bekommt gerade Abendbrot im Herzzentrum. Die 65-jährige lächelt. Vor gut einer Woche wurde sie am Herzen operiert. Sie bekam zwei Bypässe, da ihre Herzgefäße verengt waren. Lange vorbereiten konnte sie sich darauf allerdings nicht: Die Ärzte operierten sie einen Tag nach der Untersuchung. Dieser Eingriff war für die Frau mit viel Angst verbunden:

    "Erstmal zu akzeptieren, dass etwas operiert werden muss, ist schon erst einmal ein Schlag. Das Herz ist unser Motor, der Motor des Körpers, und wenn das nicht mehr funktioniert, ist das Leben zu Ende. Ich hab auch in der Nacht nicht geschlafen, ich hab' kein Auge zumachen können, es gehen einem da ganz viele Dinge durch den Kopf: Wirst du die Operation gut überstehen? Was wäre, wenn dem nicht so wäre …"

    Die Patienten in dieser Situation nicht alleine zu lassen, ist wichtig. So erfordert eine Operation am Herzen auch von den Chirurgen besonderes Einfühlungsvermögen. Das betont Prof. Martin Misfeld, Oberarzt am Herzzentrum Leipzig:

    "Das Risiko allgemein ist bei geplanten herzchirurgischen Eingriffen gering, aber höher als bei anderen chirurgischen Eingriffen. Und das weiß der Patient, das ist ihm bewusst. Und das Herz als zentrales Organ trägt eben dazu bei, dass ihn das extrem belastet."

    Auf der Transplantationsstation betreuen deshalb bereits jetzt Psychologen die Betroffenen. Doch viele Herzchirurgen fordern, dass Psychologen generell ihre stationäre Arbeit unterstützen. Denn die Ärzte können diese Aufgabe im Klinikalltag nicht übernehmen, so Misfeld:

    " Was wir leisten, ist einmal, den Patienten rein formal zu informieren, was ihn erwartet vor und nach der Operation – rein körperlich. Das beinhaltet aber noch nicht, dass wir sozusagen auch auf seine seelische Gemütsverfassung eingehen. Denn so eine Betreuung die Psyche betreffend vor und nach der Operation bedarf auch einer gewissen Ruhe, sich Zeit nehmen für den Patienten, das können wir im Routineablauf nicht gewährleisten."

    Dabei belegen verschiedene Studien: Die seelische Verfassung herzkranker Patienten beeinflusst maßgeblich, ob und wie schnell sie gesund werden. Herzpatienten brauchen deshalb spezielle psychologische Unterstützung, so Dr. Hilka Gunold. Sie leitet die Psychokardiologische Ambulanz am Herzzentrum.

    "Ich versuche als Kardiologin den Patienten die Krankheit nahe und verständlich zu bringen und sehe die wichtigste Aufgabe darin, den Patienten zum besten Manager seiner eigenen Krankheit zu machen, ihn zu befähigen, die Krankheit zu verstehen, und die Reaktionen seines Körpers zu verstehen, aber auch seiner psychischen Reaktionen darauf."

    Denn Herzschmerz ist oft mit einem Enge-Gefühl in der Brust verbunden. Die Patienten haben dann das Gefühl, nicht mehr richtig Luft zu bekommen und das kann Angst auslösen. Außerdem stürzen viele praktische Fragen auf die Betroffenen ein, so Gunold:

    "Für all diese Patienten bedeutet die Herzerkrankung eine Verunsicherung im Leben. Was kann ich jetzt noch leisten? Bin ich gefährdet? Was kann ich auch überhaupt im Alltag noch? Und darauf hinreichend Antwort zu geben, das ist notwendig."

    Diese Fragen kennt auch die Patientin nur zu gut. Mit ihren kurzen Haaren und der Fleece-Jacke sieht die 65-Jährige schon wieder ziemlich fit aus.

    "Ich bin jetzt optimistisch. Ich freu mich, wenn ich hier relativ schmerzfrei die Klinik verlassen darf und dann in eine Reha-Maßnahme komme mit der Option vielleicht wieder belastbar in den Alltag zurückzukehren."
    Anmerkung der Redaktion: Wir haben den Namen der Patientin auf ihren Wunsch hin anonymisiert.