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Herzflicken

Medizin.- Forschern gelingt es heutzutage gut, etliche Zellarten künstlich zu züchten. Doch intaktes Gewebe muss außerdem von Blutgefäßen durchzogen sein, damit es mit Nährstoffen versorgt wird. Eine israelische Wissenschaftlerin hat dieses Problem elegant umgangen.

Von Kristin Raabe | 29.09.2009
    Bei einem Infarkt sind Teile des Herzmuskels nicht richtig durchblutet. In diesem Bereich sterben dann Zellen ab. Die Wand des Herzens wird dünn und kann bei der Kontraktion nicht mehr helfen. Die Belastung für das restliche Herzmuskelgewebe wird also größer und irgendwann vielleicht zu groß. Wenn sich ein so geschädigtes Herz reparieren ließe, blieben vielen Menschen die schlimmen Folgen eines Herzinfarkts erspart. Die israelische Wissenschaftlerin Smadar Cohen hat eine Idee, wie sich der Schaden am Herzen beheben ließe:

    "Stellen Sie sich eine Situation vor, bei der die Wand des Herzens durch den Infarkt bereits ein Loch hat. Für so ein Loch braucht man einen Flicken."

    So einen Gewebeflicken für geschädigte Herzen hat Smadar Cohen in ihrem Rattenlabor wachsen lassen. Grundlage dafür war ein Gerüst aus einer Substanz, die von Algen stammt. Die israelischen Forscher nennen sie "Alginat". Mithilfe von Wachstumsfaktoren bilden Herzstammzellen von neugeborenen Ratten innerhalb von zwei Tagen dann Herzmuskelgewebe. Aber noch ist der Flicken für das Loch im Herzen nicht fertig:

    "Nach zwei Tagen haben wir dann den Körper selbst als Bioreaktor benutzt, um unseren Herzflicken mit Blutgefäßen zu versorgen. Wir implantierten den Gewebeflicken einfach auf das Omentum unserer Laborratten. Das Omentum ist ein besonders gut durchbluteter Teil des Bauchfells. So eine Art Membran mit ganz vielen Blutgefäßen. Wir wollten, dass diese Blutgefäße auch in unseren Herzmuskelflicken hineinwachsen. Nach sieben Tagen im Bauchraum haben wir ihn wieder entfernt. Wir konnten sehen, dass das Gewebe jetzt richtig gut durchblutet war. Es hatten sich tatsächlich voll funktionsfähige Blutgefäße gebildet."

    In einer weiteren Operation setzte Smadar Cohen ihren Flicken dann in das Herz der Ratten ein. Die Tiere hatten zuvor einen Infarkt erlitten. Den Ratten schien es mit dem Flicken auf ihrem Herzen wieder richtig gut zu gehen. Als die Wissenschaftlerin ihr Herz einen Monat nach der Operation genauer untersuchte, konnte sie zeigen, dass sich der Flicken gut in das restliche Herzmuskelgewebe integriert hatte.

    "Ich meine damit strukturelle und elektrische Integration. Durch die strukturelle Integration wird die Infarktregion gestärkt und die Wand des Herzens wird einfach dicker und ist nicht mehr einer so starken Belastung ausgesetzt. Durch die elektrische Integration haben wir Elemente hinzugefügt, die das restliche Herzmuskelgewebe bei seiner Kontraktion unterstützen. Das ist einfach sehr wichtig."

    Letztlich geht es der israelischen Wissenschaftlerin natürlich nicht darum, herzkranke Ratten zu heilen. Sie will Menschen nach einem Herzinfarkt helfen. Und das könnte schon in absehbarer Zeit möglich sein. Mit Chirurgen hat sie bereits über die Anwendungsmöglichkeiten ihres Herzflickens gesprochen:

    "Einen schwerkranken, sehr schwachen Patienten mehrfach zu operieren, ist natürlich problematisch. Einige Chirurgen sagen aber, dass das möglich ist. Der genaue Ablauf müsste zwar noch erarbeitet werden, aber sie trauen sich das zu. Mir ging es mit dieser Studie aber vor allem darum, zu zeigen, wie wichtig es ist, dass so ein Flicken fürs Herz frühzeitig mit Blutgefäßen versorgt wird. Aber wenn sie mich persönlich fragen, dann wäre es sicherlich die beste Methode, einen Flicken aus Herzmuskelgewebe außerhalb des Körpers im Labor mit Blutgefäßen auszustatten."

    Smadar Cohen ist fest davon überzeugt, dass es ihr oder einem ihrer Kollegen schon bald gelingen wird, Blutgefäße im Labor wachsen zu lassen.